Streik bei der Bahn

Vom harten Job eines Lokführers

05:43 Minuten
Lokführer Torsten Holz im Porträt
Lokführer Torsten Holz fährt seit 1988 Fernzüge. Vom Management der Bahn fühlt er sich nicht genug wertgeschätzt. © Deutschlandradio / Christoph Richter
Von Christoph Richter · 23.08.2021
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Wieder streiken die Lokführer der GDL. Und wieder wird viel über sie geschimpft. Doch wie sieht ihr Alltag aus? Lokführer Torsten Holz berichtet von schlecht bezahlter, durchgetakteter Schichtarbeit. Für GDL-Chef Weselsky hat er nur Lob.
Mit viel Fingerspitzengefühl steuert Torsten Holz den über 100 Meter langen Regionalexpress. Seine Hauptstrecke: einmal quer durch Ostdeutschland, Magdeburg – Frankfurt/Oder.
Der halbrunde Führerstand besteht aus einer Vielzahl von diversen Knöpfen, Schaltern und Hebeln, sieht wie eine Schaltwarte aus. Kleine Monitore informieren den Lokführer über Langsam-Fahrstellen oder Baustellen. Mit dem sogenannten Fahrschalter gibt er Gas und bremst.
Torsten Holz lächelt, sitzt bequem, ja er thront fast ein wenig in einem federnden Sessel und steuert stolz seine knapp 10.000 PS starke Lok durch die Mark Brandenburg: "Das kann man sagen: Es ist ein Hochgefühl, das macht Spaß. Wir sind einigermaßen pünktlich, die eine Minute Verspätung versuche ich rauszufahren."

2800 Euro für anstrengende Schichtarbeit

Doch der Alltag eines Lokführers ist hart, sagt Holz:
"Die komprimierten Schichten, nicht mal der Dienstplan an sich, die komprimierten Schichten sind das Anstrengende: Das bedeutet, wir sind von Minute zu Minute duchgetaktet und da bleibt wenig Zeit zum Durchatmen. Das ist, was eine Schicht wirklich anstrengend macht."
Das war früher anders. Aber auch die Arbeitszeiten sind eine Herausforderung, meint Lokführer Holz:
"Weil Sie mal um zwei anfangen, mal um vier anfangen, dann mal wieder um sieben, am nächsten Tag um fünf. Der Wechsel, das Hoch und Runter ist belastend. Man fühlt sich gesundheitlich geschlaucht."
Dafür bekommt der 56-jährige Torsten Holz monatlich netto 2800 Euro überwiesen. Das war es aber auch für die nächsten Jahre, sagt er. Bis zur Rente wird es nicht mehr.
Die Stimmung unter den Lokführern ist angespannt. Die Wertschätzung des Managements sei nicht hoch, erzählt er. Man ist nur eine Personalnummer, mehr nicht, schimpft Holz.
Die braunen Augen blitzen, während der dreifache Vater und vierfache Großvater noch mal die Forderungen formuliert: 3,2 Prozent innerhalb von 28 Monaten, dieses Jahr 1,4 Prozent mehr Lohn plus 600 Euro Corona-Prämie. Eine Nullrunde für dieses Jahr gehe gar nicht, sagt Holz:
"Es geht um mehr Lohn. Deswegen finde ich auch ein bisschen die Fragen immer seltsam, warum wird bei der Bahn gestreikt? Bei der IG Chemie regt sich nie einer auf, bei der IG Metall regt sich nie einer auf. Warum bei der Bahn? Kann ich nicht nachvollziehen."

GDL-Chef Weselsky? "Super Typ!"

Den Unmut der Menschen könne er "schon verstehen", sagt er. "Ich kann nur nicht nachvollziehen, warum Leute ein Problem haben, wenn Eisenbahner streiken."
Mit dem Vorwurf, es gehe um einen Machtkampf zwischen zwei konkurrierenden Gewerkschaften, kann Gewerkschaftsmitglied Holz nichts anfangen. Was das Gesicht des Streiks, GDL-Chef Claus Weselsky, betrifft: "Super-Typ", sagt Holz.
"Weselsky macht seinen Job unwahrscheinlich gut, schon seit Jahren. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken, denn das Rückgrat muss man erst mal haben. Machtkampf schließe ich definitiv aus."
Weselsky bringe nur das in die Öffentlichkeit, was die Basis der Lokführer fordert. Die Lokführer lassen sich nicht von ihm instrumentalisieren. Absolut nicht, unterstreicht noch einmal Lokführer Holz:
"Es ist ja auch nicht so, dass Herr Weselsky die Politik bestimmt. Definitiv nicht, die bestimmen wir hier vor Ort. Wir stellen Forderungen auf, die gehen von der Ortsgruppe an den Bezirk, von dem Bezirk an den Hauptvorstand. Bei der Generalversammlung wird es dann beschlossen. So ist der Werdegang. Herr Weselsky erfüllt nur unsere Forderung. Eigentlich ist er nur unser Dienstleister."
Blick aus dem Cockpit eines fahrenden Zuges auf Gleise und Wald am Rand
Die Landschaften ziehen vorüber: Lokführer Torsten Holz kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen - trotz allem. © Deutschlandradio / Christoph Richter
Die Bezahlung sei mies, sagt Holz. Und richtet seinen Blick in die Nachbarländer, wie beispielsweise die Schweiz, wo Lokführer bis zu 5000 Euro bekämen: "Da wird einem ja schlecht. Da will man sich nicht vergleichen. Das sind himmelweite Unterschiede."
Doch Torsten Holz kann sich trotzdem keinen besseren Job vorstellen. Lokomotivführer sei kein Beruf, sondern eine Berufung: "Es ist schön, wenn die Landschaften sich verändern. Die eine Woche ist es so, die andere ist es anders … die Felder sind abgemäht oder das Gras ist vertrocknet. Das hat schon was."
Zwei Uhr nachts hat Torsten Holz heute Feierabend. Bevor er aber nach Hause geht, will er uns noch etwas auf den Weg geben. Und wirbt um Verständnis, dass die Lokführer streiken. Eigentlich wolle man das keinem zumuten. Bei der Entlohnung gehe es aber nicht nur um mehr Geld, sondern auch um mehr Wertschätzung, sagt er fast ein wenig kampfeslustig. Und hofft, dass sich das Bahn-Management nun endlich bewegt.
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