Streit um das Internetportal Agentin.org

Wie Giftstoffe stehen diese Namen da

Eine Frau arbeitet an einer Computer-Tastatur.
Das Portal Agentin.org listet "Antifeministen" und "homophobe" Publizisten. © imago
Von Christiane Florin · 28.07.2017
Das Internetportal Agentin.org listet Publizisten, Intellektuelle und Funktionäre als "antifeministisch", "homophob" oder "ultrakatholisch". Doch dieses Personenlexikon ist unter Niveau - denn es vermischt Person und Position.
Erst mal gucken, ob der eigene Name gelistet ist. Denn auch oder gerade als Frau mit Publikationshintergrund ist es nicht leicht, ein untadeliges feministisches Leben durchzuhalten. In einem schwachen Moment ist einem vielleicht mal eine heteronormative, bi-geschlechtlich-fixierte Formulierung durchgerutscht oder irgendjemand hat einen dabei beobachtet, wie man einer Talkshow mit und trotz Birgit Kelle bis zum Schluss folgte. Aber nein, der eigene Name taucht nicht auf.
Unbefangen und unschuldig weiß lässt sich also die schwarze Liste der Agent*In studieren. Alphabetisch sortiert sind die Namen von Publizisten, Intellektuellen und Funktionären. Wer draufklickt, liest Halbsätze wie "steht dem Ultrakatholizismus nahe". "Antifeministisch" ist ein anderes toxisches Charakteristikum. Wie Giftstoffe stehen diese Namen da, tödlich für gesellschaftspolitische Debatten.
Die Grundbeobachtung stimmt: Es gibt Schnittmengen zwischen treuen Kirchgängern und rechtspopulistischen Bewegungen. Die gemeinsamen Feinde heißen Gender, Homo-Ehe und Frühsexualisierung. Wobei Ultrakatholiken und Pegida-Kirchenhasser auch schon mal Seit an Seit schreiten, um Rechte für Homosexuelle und Frauen einzufordern, allerdings nur gegenüber dem Islam. Ein schwer durchschaubares, einflussreiches Netz von Vereinen sorgt dafür, dass Gender bevorzugt in Kombination mit den Endsilben -Wahnsinn,-Gaga oder -Ideologie öffentlich verhandelt wird. Auch öffentlich-rechtlich.

Sehen sich ohnehin als Opfer

Mal gerade nachschauen: Nein, Claus Kleber steht noch nicht auf der Liste der Agent*In, obwohl er Maria Furtwängler im heute journal mit der Frage intellektuell belästigte, ob sie in ihrem Kampf um Gleichberechtigung Benjamin Blümchen gendermainstreamen wolle.
Diejenigen, die tatsächlich aufgelistet werden, rufen nun "Denunziation". Sie haben Übung darin. Auch ohne Gender-Lexikon sehen sie sich ständig als Opfer der "Political Correctness", des "Mainstreams", der "links-grün-feministischen Meinungsdiktatur". Manche, die jetzt aufschreien, waren früher selbst recht eilfertig darin, angeblich unkatholische Schwestern und Brüder beim Bischof zu verpetzen.
Und gerade deswegen ist dieses Personenlexikon unter Niveau. Es vermischt – genau wie diejenigen, die es anschwärzt – Person und Position. Auslöschungsphantasien entgiften nicht. Man muss die Anti-Gender-Propagandisten lesen, ihre Talkshow-Auftritte anschauen, Vereinsabende besuchen, Broschüren studieren. Dann wird Kritik konkret. Schwarze Listen sind nicht erhellend, bei aller Liebe zur Dialektik der Aufklärung. Adorno würde durch seine schwarze Hornbrille schauen und sagen: Sie sind ein Verblendungszusammenhang.

Aufklärung oder Pranger? – Über die Internetseite Agent*In haben in "Studio 9" Axel Rahmlow und Vladimir Balzer mit Catherine Newmark aus der Philosophie-Redaktion gesprochen, die auch Kolumnen zu feministischen Themen verfasst. Sie finde es verständlich, dass es nun online ein solches Verzeichnis von Feminismus-Gegnern gebe, sagte Newmark. Zuerst habe sie gedacht, es handele sich um eine Antwort auf wikiMANNia.org, das seit einigen Jahren Menschen, die für Feminismus eintreten, in einem diffamierenden Ton kritisiere.

Ihr zweiter Eindruck sei allerdings ambivalenter, weil sie zum Beispiel die Auswahl der 177 Personeneinträge auf Agent*In irritiert habe: Bei Menschen, die sich hauptsächlich in der Öffentlichkeit damit beschäftigten, den Feminismus als Ideologie zu bekämpfen, halte sie die Auflistung durchaus für berechtigt und informativ. Allerdings könne sie die Kriterien für den Eintrag bei nicht allen nachvollziehen, war einer von Newmarks Kritikpunkten.

Hören Sie hier das komplette Gespräch mit Catherine Newmark in "Studio 9".
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