Stimmen aus syrischen Gefängnissen

Königreich des Schweigens

53:20 Minuten
Ein Satellitenbild soll das syrische Militärgefängnis Saidnaya zeigen. Es liegt etwa 30 Kilometer von der Hauptstadt Damaskus entfernt. Hier soll Staatspräsident Assad ein Krematorium bauen lassen haben um ermordete Gefangen zu verbrennen. Foto: AFP
Satellitenbild des syrischen Militärgefängnisses Saydnaya © Amnesty International/AFP/Google Earth
Von Jakob Weingartner · 07.01.2020
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Das in den Bergen von Damaskus gelegene Militärgefängnis Saydnaya gilt als Todesfabrik. Zehntausende werden dort systematisch gebrochen und getötet. Da sie nichts sehen dürfen, tragen Geräusche die Erinnerungen der Überlebenden.
Den Gefangenen sind die Augen verbunden oder sie sitzen mit dem Gesicht zur Wand. Sie horchen in den Raum, um Gefahren zu orten, erkennen Wärter an ihren Schuhen und Folterinstrumente an ihren Geräuschen. „Saydnaya ist eine Maschine, die schneidet, verbrennt und schmilzt. Sie vernichtet nicht nur Fleisch; sie tötet auch Seelen“, sagt ein ehemaliger Häftling. Die Tonaufnahme findet in einer fensterlosen Zelle des früheren Stasi Gefängnisses in Berlin Hohenschönhausen statt. Geräusch für Geräusch rekonstruiert der Zeuge den Nicht-Ort Saydnaya und fasst schwer Sagbares in Worte. Über zwei Jahre hat der Autor Zeugnisse von Überlebenden dokumentiert und verdichtet.
Die Tortur hat System. Das Regime von Bashar al-Assad nutzt Angst um Syrien zu einem „Königreich des Schweigens“ zu machen. Wer frei gelassen wird, ist meist traumatisiert; entweder politisch gelähmt, oder religiös radikalisiert. Mancher ist nach dem Erlittenen selbst bereit, den Kreislauf der Gewalt weiter zu befeuern, bei dem sich Assad als „kleineres Übel“ zu präsentieren versucht.
Amnesty International fordert seit Jahren eine internationale Untersuchung der syrischen Traumatisierungsmaschine. Öffentliche Aufmerksamkeit ist für die Überlebenden eine letzte Hoffnung. Obwohl, oder gerade weil viel darauf hindeutet, dass das Assad-Regime seine Macht über ganz Syrien zurückgewinnen könnte.

Königreich des Schweigens
Stimmen aus syrischen Gefängnissen
Von Jakob Weingartner

Regie: der Autor
Es sprachen: Bernhard Schütz, Florian Lukas, Robert Stadlober, Oliver Stritzl, Philipp Lind
Musik: Bartosz Bludau
Technische Realisation: Bartosz Bludau
Redaktion: Thomas Nachtigall, Wolfgang Schiller
Produktion: WDR/Dlf/ORF 2019

Jakob Weingartner, geboren in Feldkirch, Österreich, studierte Soziologie in Wien, Paris und New York. Er war Sendungsgestalter für FM 4 beim ORF. Anschließend Postgraduierten-Studiengang in Dokumentarfilm an der Universidad del Cine in Buenos Aires. Er lebt und arbeitet für Dokufilm und -radio in Berlin und Buenos Aires.