Strategien gegen Nazi-Konzerte in Thüringen

"Hass und Kommerz"

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Auf dem Rechtsrockfestival in Themar © (c) Henry Bernhard
Von Henry Bernhard · 06.02.2018
Über hundert aktive Nazibands und rechtsextreme Liedermacher gibt es Schätzungen zufolge in Deutschland. Auch in Thüringen treten Bands wie "Ahnenblut" oder "Stahlgewitter" immer wieder auf und machen Kasse mit ihren Konzerten. Aber es gibt auch Gegenwind.
6000 Neonazis hatten sich im vergangenen Juli am Rand von Themar, einer kleinen Stadt im äußersten Süden Thüringens, versammelt, zu einem Rechtsrockkonzert. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Sie brüllten "Sieg Heil!" und rissen die rechten Arme nach oben. Die Polizei schaute zu. Zu gefährlich wäre es gewesen einzugreifen, hieß es danach im Innenministerium, dafür hätten die Polizeikräfte nicht ausgereicht.
Im Ort selbst hat es vielfältige Proteste gegen das Neonazi-Event gegeben, Straßenfeste, Plakate. Allein: Vom Konzert hielt das keinen der Rechtsextremen ab, die aus ganz Europa angereist waren. Wie man damit umgehen will, darum ging es bei der Vorstellung der Broschüre "Hass und Kommerz. RechtsRock in Thüringen" in Erfurt.

Drei mal so viele Rechtsrockkonzerte in drei Jahren

Herausgeber ist MOBIT – Mobile Beratung für Demokratie, gegen Rechtsextremismus. Stefan Heerdegen von MOBIT erläuterte, dass rechtsextreme Konzerte seit über 20 Jahren kontinuierlich in Thüringen stattfinden, dass sich ihre Anzahl in den letzten drei Jahren sogar verdreifacht hat.
"Thüringen ist das Bundesland mit einer einzigartigen Konstanz von solchen Großveranstaltungen im öffentlichen Raum. In keinem anderen Bundesland finden sie in dieser Konstanz und in dieser Dichte statt. Das Besondere ist, dass sie angemeldet nach dem Versammlungsgesetz werden; das heißt also im Prinzip Kundgebungen sind und somit von der Polizei geschützt werden müssen und dem Versammlungsrecht unterliegen und somit Grundrechtsstatus haben. Im Gegensatz zu den normalen Konzerten."

35 Euro für einen Tag Rechtsrock

Die, die "Sieg Heil!" rufen, auf ihren T-Shirts Adolf Hitler und die Jahre des Nationalsozialismus preisen, für einen ganzen Tag rechtsextremer Szenemusik 35 € Eintritt zahlen, sind also formaljuristisch Teilnehmer einer politischen Veranstaltung, die unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht. Auch das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte argumentiert, dass gerade in der rechten Szene "den musikalischen Beiträgen eine versammlungsrechtlich relevante Meinungsäußerung beizumessen" seien.
Kritiker wie MOBIT dagegen führen an, dass die Konzerte vor allem dazu dienten, Umsätze bis zu mehreren Hunderttausend Euro zu machen, deren Versteuerung im Dunklen läge und die dazu dienten, rechtsextreme Strukturen weiter auszubauen.
"Für uns bleibt erst mal stehen, dass damit Einnahmen generiert werden in sehr, sehr beträchtlicher Höhe. Das sind Größenordnungen … Wenn man dann wieder überlegt, dass Immobilien in Thüringen manchmal so 100.000 € kosten, wo man einfach sehen kann, dass das Geld sehr, sehr gut nutzbar ist für den Ausbau weiterer Strukturen in Thüringen."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Rechtsrockfans allein auf weiter Flur© (c) Henry Bernhard
Und Immobilien, gerade auf dem Land, in Dörfern, stehen für weitere Möglichkeiten von Rechtsrock-Konzerten im privaten Rahmen und dafür, Angsträume in der Nachbarschaft zu schaffen.
Welche Rolle die Musik aber überhaupt für Rechtsextreme spielt, ist umstritten. Oft wird argumentiert, dass rechtsextreme Musik die niedrigschwellige Einstiegsdroge sei, mit der Neonazis Nachwuchs köderten.

Nazis bleiben Nazis

Der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Uni Mainz widersprach dem vehement: "So funktioniert’s nicht! Nazis machen Rechtsrock, weil sie Nazis sind! Eine Funktion: Dass es mit wenigen Ausnahmen keinen einzigen Rechtsrock-Musiker gibt, der nicht gleichzeitig noch irgendwelche politischen Funktionen in der Szene erfüllt. Zweite Funktion ist, Gemeinschaft zu erfahren. Gleichzeitig geht es darum, auf diesen Rechtsrock-Events mit Kameraden ins Gespräch zu kommen, Dinge zu verhandeln, Netzwerke zu bilden, etc., p.p."
Einig war man sich, dass man weiterhin versuchen will, gegen Rechtsrock-Konzerte genauso wie gegen Nazi-Demos zu protestieren, zu demonstrieren. Nur wie, war die Frage, die sich z.B. Miriam Schieck vom Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra stellte: Sie hatten mit immensem Engagement in ganz Themar Veranstaltungen organisiert, um den öffentlichen Raum zu besetzen und die Nazis bei deren Konzert am Ortsrand zu halten.
"Wir haben zwar die Autos und die Nazis aus Themar rausgehalten, aber dafür ist der Nachbarort Kloster Veßra komplett zugeparkt worden. Und nicht nur das. Sondern, das hat natürlich bei der Bevölkerung dort für extrem großen Unmut gesorgt und in Themar natürlich das Bild hinterlassen: Ich habe keine Nazis gesehen, es ist nichts passiert, was ist das Problem? Und das ist auch, was den Ort in einer gewissen Weise extrem gespalten hat."
Katharina König-Preuß, Abgeordente der Linken im Thüringer Landtag und intime Kennerin der rechten Szene, plädierte für einen grundlegenderen Ansatz: "Jetzt als das Entscheidende gegen den Protest gegen Rechtsrock-Konzerte in Themar hervorzuheben, ohne gleichzeitig zu bedenken, "Was passiert denn das restliche Jahr über?", funktioniert nicht. Mir geht es nicht darum, eine Stadt von Nazis freizuhalten, sondern mir geht es darum, diesen grassierenden Rassismus, der nur die Spitze des Eisberges in Form der Neonazis darstellt, zurückzudrängen."

Die Politik hat weggeschaut - die Zivilgesellschaft auch

Der Thüringer Innenminister Georg Maier, SPD, der bei der Veranstaltung auch im Publikum saß, räumt ein, dass Zivilgesellschaft und Politik zu lange weggeschaut hätten, wenn sich Rechtsextreme in Thüringen versammeln. Maier verspricht mehr Polizeipräsenz bei Nazi-Konzerten, um bei Rechtsverstößen auch eingreifen zu können, und ein neues Versammlungsrecht, dass es schwieriger macht, kommerzielle Veranstaltungen als politische Demonstration zu kaschieren.
"Dann würden wir ganz andere Auflagen erteilen. Lärmschutzrichtlinien, Naturschutzrichtlinien, dier alle angewandt werden können! Die würden dann letztendlich dazu führen, dass so eine Veranstaltung nicht genehmigungsfähig ist an diesem Ort. Und es wird immer so ein bißchen versucht, Hase und Igel zu spielen mit uns. Aber ich glaube, wir holen ordentlich auf. Ich laß mir das nicht mehr gefallen, dass quasi unsere Grundrechte genutzt werden, um antidemokratische Veranstaltungen abzuhalten!"
Mehr zum Thema