Streit mit Italien

Ärger in Paris über Unterstützung für die "Gelbwesten"

Ein Demonstrant der Gelb-Westen-Bewegung mit der französischen Fahne vor einer Mauer. Impression von den Gelbwesten-Protesten gegen Präsident Macron auf den Champs Elysées.
Weil Italiens Regierung die französischen "Gelb-Westen-Bewegung" unterstützt, gibt es nun diplomatische Querelen mit Frankreich. © dpa
Zafer Senocak im Gespräch mit Axel Flemming  · 08.02.2019
Seit Monaten liegen die Regierungen in Paris und Rom über Kreuz. Nun ist der Konflikt eskaliert: Frankreich hat seinen Botschafter zurückgerufen. Die Verständigung in der EU werde schwieriger, sagt der Publizist Zafer Senocak.
Frankreich hat nach wochenlangen Streitigkeiten mit Italien seinen Botschafter aus dem Nachbarland für Gespräche zurückgerufen. Damit reagiere man auf die "wiederholten, grundlosen Angriffe und die unerhörten Äußerungen" von italienischen Regierungspolitikern, teilte das Außenministerium in Paris mit.

Streit um Nähe zu "Gelbwesten"

Nach einer Serie "extremer Erklärungen" Italiens seien interne Beratungen nötig. "Unstimmigkeiten zu haben, ist eine Sache, aber die Beziehungen für Wahlziele zu manipulieren, ist eine andere." Jüngstes Ärgernis für die Regierung in Paris war ein Treffen von Italiens stellvertretendem Ministerpräsidenten Luigi di Maio mit Vertretern der "Gelbwesten", darunter auch deren Sprecher Christophe Chalencon. Die italienische Regierung unterstützt die französische Protestbewegung.
Der Publizist Zafer Şenocak
Der Publizist Zafer Senocak© Deutschlandradio / Torben Waleczek
"Man kann nur hoffen, dass Europa nicht immer weiter zum Nahen Osten wird", sagte der Autor Zafer Senocak im Deutschlandfunk Kultur. "Solche grotesken Geschichten diplomatischer Art kennt man eigentlich nur aus anderen Breitengraden." Der Nachbarschaftsstreit sei vielleicht ein erstes Zeichen von einer Entwicklung, in der Verständigung schwieriger werden könnte.

Kritik an Arroganz der Macht

"Aber es ist auch wichtig, ein bisschen die Arroganz der Macht zu brechen", sagte Senocak. Er meine damit alle Richtungen. "Es ist wichtig, dass die Bevölkerung das Recht hat und das Gefühl hat, dass sie die Macht jederzeit hinterfragen kann – das ist eigentlich die Kernessenz der Demokratie." Das Parteiensystem stoße inzwischen an bestimmte Grenzen.

Parteien in Bewegung

"Ich glaube schon, dass wir in der Zukunft stärker Bürgerrechtsbewegungen sehen werden oder sich schnell und besser reformierende Parteien." Parteien müssten hinterfragen, wofür sie da seien, welche Ziele sie hätten und was sie den Wählern anbieten könnten. "Ich sehe das gerade in der SPD", sagte der Autor. Die Partei versuche in einer sehr schwierigen Position, sich an ihren sozialen Kern zu erinnern und einige Punkte anzusprechen, die die Mehrheit der Bevölkerung positiv bewerte.
(gem)

Zafer Senocak ist Autor und Publizist. Er wurde 1961 in Ankara geboren, seit 1970 lebt er in Deutschland. Şenocak studierte Germanistik, Politik und Philosophie in München. Seit 1979 veröffentlicht er Gedichte, Essays und Prosa in deutscher Sprache. Er schreibt regelmäßig für die "tageszeitung" in Berlin und andere Publikationen. Zuletzt erschien sein Buch "In deinen Worten: Mutmaßungen über den Glauben meines Vaters".

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