Städtepartnerschaft Ludwigsburg - Jevpatorija

Freundschaft auch in der Krise

Besucher gehen am 18.05.2014 in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) über das Gelände des Residenzschloss Ludwigsburg.
Das Ludwigsburger Schloss ist zurzeit ein fernes Ziel für die Einwohner Jevpatorijas. © picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Étienne Roeder · 23.04.2015
Es ist schwierig geworden seit der Annexion der Krim, aber die Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und Jevpatorija soll die Krise überleben. Auch wenn Besuche in der Stadt am Schwarzen Meer derzeit nicht möglich sind.
"Ivan auf den kann ich mich absolut verlassen, Ivan frage ich, ob alles sicher ist und Ivan sagt: 'Alles gut, Alles gut'."
"Ja und mit dem Instrument, was war, was sieht man da in Deinem Kasten drin? Na ja in dem Deckel ist n Bild drin, da sieht man den Putin und mich. Natürlich Montage, aber die hat gegrüßt und mich weiter gewunken."
"Ich hab dann gedacht, dass sie mir vielleicht eine deutsche Eiche geben, die ich da pflanzen darf. Aber nein, es war eine russische Birke."
Städtepartnerschaften stiften ja im besten Falle Freundschaften, die über Kultur- und Landesgrenzen hinweg wirken. Dass eine solche Partnerschaft auch in der Krise Bestand hat, beweisen die Städte Ludwigsburg und Jevpatorija. Jevpatorija, mit 120.000 Einwohnern etwas größer als sein deutsches Pendant, liegt an der Westküste der Krim am Schwarzen Meer. Ludwigsburg etwa 15 km nördlich von Stuttgart am Neckar. In Ludwigsburg herrschen die Schwaben, jenseits des Dnjepr bis vor kurzem noch die Ukrainer, heute sind Jevpatorija sowie die gesamte Krim ein Teil Russlands. Die beiden Städte trennen mehr als 2000 Jahre Stadtgeschichte, 2000 Kilometer liegen zwischen ihnen. Seit 25 Jahren verbindet sie aber eine Städtepartnerschaft. Und seitdem haben sowohl die russische als auch die ukrainische Kultur der Krim einen festen Platz im Ländle.
"Das war natürlich für den Kameramann interessant, wenn der Meister hinterm Vorhang steht und seinem Solisten lauscht."
Der Meister heißt Siegfried Bauer und der schwere Theatervorhang, hinter dem er sich auf dem Foto versteckt, um kritisch den Violinisten zu beobachten, hängt im Puschkin Theater von Jevpatorija. Seit 1995 spielen Ludwigsburger Musiker unter Bauers Leitung regelmäßig auf der Krim.
"Dann dauerte es einfach ein bisschen, bis ich die Information bekam, wer macht dort Musik, mit wem kann man da sich zusammentun. Und das war dann als erstes Ivan Rjabokon mit seinem Balalaikajugendorchester."
Völkerverständigung via Musik
Der Ivan, wie ihn Bauer nennt, fand die Idee großartig und organisierte die Konzertauftritte. Bevor Bauer auf der Krim zu musizieren begann, war er Landeskirchenmusikdirektor der Evangelischen Landeskirche in Baden Württemberg und seit nahezu 40 Jahren leitet er nun das städtische Symphonieorchester. Für seinen Verdienst um die Musikkultur der Stadt verlieh ihm Ludwigsburg den Titel "städtischer Musikdirektor". Und auch in Jevpatorija wird er wegen seines Engagements um die musikalische Partnerschaft geschätzt, dort ist Bauer mittlerweile Ehrenbürger.
"Bei diesen Konzerten dort kamen auch immer wieder Berufsmusiker, die einfach bedauert haben, dass sie selber nicht mehr musizieren, die zum Teil ihre Instrumente verkaufen mussten, zum Teil als Anstreicher bei der Schwarzmeerflotte gearbeitet haben. Und die taten mir einfach Leid und ich hab gesagt, ich helfe Euch. Aber ihr müsst auch wollen."
Bauer besorgte kurzerhand Saiten, Noten und Notenständer. Durch die Unterstützung einiger Musikliebhaber aus Ludwigsburg, die mit großzügigen Spenden aushalfen und in Zusammenarbeit mit den Musikern von der Krim entstand dort vor 20 Jahren das Kammerorchester Jevpatorija.
"Die sind ganz tolle Geiger, je höher je besser, je schneller je besser. Aber die tiefen Instrumente die mögen sie irgendwie nicht so sehr. Und nun braucht man aber beim Kammerorchester eine ausgewogene Besetzung. Und deshalb komm ich dann dahin und bringe meistens noch zwei Bratschen, ein zwei Celli, einen Kontrabass mit. Und im Lauf der Jahre ist dann noch ein Geigenensemble dazu gekommen und ein wunderbarer Mädchenchor."
Seit 20 Jahren besuchen sich das Ludwigsburger Symphonieorchester und das Kammerorchester von Jevpatorija regelmäßig. Im Jahr 2000 spielen die beiden Stadtorchester Händels Messias gemeinsam, 2010 – zum zwanzigjährigen Partnerschaftsjubiläum - bringen sie im Puschkin Theater Josef Haydns Schöpfung auf die Bühne. Ein gigantisches Projekt, für das selbst der Erzpriester der russisch- orthodoxen Kirche von Jevpatorija, Väterchen Georgij, vom Patriarchen die Erlaubnis bekam, mitzuspielen. Wenn Bauer und die Ludwigsburger kommen gerät die Stadt in einen Musikrausch.
"Morgens vor dem Hotel wecken uns meine Bläser auf, also das ist eine Bewegung dort. Große Anteilnahme der Bevölkerung, ganz emotional von Anfang an. Kommen dann nach jedem Konzert lange Schlangen von Menschen, die einem Umarmen wollen und Blumen geben und einen küssen dann muss man Kinder segnen und was weiß ich was."
"Und in der langen Schlange derer die sich bedanken war ein russisch orthodoxer Mönch. Und der kam schon her, und hat schon geweint, und wir wussten gar nicht was los ist. Dann hat er erzählt, er hätte sein ganzes Leben lang gefastet und sich kasteit, um eine Gottesoffenbarung zu haben und heute beim zweiten Satz vom Beethovens Violinkonzert sei der Himmel für ihn offen gewesen."
Auch Schüler lernen Russisch
Zurück ins Ländle. In der Ludwigsburger Waldorfschule ist russisch erste Fremdsprache. Auch das ist ein Ergebnis der Partnerschaftsvereinbarung. Seit 1999 gibt es außerdem ein Schüleraustauschprogramm, bei dem die Schüler sich zwei Wochen gegenseitig besuchen. In 16 Jahren haben bereits mehr als 300 Schüler aus Ludwigsburg und Jevpatorija an dem Austausch teilgenommen. In Ludwigsburg organisiert der Russischlehrer Niko Dostal die Austauschreisen.
"Zu Beginn der elften Klasse fliegen wir dann rüber auf die Krim nach Simferopol und dann geht’s mit dem Bus weiter nach Jevpatorija. Meistens besteht unsere Gruppe aus 20 Leuten und wir werden dort in Familien untergebracht. Und nehmen auch am Schulalltag teil, und unsere Gastgeber sind sehr bemüht uns auch die Schönheiten der Krim zu zeigen."
Dostals Sohn Nils hat bei seinem Austausch 2010 auch schon ganz konkrete Erfahrungen mit dem russischen Nationalismus machen können.
"Es gab einen, dem sind wir auf der Straße begegnet und der hat rausgefunden, dass wir Deutsche sind und mit mir hat er dann Armdrücken gemacht und wollte dann also beweisen, dass die Russen stärker sind als die Deutschen. Und dann hat er verloren und dann war er sauer und dann wollte er sich mit mir prügeln."
In den meisten Fällen jedoch, so versichert Nils Dostal, verlaufen die Begegnungen friedlich und Freundschaften, die in den zwei Wochen auf der Krim geschlossen werden, bestehen lange über den Austausch hinaus.
"Ich habe auch eine Freundin, die auch in dem Schüleraustausch war, in dem Jahr als ich da war. Und bei ihr ist es so, dass sie Verwandtschaft haben in der Ostukraine und die wohnen jetzt bei ihr auf der Krim."
Schon vor dem Referendum um die Zugehörigkeit der Krim zu Russland oder der Ukraine waren die Spannungen zwischen der ukrainischen Nationalität und der russischen Kultur spürbar. Auch für die Schüler aus Ludwigsburg. Schließlich saßen sie gemeinsam mit ihren ukrainischen Freunden im Unterricht und tauschten sich über die politischen Verhältnisse aus.
"Also die hat es schon aufgeregt, weil jetzt alle Schulbücher auf Ukrainisch sein mussten. Alle Krimbewohner sind zweisprachig aufgewachsen und in der Schule war es dann gezwungen nur noch ukrainisch."
Über den Tellerrand schauen
Der Mädchenchor von Jevpatorija singt ukrainische und russische Volkslieder, wichtig ist nur, dass es gut klingt. Die Chorsängerinnen, die Balalaika-Spieler um Ivan Rjabokon, die Musiker des Kammerorchesters oder auch die Austauschschüler, sie alle haben durch die Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und Jevpatorija die Chance ein wenig über den Tellerrand hinaus zu schauen.
Nach dem Referendum und der völkerrechtswidrigen Abspaltung von der Ukraine, haben sich die meisten Krimbewohner russische Pässe besorgt. Seit dem bekommen sie keine Visa mehr für Europa und die Reisen nach Ludwigsburg liegen fürs Erste auf Eis.
"Das einzige, was sich jetzt geändert hat, ist, dass die Schüler jetzt nicht mehr hierher können aus Jevpatorija, Das ist ja eine Bestrafung, denen ist es ja egal, ob die als Ukrainer oder als Russen hierher kommen, die wollen nur den Austausch erleben."
Ulrich Hebenstreit, Vorsitzender des Freundeskreises Jevpatorija kümmert sich seit Jahren um die Kontaktpflege mit der Partnerstadt. Trotz widriger Umstände plant er schon die nächste Reise der Ludwigsburger auf die Krim.
"Wir haben 25-jähriges Jubiläum der Städtepartnerschaft dieses Jahr. Es hat dann der Oberbürgermeister mit dem Gemeinderat beraten und kam dann zum Schluss, dass er selbst nicht fährt. Aber es soll eine Bürgerdelegation aus acht Mitgliedern des Freundeskreises und dazu noch etwa zehn Musiker wieder mit dem Herrn Bauer, die dann zusammen mit anderen Gruppen die Feierlichkeiten umrahmen sollen. Wie die auch immer ablaufen mögen, das wissen selber noch nicht genau wie sich das gestalten wird."
Schwierige Zeiten für die Städtepartnerschaft Ludwigsburg-Jevpatorija. Wenn ihnen die politische Großwetterlage nicht dazwischen funkt, dann werden auch in diesem Jahr zumindest die Musiker aus dem Ländle wieder auf der Krim musizieren. Um dort mit ihren Musikerfreunden von der Krim die Städtepartnerschaft zu feiern, egal, ob die nun Ukrainer oder Russen sind.
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