Stellungnahme des Ethikrats zu Zwangsmaßnahmen

"Schwerer Eingriff in die Grundrechte"

Zwangsjacke (Symbolfoto).
Die Zwangsjacke: ein extremes Mittel, um psychisch Kranke ruhig zu stellen. © imago stock&people
Sigrid Graumann im Gespräch mit Dieter Kassel · 01.11.2018
Der Ethikrat legt ein Papier zu Zwangsmaßnahmen vor - und erkennt Probleme weniger in den entsprechenden Gesetzen, sondern in deren mangelhafter Umsetzung. Ethikrat-Mitglied Sigrid Graumann klagt über zu wenig Sensibilität für das Thema.
Der Deutsche Ethikrat hat sich mit Zwangsmaßnahmen beschäftigt und legt dazu nun eine umfangreiche Stellungnahme vor. Dabei hat das Gremium alle Formen von staatlichem Zwang analysiert - von Einweisungen in die Psychiatrie über die Fixierung an Betten bis hin zu intensivpädagogischen Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe.
Zwang sei grundsätzlich nicht gerechtfertigt, wenn der Mensch frei verantwortlich entscheiden und handeln könne, sagte Ratsmitglied Sigrid Graumann im Deutschlandfunk Kultur - und zwar auch dann, "wenn die Person sich selbst Schaden zufügt."

Das Ziel: ein Minimum an Zwang

Das sei der Ausgangspunkt aller Überlegungen, erklärte Graumann. Nur wenn die Selbstbestimmung eingeschränkt sei, könne Zwang in bestimmten, sehr engen Grenzen überhaupt gerechtfertigt sein.
Mit Blick auf die Situation in Deutschland hat der Rat Reformbedarf erkannt - zum Teil, was die Gesetzeslage angeht, vor allem aber in Bezug auf die Rechtspraxis. Die Professorin für Ethik im Fachbereich Heilpädagogik und Pflege an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe sagte, es gebe in der Praxis oftmals zu wenig Sensibilität für das Thema.
Jede Zwangsmaßnahme stelle einen schweren Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person dar - deswegen müssten die Rahmenbedingungen überall so gestaltet werden, "dass man mit einem Minimum an Zwang auskommen kann", betonte Graumann.

Forderung nach "beharrlicher Überzeugungsarbeit"

Doch genau bei diesen Rahmenbedingungen hapert es laut der Ethik-Expertin. Sie forderte, Personalverordnungen und räumliche Voraussetzungen dem Ziel entsprechend anzupassen. Personal müsse geschult und ausgebildet werden und Kriseninternventionstechniken beherrschen.
Der Rat verlangt außerdem "beharrliche Überzeugungsarbeit", um die "freiwillige Zustimmung oder Mitwirkung" von Menschen zu erzielen, denen eine Zwangsmaßnahme droht.

Die ganze Stellungnahme des Deutschen Ethikrats kann hier nachgelesen werden.

(ahe)
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