Sterbehilfe

Sollen Ärzte beim Suizid assistieren?

Im Vordergrund eine Rose, im Hintergrund ein Krankenbett mit einer alten Frau und einer jüngeren am Bett.
Soll die Sterbehilfe per Gesetz geregelt werden? Viele Ärzte sind skeptisch. © Picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Susanne Billig  · 11.12.2014
In den vergangenen Woche wurde intensiv über das Thema Sterbehilfe debattiert. Doch ausgerechnet die Ärzte kommen in dieser Diskussion eher selten zu Wort. Viele von ihnen sehen ein Sterbehilfegesetz kritisch - vor allem Palliativmediziner.
"Ich würde einen Patienten natürlich auch weiter begleiten, selbst wenn er plant, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Das ist für mich kein Kriterium, ob ich bei einem Menschen bleibe oder nicht; ich respektiere seine Entscheidung."
Achim Rieger begleitet seit 17 Jahren sterbende Menschen zu Hause, in Altersheimen und in Hospizen.
"Ob es dann im Einzelnen so wäre, ob ich ihn, in welcher Form auch immer, als Arzt unterstützte - das ist eine ganz intime Situation. Und die bleibt auch nur unserem Verhältnis vorbehalten, das ich mit dem Patienten habe. Dazu gehören viele Aspekte, nämlich, dass ich den Patienten und seine Lebenssituation kenne; und ich habe ein Talent, dass ich den Menschen Angst nehmen kann und ihnen auch Hoffnung geben kann. Das ist für mich eine wichtige Voraussetzung, um ein guter Palliativmediziner zu sein."
Wenn die Intensivmedizin an ihre Grenzen gerät
Der 48-Jährige, der auch Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ist, nimmt seinen Beruf ernst. Das spürt man bei jedem Satz, den er spricht. In seiner Praxis hängen zahlreiche Fotos ehemaliger Patienten, die schon lange verstorben sind. Sterbemediziner kommen, wenn Intensiv- und Apparatemedizin am Ende sind. Sie unterwerfen ihre todkranken Patienten keinen qualvollen Therapien mehr, keinen letzten Heilungsversuchen.
"Das Thema Suizid wird öfter angesprochen und das ist auch ganz natürlich. Häufig sind diese Wünsche ganz ambivalent. Das geht hin und her. Da möchte jemand noch eine Ernährung haben - und trotzdem denkt er über eine vorzeitige Beendigung seines Lebens nach. Ich bin jetzt seit 17 Jahren Palliativmediziner und dass jemand ernsthaft das Bedürfnis gehabt hätte, sich durch mich unterstützen zu lassen im Suizid, ist, würde ich sagen, eigentlich noch nie vorgekommen."
Damit steht dieser Arzt nicht allein da. Tatsächlich ist die Zahl derjenigen, die freiwillig am Ende einer ausweglosen Krankheit sterben wollen, sehr gering. Obgleich Achim Rieger täglich mit Sterbenden zu tun hat, reicht ihm die aktuelle Gesetzeslage für seine Arbeit völlig aus.
"Eine gute Palliativmedizin ist in meinem Verständnis im Wesentlichen Kommunikation; das heißt immer wieder Zuhören, immer wieder sich Zeit nehmen. Und wenn es uns gelingt, die Angst zu lindern und die Sorge und den Kummer und den Schmerz und die Trauer auch bei den Angehörigen, die damit verbunden sind - dann kommen wir zum Kern der Dinge. Das macht den Unterschied aus. Also wenn ich etwas gesetzlich regeln will, dann fällt es mir schwer mir vorzustellen, dass ich so eine menschliche Beziehung mit einem Paragrafen in irgendeine Form gießen will. Da bin ich extrem skeptisch, ob das gelingen mag."
Ärzte riskieren bei Sterbehilfe ihre Approbation
Wenn Ärztinnen und Ärzte beim Sterben assistieren, verstoßen sie gegen ihr Berufsrecht und riskieren den Entzug ihrer Approbation - aufgrund einer Regelung der Bundesärztekammer. Auch deshalb gibt es im Bundestag eine Gruppe von Abgeordneten, die sich dafür stark macht, den Medizinern die Erlaubnis zur Suizid-Assistenz ausdrücklich in die Hände zu legen. Das klingt sinnvoll – doch vielleicht nur in der Theorie.
"Würden jetzt Ärzte, nur mal durchgespielt, die Aufgabe bekommen, Suizidberatungen durchzuführen oder Beihilfe zum Suizid zu leisten, dann würde das vielleicht Eingang finden in die Abrechnungen der Ärzte. Dann würde es Leistungsziffern geben. Also, die müssten sich auch lohnen, das ist ja ein hoher zeitlicher Aufwand. Bleiben Sie mal zwei, drei, vier Stunden am Bett eines Sterbenden sitzen - welche Krankenkasse möchte das denn dann auch bezahlen?"
Im schlimmsten Fall würde also die routinemäßige Sterbehilfe zum Geschäft.
"Warum sollen es Ärzte sein? Braucht man dafür nicht eher einen Psychologen, braucht man nicht eher einen Seelsorger in so einer tiefen Krise? Dass offensichtlich Ärzte für kompetent gehalten werden, qua Zuschreibung durch Politiker, einem Suizid zu assistieren, nur weil sie Ärzte sind! Mediziner sind nicht erfahren im assistierten Suizid. Es gibt keine Ausbildung, es gibt kein Qualitätsmanagement, es gibt kein Curriculum."
Den Medizinern wäre mehr damit geholfen, wenn sich die Bundesärztekammer bewegt, das harte Verbot der Suizid-Beihilfe aus der Berufsordnung streicht und ein offenes Gespräch anstoßen würde. So paradox es klingt: Manchmal ist die Grauzone und der Verzicht auf definierte moralische Regeln der angemessene Umgang mit komplexen Lebenssituationen wie dieser.
"Ich glaube, dass ein Gesetz vielleicht die Diskussion erstickt. Aber ich bin sicher, dass wir die Diskussion führen müssen - die Diskussion darüber, wie wir denn eigentlich leben und sterben wollen. Und nicht die Diskussion durch ein Gesetz beenden sollten."
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