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Urteil zum Freihandelsabkommen
Gericht gibt Auflagen für CETA-Zustimmung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada zurückgewiesen - und damit den Weg für Deutschlands Unterschrift freigemacht. Allerdings haben die Richter drei Bedingungen formuliert, die erfüllt sein müssen, damit die Bundesregierung CETA zustimmen kann.

Von Gudula Geuther | 13.10.2016
    Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
    Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Eilanträge gegen das Freihandelsabkommen CETA abgelehnt. (dpa)
    Es ist kein Freibrief für CETA, den die Verfassungsrichter heute ausgestellt haben, das machen sie schon durch die Auflagen deutlich, die sie formulieren. Aber: Erfüllt die Bundesregierung diese Bedingungen, kann das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada vorläufig in Kraft treten.
    Damit kann Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am kommenden Dienstag im Rat der Handelsminister zustimmen. Mit dem Beschluss wäre der Weg frei für die Unterzeichnung auf dem Treffen zwischen der EU und Kanada am 27. und 28. Oktober.
    Gericht befindet Risiken eines Stopps als zu groß
    Der Zweite Senat entschied in der heutigen Eilentscheidung nicht, ob CETA mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Das bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Stattdessen mussten die Richter die Risiken eines vorläufigen Stopps und des vorläufigen Inkrafttretens gegeneinander abwägen. Und dabei wiegen die Risiken eines Stopps besonders schwer, befanden sie. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle:
    "Ein auch nur vorläufiges Scheitern von CETA dürfte über eine Beeinträchtigung der Außenhandelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada hinaus weitreichende Auswirkungen auf die Verhandlungen und den Abschluss künftiger Außenhandelsabkommen haben. Insofern erscheint es naheliegend, dass sich der Erlass einer einstweiligen Anordnung negativ auf die europäische Außenhandelspolitik und die internationale Stellung der europäischen Union insgesamt auswirken würde."
    Wirtschaftsminister Gabriel hatte gestern eindringlich gewarnt, Deutschland und die EU würden nicht mehr als verhandlungsfähig angesehen, wenn der CETA-Prozess unterbrochen würde. Diese Sorge machten sich die Richter heute zu Eigen. Andreas Voßkuhle: "Die zu erwartende Einbuße an Verlässlichkeit sowohl der Bundesrepublik Deutschland als Veranlasser einer derartigen Entwicklung als auch der Europäischen Union insgesamt könnte sich dauerhaft negativ auf den Handlungs- und Entscheidungsspielraum aller europäischen Akteure bei der Gestaltung der globalen Handelsbeziehungen auswirken."
    Drei Bedingungen für die Zustimmung zum Abkommen
    Gleichzeitig machten die Richter deutlich, dass sie die Befürchtungen der Kläger ernst nehmen. Die Bundesrepublik muss deshalb im Rat der Handelsminister zu verhindern versuchen, dass Fakten geschaffen werden. Sigmar Gabriel hatte gestern den Vertragstext so interpretiert, dass Deutschland einseitig aus dem Vertrag aussteigen kann, auch wenn er vorläufig in Kraft getreten ist. Tatsächlich ist der Text in dieser Frage aber unklar.
    Deutschland muss deshalb seine Zustimmung mit einer völkerrechtlich verbindlichen Erklärung verbinden, dass es das so versteht. Außerdem darf nur in Kraft treten, was unstreitig Sache der EU und nicht der Mitgliedstaaten ist. Demnach bleibt der Investitionsschutz – und damit auch die Investitionsgerichte - ebenso außen vor wie etwa die Anerkennung von Berufsqualifikationen oder der Arbeitsschutz. Auch dies hatte die Bundesregierung bereits im Wesentlichen so interpretiert.

    Dagegen reicht die dritte Auflage tiefer in den Mechanismus des Abkommens hinein. Die Kläger hatten kritisiert, dass der so genannte gemischte Ausschuss, das zentrale CETA-Entscheidungsgremium, das Abkommen weiterentwickelt und mindestens in Randbereichen auch verändern kann. Und das, ohne dass sichergestellt ist, dass das Gremium aus deutscher Sicht demokratisch legitimiert ist. Eine solche Legitimation verlangen die Richter nun. Möglich wäre das zum Beispiel, wenn der deutsche Vertreter im Rat seine Zustimmung gibt. Die Verfassungsrichter schlagen deshalb als eine Möglichkeit vor, ihre Bedingung zu erfüllen, dass der Rat Beschlüsse des Ausschusses einstimmig billigt.
    Kläger trotz Niederlage zufrieden
    "Das ist eindeutig mehr, als wir erwartet hatten", befand erfreut im Sitzungssaal Thilo Bode von Foodwatch, eine der drei Organisationen, die neben anderen mit zigtausendfacher Unterstützung nach Karlsruhe gezogen waren. "Ohne, dass wir hier beim Verfassungsgericht aufgelaufen wären", meinte Bode, "ohne dieses Urteil wäre das, was heute passiert ist, nicht passiert. Das ist entscheidend."
    Wann die Richter über die Hauptsache verhandeln wollen, ist noch offen.