Start der 3. Staffel von "Babylon Berlin"

Düster und schattenhaft

05:46 Minuten
Ein Mann in einem Trench-Coat mit Hut steht in einem hohen Raum, der verwüstet wurde, überall liegen Blätter auf dem Boden.
Ausschnitt aus der neuen Staffel von "Babylon Berlin". © Frédéric Batier X Filme Creative Pool, ARD Degeto, WDR, SKY, Beta Film 2019
Von Oliver Kranz · 16.12.2019
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Die neue Staffel von "Babylon Berlin" sei noch psychologischer als die bisherigen und steige noch mehr ins Innere der Figuren ein, verrät Tom Tykwer. Die Zuschauer sollen genauso unmittelbar mit der Geschichte konfrontiert werden wie die Helden.
Vorm Kino ein roter Teppich und ein Blitzlichtgewitter wie bei einem Festival. Dabei kommt "Babylon Berlin" ohne internationale Stars aus. Volker Bruch und Liv Lisa Fries spielen die Hauptrollen, flankiert von hochkarätigen, aber fast durchgängig deutschen Schauspielerkollegen. Für die Drehbücher und die Regie zeichnen wie schon bei den vorherigen Folgen Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer verantwortlich.
"Entscheidend ist ja wirklich bei Serien, wenn sie dann weiterleben, dass man darauf achtet, dass sich da nicht ein Schema ausbreitet und sich die Dinge wiederholen", sagt Tom Tykwer. Die neue Staffel sei noch psychologischer als die bisherigen und steige noch mehr ins Innere der Figuren ein: "Wir wollen denen auf die Pelle rücken. Weil wir jetzt nicht mehr so viel Zeit aufwenden müssen, sie überhaupt erst zu etablieren und sie kennenzulernen."

Zwischen Stresemanns Tod und Weltwirtschaftskrise

Die neue Staffel umfasst zwölf Folgen – bietet also ausreichend Zeit. Es wird eine Kriminalgeschichte erzählt und zugleich ein Gesellschaftspanorama entworfen. Die Handlung setzt im Spätsommer 1929 ein: "Es war für uns eine wichtige Entscheidung, obwohl wir den Roman ‚Der stumme Tod‘ von Volker Kutscher zur Vorlage haben, auf zwei Dinge nicht zu verzichten: den Tod von Stresemann Anfang Oktober und den Zusammenbruch der Weltwirtschaft Ende Oktober", erklärt Henk Handloegten, der zweite Autor und Regisseur.
Der Börsencrash taucht gleich am Anfang der ersten Folge in einer Alptraumsequenz auf. Kommissar Rath taumelt durch eine verwüstete Bankfiliale, bis er von einem Mob wütender Kleinaktionäre niedergetrampelt wird. Dabei ist Deutschland am Anfang der neuen Staffel noch im Börsenfieber.

Hier ein Ausschnitt aus der Serie

Assistent: "Es geht durch alle Schichten, alle Klassen. Aber der entscheidende Punkt ist: Fast jeder dieser Anleger, ob Schlachter oder Polizeibeamter, hat weit über seine Vermögensverhältnisse investiert."

Nyssen: "Das heißt: Niemand kann das eingesetzte Kapital selbst decken."

Assistent: "Nein. Die meisten haben sogar ein Vielfaches dessen eingesetzt, was sie in ihrem ganzen Leben verdienen werden, weil sie davon überzeugt sind oder überzeugt wurden, dass sie ein Vielfaches des Geliehenen als Rendite erhalten werden."

Im Film wird die Aktienblase vom Industriellen Alfred Nyssen erkannt und für seine Geschäfte ausgenutzt. Doch natürlich kann man auch an die Finanzkrise des Jahres 2008 denken, sagt Achim von Borries: "Die Parallelen sind frappierend. Die sind uns zugewachsen. Wir haben nichts dazu getan", denn erzählt werde natürlich aus der Perspektive der handelnden Figuren.
Es gehe schließlich nicht um einen Lehrfilm, sondern um einen Krimi. "Die Zuschauer sollen genauso unmittelbar mit der Geschichte konfrontiert werden, wie unsere Helden", fährt Achim von Borries fort.

Ermittlungen in Babelsberg

Hauptkommissar Rath und seine Assistentin Charlotte Ritter ermitteln in den Filmstudios von Babelsberg. Eine Schauspielerin ist bei den Dreharbeiten zu einem Musikfilm von einem herabstürzenden Scheinwerfer erschlagen worden. Dass der Scheinwerfer manipuliert war, finden die Ermittler schnell heraus, doch nach dem Motiv müssen sie lange suchen. Da der Musikfilm von einem berüchtigten Unterweltboss finanziert wird, könnte der Mörder auch aus diesem Milieu kommen.
"Der Aufwand, der damals betrieben wurde für Filme, war wirklich erheblich, weil die ganze Technik noch ein bisschen schwerfällig war." Auch davon will Tom Tykwer erzählen. Die Szenen, die in den Babelsberger Studios spielen, zeigen riesige Mikrofonkräne und Scheinwerfer. Da die Musik der ersten Tonfilme live aufgezeichnet werden musste, sitzt ein Orchester mit im Studio. Tanzgirls bewegen sich vor einer expressionistischen, grau-schwarz gemusterten Kulisse.
"Wir wollten einen Film machen, der das Düstere und das Schattenhafte ernst nimmt, weil sich darin mehrere Elemente spiegeln. Also erstens das Gefühl einer Welt, die sich auf einen Abgrund zu bewegt. Es ist ja nicht so, dass die goldenen Zwanziger so golden waren, sondern - de facto bis 1926 war es ein Postkatastrophenland", sagt Tom Tykwer.

Hochkarätige Besetzung

Und diese Kontraste tauchen auch in den neuen Babylon-Berlin-Folgen auf. Armut und Luxus, frivole Nachtklubs und mondäne Hotels. Und mittendrin der Hauptkommissar und seine schillernde Assistentin, die von Liv Lisa Fries gespielt wird. Achim von Borries kommt ins Schwärmen, wenn er seine Hauptdarstellerin beschreibt:
"Jeder, der es gesehen hat, schließt sie ins Herz. Sie ist die Berlinerin. Sie ist aus der Unterschicht. Sie kämpft sich hoch. Sie ist schnell, witzig, schlagfertig, alles, was ich an Berlin liebe, verkörpert sie - die Figur und Liv - in einem Maße - das ist gar nicht vorstellbar."
Doch auch viele andere Figuren sind hochkarätig besetzt. Neben Volker Bruch, Benno Fürmann und Lars Eidinger, die auch schon in den ersten Staffeln spielten, sind nun auch Martin Wuttke, Meret Becker und Sabin Tambrea dabei. All das spricht dafür, dass die neuen Folgen gegenüber den bisherigen nicht abfallen, sondern dass das Niveau gehalten wird.
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