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Sterbehilfe bei Minderjährigen
Ein Fall in Belgien entfacht wieder die Debatte

Ein Fall von aktiver Sterbehilfe bei einer minderjährigen Person in Belgien hat in Europa wieder zu einer Debatte über die Rechte von todkranken Menschen geführt. Erlaubt ist Sterbehilfe derzeit in der EU nur in den Benelux-Staaten, in Deutschland steht sie sogar unter Strafe.

Von Karin Bensch-Nadebusch | 18.09.2016
    Manchmal kann die Medizin auch jungen Patienten nicht mehr helfen.
    Manchmal kann die Medizin auch jungen Patienten nicht mehr helfen. (picture alliance / zb)
    Der erste Fall von Sterbehilfe für Minderjährige in Belgien - er hat heftige Proteste aus dem Vatikan hervorgerufen. Das belgische Sterbehilfegesetz nehme Kindern das Recht auf Leben, sagte Kardinal Elio Sgreccia im Radio Vatikan. Gestern war bekanntgeworden, dass eine minderjährige Person in Belgien durch medizinische Hilfe gestorben ist. Der todkranke Patient befand sich im Endstadium einer unheilbaren Krankheit. Der Fall soll sich in Flandern, in Nordbelgien, ereignet haben. Es gehe eher um einen Teenager als um ein Kind, berichtet der flämische Sender VRT. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt.
    Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte den neuen Fall von Sterbehilfe in Belgien kritisiert. "Die Tötung auf Verlangen von Kindern hat nichts mit würdigem Sterben zu tun", sagte der Vorstandsvorsitzende Eugen Brysch. Belgien verlasse damit "die menschenrechtlichen Standards der Europäischen Union. Aber die europäischen Institutionen schweigen".
    Palliativmedizinische Begleitung oder Sterbehilfe
    Ob Sterbehilfe erlaubt oder verboten ist, entscheidet nicht die EU, sondern jedes Mitgliedsland für sich selbst. Belgien hat das weltweit liberalste Sterbehilfegesetz, das für Erwachsene bereits seit 2002 gilt. Anfang 2014 dehnte das belgische Parlament die Sterbehilfe dann auf Kinder und Jugendliche aus. Voraussetzung ist allerdings, dass sie in der Lage sind sich zu artikulieren und nachweislich eine rationale Entscheidung treffen können. Darüber hinaus müssen sie sich im Endstadium einer unheilbaren Krankheit befinden und unter nicht zu lindernden Schmerzen leiden. Die Entscheidung muss von Ärzten, Psychologen und Eltern unterstützt werden.
    Doch in Belgien gibt es auch Gegner der aktiven Sterbehilfe. Darunter sind vor allem Kirchen und Verbände für Patientenschutz. Sie fordern mehr Geld, Personal und Ausstattung für die Palliativmedizin, also die ganzheitliche Behandlung von unheilbarkranken Menschen bis zum Tod, zum Beispiel mit Schmerzmitteln. "Wir glauben, dass die palliativmedizinische Begleitung die gute, menschenwürdige Antwort ist, nicht die Sterbehilfe", meint Carine Brochier vom Europäischen Institut für Bioethik in Brüssel.
    In Deutschland unter Strafe gestellt
    Das Sterbehilfe-Gesetz ohne Altersbeschränkung hilft nicht nur todkranken Patienten und ihren Familien, es gibt auch behandelnden Ärzten die notwendige Rechtssicherheit, sagt Joris Verlooy, ein Arzt, der auf einer Kinderkrebsstation in einem Krankenhaus in der Nähe von Antwerpen arbeitet. Bei einigen Patienten versuchen wir, das Beste zu tun mit guter Palliativmedizin. Aber manchmal schaffen wir das einfach nicht, sagt Verlooy. Ein großes Problem sind vor allem die unerträglichen Schmerzen, aber auch die Benommenkeit und die Ermüdungserscheinungen der Patienten, sagt Doktor Verlooy.
    In der Europäischen Union erlauben nur die Niederlande, Luxemburg und Belgien die aktive Sterbehilfe. In Deutschland wurde sie Ende vergangenen Jahres vom Bundestag unter Strafe gestellt. Die passive Sterbehilfe, also der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, ist in vielen europäischen Ländern erlaubt oder sie wird geduldet - auch in Deutschland.
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