Streifen von Newcomern

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 04.11.2013
Das Festival in Mannheim-Heidelberg widmet sich unbekannten Filmemachern aus aller Welt, die ihre ersten Werke vorstellen. Das Spektrum reicht von Taiwan über Iran und Israel bis nach Kuba und Norwegen. Es geht um Filme, bei denen regionale und kulturelle Herkunft deutlich sichtbar wird.
Die kubanische Nationalhymne klingt etwas schief, obwohl sich die kleinen Schulkinder in einem trostlosen Provinzdorf durchaus Mühe geben. Mit melancholischem Sarkasmus erzählt der Kubaner Carlos Lechuga in seinem Regiedebüt Melaza (Zuckerrohrbrei) vom absurden Alltag im tropischen Sozialismus, zwischen revolutionärem Pathos und schlichter Mangelwirtschaft.

Oft disharmonisch, manchmal provokativ, aber nie im unterhaltsamen Gleichklang reflektieren Nachwuchsfilmer aus aller Welt die Lebenswirklichkeit ihrer Länder. In persönlichen Geschichten spiegeln sie politische und soziale Tabus, manchmal auch an der Zensur vorbei.

So erzählt der iranische Film Ghaedeye Tasadof (Die Regeln umgehen) den Konflikt einer jungen Theatergruppe mit dem Vater der Hauptdarstellerin. Der möchte seiner Tochter die Auslandstournee verbieten. Das fast dokumentarisch inszenierte Kammerspiel zeigt einen Generationskonflikt, der, so Regisseur Behnan Behzadi, viel über die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Jugend und autoritärer Staatsgewalt aussagt:

Behnan Behzadi: "Wer die Macht hat, aber unfähig ist, einen Dialog zu führen, ist am Ende nicht der Sieger. Der Vater sitzt am längeren Hebel, aber kann auch nichts gewinnen und steht am Ende einsam da."

Filme mit autobiografischen Erfahrungen
Laut und voller Wut und im grellen Sonnenlicht erzählt der israelische Regisseur Matan Guggenheim in seinem Debüt "Quer durchs Paradies" von Gewalt und Gegengewalt in Israel und Palästina. Die Liebe der beiden Hauptfiguren muss an der persönlichen Vergangenheit scheitern in einem ewigen Kreislauf von Schuld und Vergeltung.

Matan Guggenheim: "”Es geht hier viel um Friedhöfe Trauerzeremonien, Beerdigungen. Da spielt meine eigene Erfahrung als Soldat mit herein, damit ist man immer konfrontiert. Aber ich frage mich auch, ob sich eine Gesellschaft auch weiterentwickeln kann, wenn sie so stark mit der Trauer beschäftigt ist. Das gilt auch für meine beiden Hauptfiguren: können sie eine eigenen Liebesgeschichte entwickeln in einem Umfeld, dass die Erinnerung immer wieder idealisiert.""

Auch viele andere Nachwuchsfilme, 17 im Wettbewerb, 11 in der Reihe "Internationale Entdeckungen," sind durch autobiografische Erfahrungen motiviert, die ganz eigene Sicht auf das eigene Land. Mannheim-Heidelberg sucht das ungewöhnliche Debüt, Filme bei denen die regionale und kulturelle Herkunft deutlich sichtbar wird, sagt Festivaldirektor Michael Koetz.

Michael Koetz: "Und darum geht es, also das man diesen sinnlichen Reichtum hat, den wir dringend brauchen, weil sie diese Universalisierung des Lebens, die Globalisierung eine unglaublichen Trend zur Vereinheitlichung hergestellt hat und der Film, im weitesten Sinne als Medium, in welchen Kanälen auch immer ist leider geradezu eine unglaubliche Egalisierungskraft geworden, wo weltweit, wie in der Popmusik immer das selbe gesehen und gehört wird."

Festival mit improvisierten Kinosälen
Die ungewöhnlichen Spielstätten sind gut besucht: In Heidelberg in drei Zelten auf dem Schlossberg und im Mannheimer Stadthaus lassen sich Kino und Catering gut verkaufen. Ein Filmfest mit improvisierten Kinosälen, die danach einfach verschwinden. Ebenso wie die Filme, von denen allenfalls zehn Prozent in deutschen Kinos zu sehen sein werden. Wenn überhaupt.

Stefan Paul vom Arsenal Filmverleih: "Ein Publikum ist da, keine Frage auch wenn es natürlich lieber zu solchen events geht, das sind social events, das ist ein kulturelles Ereignis, der Kinoalltag sieht dann schon ein bisschen bitterer aus, da gehen die Leute weniger hin."

Für Wilfried Arnold vom Kairos Verleih Göttingen zeigt sich hier auch eine gefährliche Monokultur in der deutschen Kinolandschaft:

"Egal, in welche Stadt man kommt, die Programme unterscheiden sich nicht so stark. Und das ist früher anders gewesen. Früher, muss ich sagen, haben die Kinobesitzer auch ein bisschen mehr Mut gebracht, neben dem sozusagen sicheren Film, der ihnen die Einnahmen garantierte, auch andere Sachen zu spielen. Und das ist so ein bisschen auch eine Sache, wo der Markt sozusagen durch die Programmierlust oder Programmierangst der Kinobesitzer dominiert wird, und das führt dazu, dass es schwieriger ist, so kleine Filme, wie die in Mannheim laufen ins Kino zu bringen, egal welche Qualität sie haben."

Viele Nachwuchsfilmer in Mannheim und Heidelberg finden später keinen Platz im Filmgeschäft, ihre künstlerische Laufbahn endet nach dem Debüt. Einige wenige werden bekannt, wie der Chilene Matias Bizé, der dieses Jahr in der Jury sitzt, oder der Belgier Federic Fonteyne, der dieses Jahr für sein bisheriges Lebenswerk mit dem "New Master of Cinema" ausgezeichnet wurde.

In Mannheim und Heidelberg werden Nachwuchsfilme gezeigt, die wenig mit Glanz und Glamour des großen Filmgeschäfts zu tun haben. Filme, die ungewöhnlich erzählen, , mitunter roh und noch unbeholfen, aber fast immer mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Filme, die sich nur schwer in einer fünf Zeilen Synopsis zusammenfassen lassen und die es im kommerziellen Kino nicht einfach haben.
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