Streifzug durch die brasilianische Popmusik

Von der Bossa zum Tropicalismo

Eine Bronzestatue steht zu Ehren des Bossanova-Komponisten Antonio Carlos Jobim am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro.
Ed Motta kennt die brasilianische Musik und ihre Geschichte wie kein Zweiter. © picture alliance / dpa / Antonio Lacerda
Von Thorsten Bednarz · 08.08.2016
Zusammen mit dem brasilianischen Musiker Ed Motta streifen wir in einer fünfteiligen Reihe durch die Musikgeschichte des Olympialandes. Natürlich muss ein solcher beginnen mit dem Siegeszug des Bossa Nova in den 1960er-Jahren.
Schon in den späten 1950er-Jahren gab es einige Musiker, die die afro-brasilianische Samba einer radikalen Neubewertung unterzogen, sie unter dem Einfluss des amerikanischen Jazz und später auch des Easy Listening auf eine ganz andere Art und Weise spielten. Viel cooler, weniger perkussiv und mit dem klaren Anspruch, hier eine neue, international angelegte Musik zu schaffen.

Bossa Nova - schön, aber unpolitisch

Tom Jobim, Johnny Alf und Jorge Ben hatten neben anderen Musikern die Grundlage für die neue Welle brasilianischer Musik gelegt – die Bossa Nova. Scheinbar unbeirrt davon, was im Land vor sich ging. Denn während sie sich ganz der reinen musikalischen Schönheit widmeten, der Eleganz und Coolness ihres neuen Sounds, da putschte sich 1964 das Militär an die Macht und begann eine Schreckensherrschaft, die bis in die 1980er-Jahre anhalten sollte.
Dabei versuchte es, die Musik von internationalen Trends abzukoppeln und beäugte alle neuen musikalischen Moden mit Argwohn.
Doch in den Songs über die Schönheit der Mädchen am Ipanema-Strand konnten sie nichts politisch Anrüchiges finden und mussten die Musiker mehr oder weniger zähneknirschend gewähren lassen.
Ed Motta: "Die Bossa in ihrer ganzen Schönheit, musikalischen Komplexität und ihrem harmonischen Reichtum, sie kümmerte sich nicht um die Politik. Es war eine rein bürgerliche Bewegung, die sich von den breiten Volksmassen klar absetzte. Es gab da diesen klaren Bruch und deswegen sehen einige sehr radikale Kritiker sie dann auch als den Soundtrack der Diktatur an."
Die brasilianische Sängerin Astrud Gilberto im Jahr 1965. Sie gilt als die Königin des Bossa Nova.
Die brasilianische Sängerin Astrud Gilberto im Jahr 1965. Sie gilt als die Königin des Bossa Nova.© imago/ZUMA/Keystone

Aus LSD wird Tropicalismo

Doch bald schon erreichten auch Sex and Drugs and Rock'n'Roll das Land am Zuckerhut.
Zuerst war es nur ein Fiebertraum, der sich über die Jugend Brasiliens legte, ein Lindo Sonho Delirante, kurz: LSD genannt. Doch unter dem Einfluss der Beatles und der Rolling Stones, unter den frühen Experimenten von Genesis und Pink Floyd und nicht zuletzt unter den weltweiten Studentenrevolten gärte es auch im brasilianischen Untergrund. Und dieser neue, "Tropicalismo" genannte, Sound erreichte auch bald die breiten Massen.
Fast täglich hörte man nun völlig neue Musik von jungen Musikern wie Caetano Veloso, Gilberto Gil, Tom Zé oder den Os Mutantes. Höhepunkt dieser Bewegung war ihr gemeinsames Album unter dem sinnträchtigen Titel "Ou Panis et Circensis – Brot und Spiele". Ein Slogan, unter dem schon römische Despoten ihr Volk in Schach zu halten versuchten.
Ed Motta: "Das Militär hat hart gegen die Tropiacalia durchgegriffen und warf viele ins Gefängnis. Caetano Veloso und Gilberto Gil etwa. 1964 kamen die Militärs an die Macht, aber in den 70ern steigerten sie den Terror noch, wurden viel aggressiver."
Am 21. Juli 1969 wurden Caetano Veloso und Gilberto Gil bei einem Konzert im Teatro Castro Alves in Bahia auf offener Bühne verhaftet und man schob sie nach neun Monaten Haft ins Exil ab. Es war zugleich das Ende des Tropicalismo.

Als "Land der Musik" sieht sich Brasilien selbst und meint damit bei weitem nicht nur Samba, Bossa Nova oder Choro. In einer fünfteiligen Reihe blicken wir mit dem brasilianischen Musiker Ed Motta auf die Entwicklung der letzten 50 Jahre.

Mehr zum Thema