Staatskrise in Brasilien

Kein Putsch - aber auch keine Rettung

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff
Schwere Zeiten für Dilma Rousseff - aber noch nicht unbedingt das Ende ihrer Karriere © EPA/Fernando Bizerra Jr./dpa
Sergio Costa im Gespräch mit Marianne Allweiss und Andre Hatting · 18.04.2016
Nach ihrer krachenden Niederlage im Abgeordnetenhaus droht Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff nun der Verlust von Job, Macht und Ansehen. Der Soziologe Sergio Costa glaubt allerdings daran, dass Rousseff ihren Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen kann.
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff ist kurz davor, des Amtes enthoben zu werden. Bei einer Abstimmung am Sonntagabend im brasilianischen Abgeordnetenhaus wurde die für ein Absetzungsverfahren nötige Zwei-Drittel-Mehrheit klar erreicht: 367 Abgeordnete waren dafür, nur 137 dagegen.
Der Senat kann Rousseff nun Ende des Monats mit einfacher Mehrheit für 180 Tage suspendieren. In dieser Zeit würden dann alle Vorwürfe gegen die Präsidentin juristisch geprüft.
Ob Rousseff danach dann vom Senat mit der vorgeschriebenen Zweidrittel-Mehrheit endgültig geschasst wird, sei aber noch unklar, sagte der Soziologe Sergio Costa vom Lateinamerika-Institut der FU Berlin im Deutschlandradio Kultur. Das hänge stark davon ab, was in den sechs Monaten passiere.
Für Rousseffs Arbeiterpartei ist der gesamte Vorgang ein "Putsch". Costa widerspricht: Die Opposition habe die Verfassung beachtet und sei das vorgeschriebene Verfahren gegangen.

Rousseffs Gegner wollen ihre "korrupten Karrieren" retten

Es sei aber auch keine Rettung für das Land, betonte er. Denn diejenigen, die jetzt Rousseff möglicherweise wegen Korruption aus Amt und Würden jagen, täten dies auch, um ihre eigenen "korrupten Karrieren" zu retten. "Das ist schon sehr unerfreulich", sagte Costa.
Nach Umfragen seien inzwischen rund 60 Prozent der Bürger für die Absetzung der Präsidentin. Dass die Stimmung gegen sie sei, habe aber vor allem mit der wirtschaftlichen Krise des Landes zu tun. Die Gesellschaft sehne sich nach der Zeit unter Präsident Lula zurück, in der es eine aufstrebende Mittelschicht gab und die Wirtschaft schnell wuchs. "Das ist jetzt alles nicht mehr so."
Übernehme der Vizepräsident Temer das Amt, werde das nicht den gewünschten Frieden bringen. Denn der wolle Kürzungen bei den Sozialleistungen. Das werde nicht helfen, die Bevölkerung werde mit Recht unzufrieden sein – Brasilien ständen vor diesem Hintergrund schwere Zeiten bevor, so Costa.
Mehr zum Thema