Städtebau

In Heidelberg wird die Zukunft gebaut

Der Stadtteil Bahnstadt in Heidelberg (Baden-Württemberg)
Der Stadtteil Bahnstadt in Heidelberg (Baden-Württemberg) © picture alliance / dpa / Foto: Uwe Anspac
Von Uschi Götz · 01.12.2014
Die einen finden sie grandios, die anderen erinnert sie an Plattenbausiedlungen. Die Bahnstadt, die in Heidelberg neu entsteht, polarisiert, setzt aber auch Maßstäbe im ökologischen Bauen. Schon jetzt kommen Menschen aus der ganzen Welt, um sich das Großprojekt anzuschauen.
Stefanie Ferdinand, Leiterin Nachbarschaftstreff: "Wenn ich hier durchgehe oder mit einer Gruppe Leute hier durchgehe, dann habe ich wirklich so das Gefühl, das ist so ein Zukunftsmodell. Das ist so, wie man es sich vorstellt. Bisschen so etwas Visionäres, so etwas Utopisches. Wo viele sagen, meine Güte, so habe ich mir die Städte immer vorgestellt, in ein paar Jahren… später auch."
Alexander Krohn: "Also für mich ist die Bahnstadt kein Zukunftsmodell, für mich ist die Bahnstadt ein Gegenwartsmodell. Weil wir zeigen hier das energieeffiziente bauen, ökologische Energieversorgung, eine Versorgung, basierend auf erneuerbare Energie mit einer hochwertigen Architektur, hoher Freiflächenqualität… dass das funktionieren kann. Wir haben relativ früh diese Zukunftsvision gehabt. 2007 haben wir uns zu diesem Konzept entschieden und dieses Konzept mit dem Gemeinderat Heidelberg auch verabschiedet. Damals war das schon noch Zukunftsmusik, da waren hocheffizienz Gebäude noch nicht Stand der Technik. Heute ist das aber so. Das kann man eigentlich deutlich sagen.“
Eins der größten Bauprojekte Deutschlands
Ein Pionierprojekt für das sich die halbe Welt interessiert. In Heidelberg wird die Zukunft gebaut. 2008 wurde mit dem Bau der Bahnstadt, so der Name des neuen Viertels, begonnen, 2022 soll die Zukunftsstadt fertig sein. Gebaut wird auf einem alten Gelände Heidelbergs, auf dem Areal des früheren Güterbahnhofs.
Größer als die Heidelberger Altstadt, ungefähr mit den gleichen Ausmaßen wie die Hamburger Hafencity. Zwischen 5000 bis 6000 Menschen sollen in ein paar Jahren dort wohnen, rund 7000 Menschen werden in dem neuen Viertel arbeiten. Die Bahnstadt zählt zu den größten Bauprojekte Deutschlands. Gesamtkosten: rund zwei Milliarden Euro.
Das erste Drittel des neuen Viertels ist bereits gebaut, die ersten Menschen sind schon eingezogen in hohe weiße Wohnblocks. Die neue Siedlung polarisiert: manche finden sie grandios, andere sagen, das, was bislang zu sehen ist, erinnert an Plattenbausiedlungen nur das in Heidelberg alles weiß ist. Die Schlichtheit ist gewollt, das Leben sollen die Bewohner hineinbringen.
Weltweit gefragt ist das ehrgeizige Passivhauskonzept. Funktioniert es am Ende, hat Heidelberg einen Stadtteil der Superlative geschaffen. Doch auch an die alte Tradition möchte man anschließen. In Heidelberg findet sich die älteste Universität Deutschlands, 1386 gegründet und nach dem Willen der Planer soll in der Bahnstadt der dynamischste und aktivste Ort für wissenschaftliche Zusammenarbeit in ganz Europa entstehen. Forschen, arbeiten, wohnen – leben – alles auf einem Fleck. So war es früher in der Innenstadt, so soll es wieder werden.
Thomas Rebel, stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamtes Heidelberg, steht vor einem großen Modell, ein Stadtteil der Superlative in überschaubarer Größe. Rebel fährt kreuz und quer mit seinem Zeigefinger durch die Straßen:
"Vertikal in weiten Bereichen wollten wir eine belebte Erdgeschosszone mit Dienstleistungen, Versorgungseinrichtungen, soziokulturelle und sonstige Einrichtungen, die dazu führt, dass ich im Erdgeschoss eine gewerbliche Nutzung habe, wo auch Öffentlichkeit drin stattfindet und oben drüber gewohnt wird. Das kriegt man natürlich nicht flächendeckend durch, deswegen gibt es auch bestimmte Areale, wo das bevorzugt umzusetzen ist, zum Beispiel diese drei Terrassenplätze, wo in der Erdgeschossen immer Läden und Geschäfte hinein kommen."
Als zentrale Achse führt eine Art Wasserstraße, der "Lange Anger" durchs Viertel. Eine sogenannte Grüne Meile umrandet einen großen Teil des gesamten Areals. Durch diese Meile wird später die Straßenbahn fahren. Viele Wege führen in die Heidelberger Innenstadt, zu Fuß und auch mit dem Rad.
"Wir wollten keinen Stadtteil am Stadtrand haben, der nicht wahrgenommen wird, sondern wichtig war uns, dass dieser Stadtteil mit den angrenzenden Stadtteilen eng vernetzt wird. Dass es gute Wegebeziehungen gibt und wir auch von vornerein auch nicht auf den motorisierten Individualverkehr abgestimmt haben, sondern im Prinzip auf dem Umweltverband, dass heißt Fuß- und Radwegeverbindungen."
Eintönig wirkende Mehrfamilienhäuser
Entlang am langen Anger stehen schon die ersten Wohnanlagen mit begrünten Hinterhöfen. Die mehrgeschossigen, eintönig wirkenden Mehrfamilienhäuser erinnern Kritiker an Plattenbauten. Nur der weiße Anstrich bringt Frische in diese Straße. Hinter den Wohnblocks wird es persönlicher. Dort finden sich auf mehreren Hundert Metern Reihenhäuser. Alexander Krohn vom Heidelberger Umweltamt:
"Wir haben unterschiedliche Wohntypen in der Bahnstadt, das reicht vom Geschosswohnungen mit kleineren Wohneinheiten, 40 – 50 Quadratmeter, bis hin zum Reihenhaus, hier stehen wir zum Beispiel vor einem Reihenendhaus mit circa 160 bis 170 Quadratmetern, das sich über fünf Etagen streckt, wenn man das Kellergeschoss noch mit dazu nimmt."
Was die Siedlung so einzigartig macht: Der Wärmebedarf wird aus sogenannten "passiven" Quellen gedeckt. Passiv bedeutet in diesem Fall durch Sonneneinstrahlung, Wärmedämmung und auch durch die Energie, die von Geräten im Hausinneren und den Bewohnern abgegeben wird. Thomas Rebel vom Stadtplanungsamt steht vor dem Reihenhaus. Das Haus hat über mehrere Etagen verteilt, große Fensterflächen, wie überall in der ganzen Bahnstadt sind die Fenster dreifach verglast, Standard im Passivhausbau. Was an Wärme gebraucht wird, kommt per Fernwärme.
Krohn: "Speziell für die Bahnstadt haben die Stadtwerke Heidelberg ein Holzheizwerk erreichtet. Dieses Holzheizkraftwerk produziert auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen, in der Regel ist das Landschaftspflegematerial zu 90 Prozent noch Grünschnitt aus der Stadtpflege und noch ein bisschen Waldrestholz, das wird zu Holzhackschnitzeln geschreddert und die werden verbrannt und dadurch wird Wärme und Strom erzeugt in der Masse, dass die gesamte Bahnstadt damit versorgt wird. Das heißt, die Bahnstadt wird, was Wärme und Strom angeht, von der Bilanz her ein Nullemissions-Stadteil."
Nahezu täglich führt einer der städtischen Architekten Besuchergruppen über das 116 Hektar große Areal. Das entspricht ungefähr 200 Fußballfeldern. Alexander Krohn vom Heidelberger Umweltamt ist Energieexperte, Stadtplaner und mittlerweile auch Stadtführer. Gerade hat er eine koreanische Gruppe verabschiedet:
Krohn: "Wir punkten in der Bahnstadt natürlich nicht nur mit dem Thema Ökologie. Die Qualität stimmt auch, die wir hier haben. Viele Delegationen, die vom Ausland kommen, primär spreche ich von asiatischen Delegationen, aus China, aus Korea, aus Japan; wir haben auch amerikanische Delegationen schon gehabt. Die interessieren sich für das Thema Energieeffizienz, die lassen sich das Passivhaus erklären und sind begeistert von der Dimension. Wir werden auch oft eingeladen, um Vorträge zu halten auf großen Konferenzen auch international, um dieses Projekt vorzustellen."
Ein Herz für Tiere
Am Anfang einer Präsentation stehen dabei die Heidelberger Eidechsen. Tausende mussten umziehen, erst dann konnte gebaut werden:
Krohn: "In Deutschland gibt es ja auf Basis des Bundesnaturschutzgesetzes ein Tötungsverbot für Eidechsen, für Zauneidechsen, Mauereidechsen und da wurde beim Regierungspräsidium in Karlsruhe ein Antrag gestellt auf artenschutzrechtliche Ausnahme und dann wurden hier in der Bahnstadt 3500 Eidechsen umgesiedelt, im Vorfeld natürlich sehr große Ausgleichsflächen entwickelt, wo die sich dann wohlfühlen können. Ich spreche immer von 5- Sterne- Eidechsenhotels."
Die Eidechsen leben jetzt auf einer Fläche von zwölf Hektar nicht weit von Heidelberg entfernt. Wo sich früher die Eidechsen sonnten, spielen jetzt Kinder im Garten. Die Bahnstadt-Kindertagesstätte ist schon fertig und gilt ein wenig als die Seele des Viertels.
Der Entwurf kommt von dem renommierten Architekturbüro Behnisch Architekten. Die Kindertagesstätte ist zweigeschossig und mit einer Holzfassade versehen. Ein hoher Holzzaun schützt das Gelände regelrecht von außen. Im Garten gibt es Sandkästen, eine Kletterwand und eine Rutsche. Das Gebäude fällt auf, im Vergleich zu den nüchtern wirkenden hohen weißen Wohnblöcken in der Nachbarschaft, ist das Haus mit der Holzfassade ein warmer, beseelter Ort, eine Art Holzburg. Architekt Stefan Rappold:
Rappold: "Der Garten für den Kindergarten ist eigentlich Teil des Gebäudes, ist Teil des Gesamtkonzeptes. Und erst damit bekommt der eigentlich so eine gewisse Größe um zu bestehen, aber auch so einen gewissen Charakter ..(..) ja wir haben es immer, nicht Insel der Glückseeligen, aber so als besondere Insel für die Kinder, wo sie sich so ein bisschen sicher fühlen in der ganzen Umgebung."
Auch die Kindertagesstätte ist in Passivbauweise gebaut worden. Von Anfang an lernen die Kleinen, was es heißt, weniger Energie zu brauchen. Im Winter kann man sich in der kurzen Hose und im T-Shirt in der Tagesstätte bewegen, erzählt der Leiter der Tagesstätte. Die Heizung läuft so gut wie nie.
Passivhäuser benötigen eine mechanische Zu- und Abluft. Bei der Kindertagesstätte befindet sich die Luftzufuhr oben auf dem Dach. Nachts wird der Luftaustausch automatisch gestartet, die Fenster öffnen sich. Die international tätigen Planer von Behnisch halten allerdings nicht viel von Passivhäusern:
Rappold: "Das ist für uns ein Aspekt, wo es oftmals kritisch wird, weil wir sind eigentlich schon der Meinung, dass auch eine gewissen Qualität für Innenräume dadurch geschaffen wird, wenn sie einen Bezug nach außen haben, wenn man nicht nur durch Schießscharten nach außen guckt, aber wenn man auch Fenster aufmachen kann: es hört sich jetzt vielleicht etwas blöd an, aber in Übergangszeiten ist es doch einfach toll, wenn man die Fenster aufmachen kann."
Die Kinder laufen raus und rein und dabei bleibt auch die Türe meist lange auf. So kommt das ganze System durcheinander. Passivhäuser, das ist hier zu erkennen, haben Schwächen. Vor allem bei einer öffentlichen Nutzung.
Über die Hälfte der Dachflächen sind in der Bahnstadt begrünt, Kleinbiotope für Bienen, Schmetterlinge und viele Insekten. Das Regenwasser wird aufgefangen werden, erklärt Thomas Rebel vom Stadtplanungsamt. Er zeigt auf den Langen Anger: Das Regenwasser läuft in ein Vorklärbecken und kommt dann wieder zurück in ein Wasserbecken:
Rebel: "Das Wasserbecken hat zwei Seiten, auf der Nordseite, also zum Langen Anger hin, wo später auch Geschäftsnutzung, Büro, Gastronomie und solche Sachen hinkommen werden."
Am Ende der Bauzeit wird sich das Wasserbecken – Langer Anger – mit einer Gesamtlänge von eineinhalb Kilometer durch die ganze Bahnstadt ziehen. Das Becken ist heute schon an den ausgebauten Stellen bis zu sieben Meter breit, Treppen führen hinunter, so dass gerade an heißen Tagen ein Platz am kühlenden Wasser ist.
Die ersten Mieter sind schon da
Besonders Familien mit Kindern interessieren sich für die Wohnungen und Häuser in dem neuen Viertel in Heidelberg. Etwa 2000 Menschen sind schon eingezogen, am Ende werden es über 5000 Bewohner sein. Die Baukosten sind teurer als in der übrigen Stadt.
Neu errichtete Wohngebäude im Stadtteil Bahnstadt in Heidelberg (Baden-Württemberg)
Neu errichtete Wohngebäude im Stadtteil Bahnstadt in Heidelberg (Baden-Württemberg)© picture alliance / dpa / Foto: Uwe Anspach
Die ersten Wohnungen haben pro Quadratmeter rund 3200 Euro Baukosten verschlungen, rund 1000 Euro mehr sind es durch eine Preissteigerung nun geworden; in Spitzenlagen kommt man nun auf 4200 Euro Baukosten pro Quadratmeter.
Rebel: "Dass wir teurer sind, mag wohl daran liegen, dass Passivahaus etwas teurer in der Herstellung ist als ein Normalgebäude. Wenn ich eine Gesamtkostenbilanzierung mache, durch das Einsparen an Heizung, dass sich über den Lebenszeitraum einer Wohnung auch irgendwann einmal amortisiert hat."
Wer mietet, kann auf einen Zuschuss hoffen. So will man im Heidelberger Rathaus verhindern, dass die Bahnstadt am Ende als Edel-Öko-Ghetto gilt. Im Durchschnitt kostet ein Quadratmeter rund zwölf Euro Miete, wer in den Genuss eines Zuschusses kommt, bezahlt acht Euro. Das Konzept scheint aufzugehen. Die von Single-Haushalten geprägte Stadt Heidelberg lockt zum ersten Mal Familien an. Die Wohnungen sind begehrt, und nicht alle, die eine Wohnungen kaufen oder mieten wollen, bekommen die Behausung. Auch auf ältere Bewohner stellt man sich ein. Die Gehwege sind in der ganzen Stadt behindertengerecht.
Rebel: "Wir rechnen mit einem deutlichen Zuwachs an Menschen, die mit Rollator unterwegs sein werden. Also breite Gehwege, barrierefrei ausgebaut."
Beim Belag der Gehwege konnten seh- und gehbehinderte Menschen ihre Bedürfnisse äußern:
Rebel: "Das ist eine Farbmischung, die ist so abgestimmt, dass Menschen mit Sehbehinderung dieses Wechselspiel an Farben gut erkennen können."
Nachts ist das Viertel dunkel, doch keiner muss im Dunkeln nachhause schleichen, die Bahnstadt hat eine dynamische LED- Beleuchtung, die jüngst sogar einen Preis gewonnen hat:
Krohn: "Das heißt, die dimmt sich auch, wenn keine Passanten oder Radfahrer vorbefahren automatisch runter. Wenn Passanten abends vorbeilaufen, dann erhöht die die Lichtstärke. Allein durch das Dimmen, die dynamische Funktionen, kann der Energieverbrauch auch noch einmal drastisch reduziert werden."
Vorbei an ungezählten Baulastwagen, Baugruben, Baukränen und Baulogistikcontainern geht es in Richtung Wissenschaft. Der Bauherr des gesamten Areals hat sich "open arms", offene Arme, gewünscht. Die Architekten haben einen entsprechenden Plan geliefert. Den Kern der offenen Arme bildet jetzt eine weitläufige Treppe, umrahmt von großen Gebäuden:
Johannes Fokken: "Wir stehen jetzt gerade vor der Stage, das ist eigentlich einer der zentralen Gedanken, auch Ideen, die hier umgesetzt wurden. Letztendlich wird man hier durch den linken hohen Tower und den rechten, eher gedrungenen Block in diese Stage hineingesogen auf eine große Freitreppe, die etwa 25 Meter breit ist, wo verschiedene Sitzmöbel untergebracht sind mit aus Holz, wo Grünflächen integriert sind."
Leben und Forschen an einem Ort
Die Treppe soll ein öffentlicher Treffpunkt werden, erklärt Johannes Fokken, Büroleiter bei Fischer Architekten, verantwortlich für die Planung und Umsetzung des Gesamtkonzepts im Bereich Wissenschaft.
Wohnen, arbeiten, forschen – alles an einem Ort. Noch ist vieles nicht fertig, doch schon heute zeichnet sich ab, der Campusbereich, das gesamte Wissenschaftszentrum, zieht auch nicht Wissenschaftler an.
Das Herz des Wissenschaftszentrums sind die "Skylabs", das Himmelslabor. Das Gebäude ragt in den Himmel, der Leuchtturm der Bahnstadt. Johannes Fokken fährt im Aufzug das Himmelslabor hinauf:
Fokken: "Was dahinter steckt ist ein multifunktionales Gebäude, was für Wissenschaft, für Firmen, also für die Wirtschaft konzipiert ist. Ein Gebäude, das multifunktionale Anforderungen hat."
Hier muss viel mehr gelüftet und im Sommer vor allem gekühlt werden:
Fokken: "Die Heizenergie fällt fast als Abfallprodukt ab. Deswegen haben wir hier auch einen anderen Fokus gesetzt. Wir haben das nicht auf die reine Passivhauslehre beschränkt, nur den Heizenergiebedarf zu senken, sondern auch Lüftung zu optimieren, Kälte zu optimieren, also dort, wo ein größerer Energiebedarf herrscht, das in ein größeres Verhältnis zu setzen."
Achter Stock in den "Skylabs". Die ganze Etage ist mit Kanälen durchzogen. Links, rechts, Mitte – jede Seite misst rund 25 Meter Lüftungskanal. In einem Passivhausgebäude muss viel Technik untergebracht werden:
Fokken: "Deswegen haben auch alle Gebäude ein komplettes Technikgeschoss, die entsprechend integriert sind. Also nicht, wie man das sonst so kennt, einfach oben drauf gebaut, sondern auch innerhalb der Gebäudehülle, was einfach notwendig ist, um solch ein Gebäude energieeffizient zu betreiben, sind entsprechend große Kühlungs- und Lüftungsanlagen mit einer sehr hohen Wärmerückgewinnung und entsprechend große Gerätschaften sieht man hier oben auch."
Vom Technikgeschoss geht es noch eine letzte Etage nach oben. Noch ist alles im Rohbau, doch schon jetzt lässt sich sagen: hier liegt künftig einer der schönsten Arbeitsräume von Heidelberg.
Fokken: "Vom Fußboden her sind wir jetzt bei ungefähr 27 Meter und entsprechend haben wir den Ausblick, den wir hier natürlich genießen können. Das ist natürlich die Topetage, mit den Fenstern zum Boden, mit den großen Raumhöhen, eine sehr schöne große Fläche."
Das Heidelberger Schloss ist zu sehen, weite Teile der gesamten Stadt, auch den Überblick über die neue Bahnstadt hat man von hier oben.
Wohnen und arbeiten auf Zeit
Im Wissenschaftsbereich setzt man auf maximale Flexibilität auch bei der Raumgestaltung. Wer in die Arbeits- und Forschungseinrichtungen einzieht, kann noch gestalten, die Wände sind aus Gipskarton und lassen sich den Bedürfnissen der Nutzer entsprechend verändern:
Die Arbeitsstätten der Zukunft sind äußert flexibel. Auch die, die bald hier arbeiten werden, müssen flexibel sein. Wanderarbeiter auf hohem Niveau. Heute Europa, morgen Asien, übermorgen USA. In Heidelberg ist man in einem ganzen Viertel auf Menschen eingestellt, die nur eine Weile an einem Ort sind. Fokken zeigt in Richtung eines großen Gebäudes, dort hat sein Büro gerade zwei Wohnprojekte fertiggestellt. Auch bei den Wohnungen gilt das Prinzip: je flexibler desto besser.
Fokken: "In der Regel bestehen die Wohnungen aus sehr wenigen festen Elementen. Es gibt außer den Wohnungstrennwänden kaum feste Elemente. Das Thema, dass man sich einmal eine Wohnung kauft und bis zu seinem Lebensende dann dort wohnt und nichts verändert, das hat sich einfach überholt. Das merken wir auch, dass das hier sehr gut angenommen wird. Weil das Thema temporäres Wohnen oder was oft so als Nomadenwohnen und Nomadentum bezeichnet wird, sich tatsächlich immer mehr widerspiegelt und gerade in so einer jungen und dynamischen Stadt wie Heidelberg."
Wissenschaftler, Studenten, Fußballer, auch Künstler zieht das neue Viertel an. Im Nachbarschaftstreff laufen die Fäden zusammen. Aus vielen Individuen soll hier eine Gemeinschaft werden. Nicht für immer vielleicht, aber für eine Weile, so lange eben ein paar zusammenpassen. Stefanie Ferdinand leitet den Nachbarschaftstreff.
Ferdinand: "Eine Sache ist die Koordination verschiedener Aktivitäten und das Auffangen von Ideen, der ganzen Leute, die hier wohnen. Das kanalisiere ich, bündle ich und setze das dann mit den Bewohnern um."
Bis sich über 12.000 Menschen in einem neuen Viertel zurechtfinden, gibt es gerade am Anfang viele Fragen:
Ferdinand: "Wann kommt ein Bäcker, wo ist der nächste Kinderarzt, wann ist dieses und jenes Gebäude fertiggestellt? Da war noch alles voller Bauzäune: Wann werden die Bauzäune abgetragen? Die Leute brauchen einen langen Atem zum Teil. Alles, was hier gebaut wird, wird nicht punkt gerecht fertig. Dass hier oder dort irgendetwas nicht fertig wird. Es staubt und es dreckt und es macht und es tut."
Die ersten 2000 Bewohner sind schon in der städtebaulichen Neuzeit angekommen, auch zwei Bäcker gibt es schon, die ganz normale Brötchen backen. Irgendwann wird die Stadt leben und alle werden sich auf den kurzen Wegen zurechtfinden. Dann zieht sich Frau Ferdinand mit ihrem Team wieder zurück.
Ferdinand: "Wir sind wirklich nur Anschub, Motor, jemand der diese Bedarfe für den Anfang entwickelt. Das zu warten, zu hüten und weiterzuentwickeln ist das Sache der Bewohner ."
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