Stahlarchitektur

Vom Feinsten, aber leider durchgerostet

Die "Rostlaube" der Freien Universität Berlin.
Die "Rostlaube" der Freien Universität Berlin. © Foto: Reinhard Friedrich/Universitätsarchiv Freie Universität Berlin
Von Marietta Schwarz · 11.08.2018
Metallfassaden haben ihren Reiz. Aber sie haben auch ihre Tücken, wie man etwa an der Freien Universität Berlin sehen kann. Dort trägt ein großer Hörsaal- und Seminarraumkomplex den Namen "Rostlaube". Nicht ohne Grund.
Jean Prouvé. Menschen, die sich für Möbel und Einrichtung interessieren, kennen diesen Namen. Und vielleicht haben einige auch einen Jean-Prouvé-Tisch zuhause stehen – mit Holzplatte und schwarzen, sich spreizenden Stahlbeinen, die oben breit und unten schmal sind. Dieser Jean Prouvé hat Stahl geliebt. Er entwickelte transportable Stahlhäuser. Und er hat auch die Stahlfassade der sogenannten "Rostlaube" entworfen.

Es rostet immer weiter

Autorin:"So rostender Stahl, Corten-Stahl, ist halt nur zu schnell gerostet wahrscheinlich?!"
"Nicht zu schnell, sondern beim Corten-Stahl ist das eigentlich so, dass das rostet, und dann bildet es eine eigenständige Schicht, die isoliert und gleichzeitig eben einen interessanten Farbeffekt macht. In der Theorie soll der dann nach relativ kurzer Zeit zum Stoppen kommen, was in der Praxis aber leider nicht eintrat",
erklärt Christian Freigang, Kunsthistoriker an der FU Berlin.

Im Ruhrgebiet erlebte die Stahlarchitektur nach dem Krieg eine Hochphase, da Firmen wie Thyssen, Krupp und Hoesch in dieser Hinsicht sehr experimentierfreudig waren. Welche Bauten damals entstanden und was das Besondere an ihnen war, darüber hat Katja Bigalke mit der Architekturhistorikerin Alexandra Apfelbaum gesprochen. Audio Player

Die Rostlaube nämlich rostete einfach immer weiter. Und zwar über die Stahlfassade hinaus!

"Dieses Rostwasser, das konnte auch nicht gestoppt werden, als es dann weiterlief über Fensterscheiben, und diese Rostpartikel haben sich dann ganz schwer lösbar mit dem Glas verbunden. Aber ich will das Gebäude nicht schlecht machen."
Autorin: "Nein, ich hab ja nur nachgefragt, wo der Name herkommt..."
Christian Freigang muss mich für die Architektur des Institutsgebäudes gar nicht gewinnen, denn die Qualität ist offensichtlich - trotz aller Baumängel. Der Campus funktioniert wie eine Stadt mit langen überdachten Straßen.

Die Rost- ist einer Bronze-Fassade gewichen

Auf dem Grundriss sieht das rigide aus, dabei handelt es sich um ein modulares, hochvariables System: Das Gebäude passt sich der Topografie an, es gibt Rampen und halbhohe Treppen, und die Studierenden halten sich offenbar überall gerne auf. Auch in den begrünten Höfen, die geradezu alpinen Charakter haben.
"Man könnte sich hier fast vorstellen, das ist irgendwo in der Schweiz, mit ziemlich abschüssigem Terrain."
Im Vergleich zu vielen Beton-Unis aus den 60er-, 70er-Jahren ist die Philologische Fakultät mit ihren abgerundeten Ecken ziemlich elegant. Die Rost-Fassade hat man ja auch inzwischen gegen eine aus dunkelbrauner Bronze ausgetauscht.
Autorin: "Wenn man hier dagegen fasst, es ist heiß, man kann es überhaupt nicht anfassen!"

Enorme Wärmebelastung

Klar, das ist halt auch so ein Problem mit Metallfassaden – die Hitze! Vor der Sanierung, sagt Christian Freigang, war das natürlich noch heftiger:
"Die Wärmebelastung war enorm. Weil die braune Rostfarbe Wärme nicht einfach abgestrahlt hat, sondern aufgenommen hat, d.h. es ist wirklich zu einem glühend heißen Metall geworden mit dem Effekt, dass dann die Luft neben den Fenstern sich so erhitzt hat, dass, wenn man die Fenster dann zum Lüften oder zum Kühlen aufgemacht hat, es keinen Kühleffekt gegeben hat. Sondern es ist ein Hitzeschwall ins Innere gekommen, sodass man bei Außentemperaturen von 30 Grad im Inneren teilweise weit über 40 Grad festgestellt hat, und das ist natürlich sehr belastend."
Zum Schluss besteigen wir noch die Dachterrasse. Wie sich die braune Fassadenfarbe in die Umgebung einfügt!
"Also, es ist eigentlich auch eine erstaunliche Farbe. Man macht es sich nicht klar, dass das eigentlich eine Oberfläche war, die gegen Umwelteinflüsse enorm resistent ist, dass es in dem gewünschten Maße dann nicht war, ist fast eine Tragik."
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