Streit um die Elbbrücke

Von Alexandra Gerlach · 19.01.2006
Der Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg übt sich in Schadensbegrenzung: Er trifft mit dem Direktor des Welterbezentrums der UNESCO, Francesco Bandarin, in Paris zusammen. Dieser hatte erst kürzlich damit gedroht, der Stadt den Status als Weltkulturerbe wegen einer geplanten Elbbrücke abzuerkennen. Jetzt sind beide Seiten an einer einvernehmlichen Lösung interessiert.
Es muss eine aufreibende und sehr anstrengende Sitzung im Dresdner Welterbe-Kuratorium - heute vor genau einer Woche - gewesen sein. Hermetisch abgeschirmt, hinter fest geschlossenen Türen wurde stundenlang diskutiert und um das weitere Vorgehen gerungen. Am Ende stand fest: Dresden wird für das Elbtal um den Status Weltkulturerbe kämpfen.

Kuratoriumssprecher Prof. Ingo Zimmermann: "Der Status des Welterbes von der UNESCO für die Stadt Dresden hat einen sehr hohen Wert. Mit der Aufnahme des Elbtales in die Liste des Weltkulturerbes ist unsere wiedererstandene Stadt mit der Frauenkirche als ein Stadtkunstwerk von Weltbedeutung international anerkennt worden, das hat das Identitätsgefühl der Dresdner mit ihrer Stadt auf eine einmalige Weise bestätigt und bestärkt, die Dresdner die nach 1945 nie den Glauben an ihre Stadt verloren haben,... diese Dresdner haben sich durch die Aufnahme ihrer Stadt in die Liste in ihrer Identität bestärkt gefühlt."

"Oberstes Ziel ist die Erhaltung, die unbedingte Erhaltung des Status Welterbe Dresdner Elbtal."

Das ist also nun die Maßgabe des UNESCO-Welterbe-Kuratoriums für die Reise des Dresdner Stadtoberhaupts nach Paris. Kuratoriumssprecher Prof. Ingo Zimmermann ist zuversichtlich, dass es sich in erster Linie um Missverständnisse handelt, die es aufzuklären gilt, wenn morgen in der französischen Hauptstadt über das Thema Waldschlösschenbrücke gesprochen wird. Oberbürgermeister Ingolf Roßberg hat dafür jedenfalls volle Rückendeckung aus dem beratendem Gremium:

Prof. Zimmermann: "Es ist auch in der Diskussion deutlich geworden, dass keine Fehler des Oberbürgermeisters oder der Stadtverwaltung oder des Stadtrates erkennbar sind, im Verhalten gegenüber der UNESCO. Das was von der UNESCO an Klärungsbedarf gewünscht wurde, ist erbracht worden."

Bei der UNESCO in Paris sieht man die Lage indessen etwas anders. So hatte Francesco Bandarin, der Direktor des Welterbezentrums unlängst in zwei Briefen an das Auswärtige Amt in Berlin, erklärt, wenn die Brücke in Dresden wie geplant gebaut werde, verletze das die Grundlagen der Entscheidung, das Dresdner Elbtal in die Welterbeliste aufzunehmen. Die neue Brücke am Dresdner Waldschlösschen sei für die UNESCO nicht akzeptabel, da sie die freie Sicht auf die Elbhänge und die Dresdner Stadtsilhouette beeinträchtigen würde. Überdies sei die Brücke zwar in der Bewerbung erwähnt worden, allerdings "nicht deutlich genug".

Diesen Vorwurf weist das Kuratorium in Dresden nach Prüfung aller vorliegenden Unterlagen jedoch mit Nachdruck zurück.

Zimmermann: "Von der Stadt Dresden ist vorsätzlich nirgendwo auch nur der Ansatz einer Täuschung der UNESCO nachzuweisen oder zu erkennen. Wir haben alles offen gelegt, das Vorhaben war den Beschlussgremien der UNESCO bekannt. Es scheinen also nachträglich Fragestellungen aufgekommen zu sein, die geklärt werden müssen."

Inzwischen hat die Stadt Dresden weitere, detaillierte Unterlagen zum Brückenbau an die UNESCO geschickt. Dennoch schwant dem Oberbürgermeister bereits, dass diese Tagesreise kein Spaziergang wird.

Oberbürgermeister Ingolf Roßberg: "Wird ein anstrengender Tag, mehr kann ich dazu nicht sagen."

Und was wird, wenn der Versuch, Fragen zu klären und Missverständnisse auszuräumen nicht gelingt?

Roßberg: "Denken kann ich mir viel, aber das behalte ich in der Regel für mich - ist alles hochspekulativ."

Spekuliert wird viel in diesen Tagen, vor allem darüber, was es die Stadt kosten würde, wenn der Brückenbau doch noch, sozusagen in letzter Minute gestoppt würde. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt formuliert sehr zurückhaltend, wenn es um das weitere Vorgehen in Sachen Brückenbau geht:

"Das ist eine Entscheidung der Stadt Dresden. Uns ist nur mitgeteilt worden, dass, wenn die Stadt nicht baut, sie sich erheblichen Schadensersatzforderungen aussetzt. Und dass, wenn sie nicht baut, möglicherweise die ganze Finanzierung zusammenbricht, so dass sie gar nicht bauen kann. So dass die Frage gar nicht Verschiebung ist, sondern ja oder nein."

Wieviel Spielraum hat der Dresdner Oberbürgermeister also tatsächlich, wenn er zur UNESCO nach Paris fährt? Das Kuratorium hat ihm enge Grenzen gesetzt.

Zimmermann: "Im Moment raten wir von abschließenden Bauvorbereitungsschritten ab."

Doch die Ausschreibung läuft, und für den Oberbürgermeister ergibt sich daraus ein sehr enger, zeitlich klar eingegrenzter, Spielraum:

"Ich sage das noch einmal ganz deutlich, die Bindesfrist für den Bau der Brücke selbst und des Altstädter Brückenkopfes läuft am 7. März ab, gemäß Ausschreibung, und das ist der Punkt, der so genannten irreversiblen Entscheidungen ist."

Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten des weiteren Verfahrens. Variante A wäre die Rücknahme der gesamten Ausschreibung, was aber keiner wirklich will, Variante B ist eine einvernehmliche Einigung mit den beteiligten Bietern auf eine Verschiebung und Variierung des geplanten Brückenbaus.
Besonders kompliziert wird die gesamte Lage dadurch, dass die Entscheidung für die seit Jahren schwer sehr umstrittene Waldschlösschenbrücke, im Frühjahr 2004 durch einen Bürgerentscheid beschlossen wurde. Daran fühlt sich auch das Dresdner Welterbe-Kuratorium gebunden.

Prof. Ingo Zimmermann: "Wir haben ein demokratisches Abstimmungsergebnis und das ist verbindlich. Das sind die Spielregeln der Demokratie."

Betont wird jedoch auch, dass die Dresdner Elblandschaft eine sich entwickelnde Kulturlandschaft sei und nicht etwa statisch. Erneute Kontroversen mit dem Vorgaben der UNESCO sind daher nicht auszuschließen, so die Ansicht des Kuratoriums.

Im Juni soll der Fall Dresden auf die Tagesordnung einer UNESCO-Sitzung kommen. Zeitgleich wird wohl auch das Ergebnis der von der UNESCO in Auftrag gegebenen Stadtbild-Verträglichkeitsprüfung vorliegen. Bis dahin hat Dresden den Auftrag über Alternativen zum Brückenbau nachzudenken. Über eine Tunnelvariante etwa.