Spuren der Vergangenheit

01.08.2012
Das Buch stellt die wechselvolle Geschichte der tschechischen Stadt dar, die vor allem als Getto und Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg bekannt wurde. Das Werk zeigt auch, wo in Theresienstadt die Spuren der Vergangenheit zu finden sind.
Wer den Namen Theresienstadt hört, denkt an Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg. Das ist naheliegend aufgrund der bitteren Geschichte - aber zu kurz geschlossen, wenn man bedenkt, dass die Stadt weit mehr ist als das Opfer der Verbrechen Hitlerdeutschlands. Theresienstadt, südlich des Elbsandsteingebirges in Tschechien gelegen, wurde im 18. Jahrhundert als Festung der Habsburger-Monarchie zur Abwehr der Bedrohung aus Preußen gebaut. Sie wurde nach der Landesherrin Maria-Theresia benannt und unter ihrem Sohn und Nachfolger Josef II. vollendet.

Die Festung Theresienstadt konnte die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Preußen unter Friedrich II. nicht verhindern, die Festung selbst wurde aber nie in Kampfhandlungen verwickelt. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Festungsbauweise aufgrund der Weiterentwicklung der Waffentechnik nicht mehr zeitgemäß, zu Ende des Jahrhunderts wurde ihr eigentlicher Zweck aufgegeben, und Theresienstadt wurde zu einer zivilen Stadt.

Nach dem Einmarsch Nazi-Deutschlands in die Tschechoslowakei 1939 wurden die Besatzer bald aufmerksam darauf, dass sich die Anlage der Stadt für ein riesiges Gefängnis anbot. Bald wurde mit dem Bau eines jüdischen Gettos in der großen Festung begonnen, während in die Bauten der kleinen Festung am anderen Ufer der Eger ein gefürchtetes Gestapo-Gefängnis einzog.

Theresienstadt wurde für tschechische Juden zum Durchgangslager. Bis zu 58.000 Menschen wurden in die alten k. u. k.-Kasernenbauten gepfercht, wo vorher nur rund 7.000 Soldaten und Zivilisten gelebt hatten. Fast 33.500 Menschen starben dort, teils aufgrund der unmenschlichen Behandlung, teils aufgrund sich ausbreitender Seuchen und Krankheiten, weil seitens der SS absichtlich Hygienemaßnahmen vernachlässigt wurden und es nur wenig zu essen gab.

Nach dem Krieg zogen neben Zivilisten auch wieder Soldaten in die großen Bauten der rasterförmig angelegten Stadt, die von Wällen, Bastionen und Gräben umgeben ist. Aus politischen Gründen präsentierte die Tschechoslowakei zwar das Gestapo-Gefängnis als Erinnerungsort, das Ghetto war ihr aber (vor dem Hintergrund der antizionistischen Politik des Regimes) keine Erwähnung wert. Erst nach der Revolution von 1989 kam das Getto wieder ins allgemeine Bewusstsein, nach der Jahrhundertflut von 2002 auch die gesamte aus der österreichischen Monarchie stammende Stadtstruktur. Derzeit ist Terezín Kandidat für den Weltkulturerbestatus.

Uta Fischer und Roland Wildberg ist ein Buch eigener Art gelungen: Farblich gegliedert werden die einzelnen Epochen dieser architektonisch und historisch so bedeutenden Festungsstadt dargestellt, die derzeit noch im Dornröschenschlaf versunken scheint. Zwar wirkt das broschierte Werk auf den ersten Blick wie ein Reiseführer, aber es ist weit mehr als ein einfacher Reiseführer: es ist ein Geschichtsbuch, das Lesern und Besuchern die historischen Schichten einer außergewöhnlichen Stadt anschaulich macht.

Dabei gelingt den Autoren eine umfassende Information, die weit ausholt: Kleine Festungsbaukunde wird ebenso betrieben wie das Attentat auf das Thronfolgerpaar 1914 in Sarajewo geschildert, da der Attentäter Gavrilo Princip danach in der kleinen Festung inhaftiert war und dort drei Jahre später starb.

Fischer und Wildberg informieren sachlich und übersichtlich, verwenden eine klare, niemals peinliche, anbiedernde oder empörte Sprache. Das macht das Buch so lesenswert - und mit vielen Fotos, informativen Kästen, Skizzen und Plänen ist es auch gut gestaltet.

Besprochen von Stefan May

Uta Fischer, Roland Wildberg: Theresienstadt - Eine Zeitreise
Medienbüro Wildfisch, Berlin, 2011, 368 Seiten, 29,80 Euro