Streit um neue Leitung von Yad Vashem

Historikerin: "Eine katastrophische Entwicklung"

07:59 Minuten
Blick in die Kuppel der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem
Blick in die Kuppel der Gedenkstätte Yad Vaschem - die Einrichtung sammelt Daten und Dokumente zum Holocaust. © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Cilly Kugelmann im Gespräch mit Marietta Schwarz · 26.11.2020
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Der erzkonservative Nationalist Effi Eitam ist als Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem im Gespräch. Eitam aber würde dem widersprechen, wofür die Gedenkstätte stehe, warnt die Historikerin Cilly Kugelmann.
Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel soll eine neue Leitung erhalten. Gegen den Vorschlag der Regierungspartei des israelischen Premierministers Netanjahu hat Cilly Kugelmann eine Petition gestartet, damit der vorgesehene Kandidat Effi Eitam nicht neuer Direktor von Yad Vashem wird.
Kugelmann ist Chefkuratorin der Dauerausstellung des Jüdischen Museums in Berlin und hat den Appell mitinitiiert. Weltweit haben viele hundert Menschen unterzeichnet.

Institution nicht nur für die Wissenschaft

Um die Kritik am Kandidaten zu verstehen, müsse man wissen, dass die Gedenkstätte Yad Vashem mehrere Funktionen erfülle, sagt Kugelmann: "Es gibt eine politische Funktion. Die Stelle wird von der Politik besetzt und sie wird auch von der Politik instrumentalisiert." Andererseits sei Yad Vashem auch eine Institution, die Informationen, Daten und Dokumente sammele und in der wissenschaftlich gearbeitet werde. "Dieser Aspekt der Gedenkstätte ist für die internationale Forschung und für Museen, die sich mit dieser Geschichte befassen, sehr wichtig."

Mit antiarabischen Aussagen aufgefallen

Effi Eitam sei allerdings kein Holocaust-Forscher, sondern stamme aus der Siedlerbewegung. Er sei zudem auch mit radikalen antiarabischen Aussagen aufgefallen, so Kugelmann: "Er ist Ex-Politiker und ist mit der Armee verbunden. Er hat überhaupt nichts mit diesen Themen zu tun, beruflich und wissenschaftlich. Er ist auch kein Wissenschaftler. Es ist eine rein politische Besetzung."
Beim Umgang mit dem Holocaust habe Israel zwei Möglichkeiten: "Eine Richtung wäre, ähnliche Strategien oder ähnliche politische Ereignisse weltweit zu bekämpfen." Etwa als Erfahrung aus dem Holocaust alles zu bekämpfen, was auch nur im Entferntesten in diese Richtung gehe. Im Moment wähle der Staat mit seiner geplanten Besetzung eine Position, die Macht und Stärke demonstriere, sagt Kugelmann.

Besetzung mit falscher Ausrichtung

Doch diese nationalistische Perspektive sei für sie undenkbar: "Es wäre eine katastrophische Entwicklung, einen artikulierten Rassisten als Leiter einer Institution zu sehen, die sich mit den Ergebnissen eines virulenten antijüdischen Rassismus beschäftigt." Würde Yad Vashem von Effi Eitam geleitet, würde dieser in eine Richtung agieren, die dem widerspreche, wofür diese Gedenkstätte stehe:
"Was sich politisch in diesem Wunsch der Stellenbesetzung artikuliert und wenn man weiß, dass der artikulierte Rassismus sich gegen die Palästinenser richtet, dann wird man den Gedanken nicht los, dass hier eine Analogie zwischen dem Nationalsozialismus und den Palästinensern gezogen werden soll."
(mle)
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