Starker Tobak

Von Rainer Burchardt · 11.04.2007
De mortuis nihil nisi bene – über Tote nichts es sei denn Gutes. Diese lateinische Todesweisheit hat der amtierende baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger offenbar wörtlich genommen. Zu wörtlich.
Denn das, was er heute anlässlich der Trauerfeier für seinen mittelbaren Vorgänger im Amt Hans Filbinger glaubte sagen zu müssen, das war schon starker Tobak. Filbinger hatte sein Amt gegen seinen Willen räumen müssen, weil anno 1978 herauskam, dass er als Marinerichter gegen Kriegsende noch Todesurteile verfügt hatte. Seither galt er als furchtbarer Jurist, da er bis auf seine letzten Tage sein Tun verteidigt hat und uneinsichtig geblieben ist. Geradezu halsstarrig wertete er seine erzwungene Entlassung als eine üble und gezielte Kampagne politischer Gegner.

Es ist unfassbar, dass Oettinger ihn nun reinwaschen wollte. Filbinger sei weder Nazi gewesen, noch habe er ein Urteil gesprochen, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte. Ja, der Jurist Filbinger sei sogar Gegner des NS-Regimes gewesen und habe sich nur den damaligen Zwängen beugen müssen.

Ganz davon abgesehen, dass niemand von jedem erwartet, dass er Widerstandskämpfer war, davon gab es hinterher ohnehin mehr als genug, so bleibt doch zu fragen, was Günter Oettinger zu diesen Formulierungen gebracht haben mag. Sie stehen nämlich in schlimmster Tradition der unmittelbaren Nachkriegszeit. Eine derartige persönliche Geschichtsklitterung, und sei sie noch so gut gemeint, ist ganz einfach unverzeihlich. Sie wird letztlich auch der Vita des Verstorbenen nicht gerecht. Auch dazu haben die Lateiner eine kluge Weisheit. Si tacuisses – wenn Du doch geschwiegen hättest…