Steuernachforderungen an Apple

Pyrrhus-Sieg für Europa

Tim Cook steht auf einer Bühne, im Hintergrund eine große Uhr auf einem Bildschirm zu sehen.
Ein Konzern immer auf der Suche nach dem nächsten großen Ding: Mit Innovationen und Steuertricks ist Apple reich geworden © dpa/picture alliance/Kyodo/MAXPPP
Von Klemens Kindermann · 30.08.2016
Die EU-Kommission hält in Irland gewährte Steuervergünstigungen für Apple für unzulässig - und will von dem US-Konzern 13 Milliarden Euro haben. Sollte sich die EU durchsetzen, könnte es ein Pyrrhus-Sieg für Europa werden, meint Klemens Kindermann.
So integer, so plausibel ihr Vorstoß ist: EU-Kommissarin Margrethe Vestager hat mit ihrer Entscheidung mehr Schaden angerichtet als Wirkung erzielt.
Niemand wird ihr den Titel der Jeanne d‘Arc der Steuerehrlichkeit nehmen wollen: Dass ein Konzern wie Apple in Irland am Ende effektiv nur noch 0,005 Prozent Körperschaftsteuer entrichtet, ist keinem normalen Steuerzahler in der EU zu vermitteln.
Schuld hat hier allerdings nicht Apple, sondern die EU, genauer: haben die EU-Staaten selbst. Sie lassen zu, dass US-Konzerne die nationalen Steuersysteme ausnutzen.

Die EU will nicht auf Kapital und Jobs verzichten

Als 2014 über den Luxleaks-Skandal herauskam, dass ausländische Konzerne in Luxemburg fast keine Steuern zahlten, setzte sich die europäische Maschinerie zur Behebung des Problems nur schwerfällig in Gang. Und auch jetzt sieht es nicht danach aus, dass die EU-Staaten auf das Kapital und die Arbeitsplätze von US-Konzernen verzichten wollen. Irland hat heute bereits erklärt, sämtliche fälligen Steuern seien bezahlt worden.
Nur gemeinsam mit einem einheitlichen Steuersystem könnte die EU den Tricksereien ausländischer Konzerne beikommen. Das allerdings müsste auch die EU-Kommission wissen und hätte sich in diesem langwierigen Verfahren einen anderen Zeitpunkt aussuchen müssen als diesen - einige Wochen nach dem Brexit-Votum.
Die EU steht aktuell vor einer historischen Zerreißprobe, der sie kaum Herr wird. Ohne Not hat Brüssel jetzt das Steuerthema auf die Agenda gesetzt und damit eher das Pochen auf Souveränität in der EU befördert als gemeinsames Handeln.

Möglicher Todesstoß für TTIP

Doch noch aus einem anderen Grund kommt Vestager zur Unzeit: Dem aktuell so sehr zugespitzten Ringen um das Freihandelsabkommen TTIP könnte sie den Todesstoß versetzt haben. Denn bei TTIP geht es aus Sicht der Amerikaner ganz wesentlich darum, US-Konzerne durch private Schiedsgerichte zu schützen.
Vor diesen könnten US-Firmen gegen EU-Staaten klagen, in erster Linie, um Investitionen zu schützen, aber nach amerikanischem Verständnis auch immer dann, wenn durch Gesetze Eigentum bedroht ist. Das könnte sich auch auf Steuerstreitigkeiten beziehen: die im Ausland liegenden Gewinne von US-Firmen werden auf mehr als zwei Billionen Dollar geschätzt.
Durch ihren Apple-Vorstoß weckt Vestager in den USA die schlimmsten Befürchtungen, dass die eigenen Konzerne und ihre Auslandsgewinne nach einem TTIP-Abschluss nicht mehr so geschützt sind wie jetzt. Das wär das Aus für TTIP. Die Jeanne d’Arc der Steuerehrlichkeit könnte einen Pyrrhus-Sieg für Europa errungen haben.
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