Sprachgeschichte. Russlanddeutsch

Von Wolfgang Brosche · 23.07.2013
Plautdietsch ist eine Sprache auf Wanderschaft. Weltweit wird sie von einer halben Million Menschen gesprochen. 200.000 leben in Deutschland, die meisten in Ostwestfalen. Eine weitere Besonderheit der Sprache: Sie ist fast auf dem Stand des 16. Jahrhunderts eingefroren.
Tatjana Klassner (singt):

"Boajtchtje haud een Kobbeltje,
we noch junk von Johre,
sed hee to sin Muratje:
Etj will opp daut foahre.
Brocht daut oppe jreene Weid,
let daut doa bet hintje,
Floch daut dann em Groowe nenn,
musst daut doa versintje."


Erinnerungen an ihre Kindheit haben Tatjana Klassner - heute lebt sie in Warendorf bei Münster - dazu angeregt, Kinderlieder, Sprichwörter und Gedichte in ihrer Muttersprache Plautdietsch zu sammeln. Eine solche Sammlung hatte es bis zur Veröffentlichung 2007 noch nicht gegeben, obwohl Plautdietsch 500 Jahre alt ist.

Als Tatjana Klassner in den 1980er-Jahren, damals noch in Sibirien, anfing, dieses Volksgut zu sammeln, stieß sie auf Kopfschütteln und Unverständnis bei den Russlanddeutschen Mennoniten:

"Das ist ein sehr gläubiges Volk und die haben mir gesagt, Tanja, das ist mir so schade, dass du die Zeit jetzt so rausschmeißt, diese Arbeit ist ja nicht für Gott. Da musste ich denen oft erklären: alles, was Gott geschaffen hat, gehört zu Gott und was vom Volk kommt, ist auch göttliche Arbeit."

Eine Art des Niederdeutschen
Der Glaube hat nicht nur das Leben der Russlanddeutschen Mennoniten bestimmt, sondern auch ihre Sprache geprägt. Gegründet wurde diese Glaubensgemeinschaft von dem niederländischen Reformator Menno Simons zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Mennoniten hatten ein strenges Arbeitsethos, Vergnügen war verpönt, was man auch tat, es musste in Gott seinen Sinn finden. Auch lehnten sie jede Gewalt ab, verweigerten Kriegsdienst und Eidesleistung.

Diese pazifistische Grundhaltung machte ihnen das Leben in den damals spanischen, mithin katholischen Niederlanden schwer. Da sie ihren Glauben behalten wollten, zogen sie nach Osten ins Weichseldelta und siedelten dort um die Stadt Danzig. Ihre Sprache nahmen sie natürlich mit und sie entwickelte sich in den nächsten 200 Jahren zu einer Art des Niederdeutschen. Leicht hatten es die Siedler in dem sumpfigen Gelände nicht, sie mussten es urbar machen. Krankheiten, Missernten und damit Hunger forderten ihren Tribut:

Peter Wiens: "Onse Plautdietsche Sprichwed saje vel ewa onse Jeschicht ut:
Dee eschte habe den Doot, dee tweede de Noot, dee dredde daut Broot. - Die Ersten haben den Tod, die Zweiten die Not und die Dritten das Brot."

Diese Erfahrung steckt den Plautdietschen - wie sich die Sprecher dieser Sprache selbst nennen - in den Genen und sie steckt in ihren Sprichwörtern:

Peter Wiens: "Goode Nacht, jie leewe Sorje, letjt mie aum Moazh vandoag uck morje."

"Gute Nacht, ihr lieben Sorgen, leckt mich ... Sie wissen schon wo ... und dann bis morgen". "

Viele Jahrhunderte war die Armut ein ständiger Begleiter, der man mit Gottvertrauen und Sarkasmus begegnete:

Peter Wiens:"
"Jesunda Tehn - onn kann nich biete,
Jesunda Moazh - onn kann nicht schiete,
Jesunda Hohn - waut nich mehr steit,
Onn dann frajchst noch, woo´t mie jeit?"

Wer noch ein wenig Plattdeutsch versteht, der versteht auch diese Plautdietschen Weisheiten. Die Angst vor der Armut saß immer in den Knochen und deshalb gibt es zahllose Sinnsprüche, die mahnen sparsam zu sein:

Tatjana Klassner:"Wann se tjaft waut se nich brukt, dann waut se boolt waut se bruckt nich tjeipe tjene."

Arm und sparsam
Wenn sie kauft, was sie nicht braucht, dann wird sie bald das, was sie braucht, nicht mehr kaufen können. Katharina die Große lud Ende des 18. Jahrhunderts die Mennoniten aus dem Weichseldelta ein, nach Südrussland zu kommen - heute die Ukraine. Diese riesigen Weiten hatte die Zarin von den Türken zurückerobert - und nun fehlten ihr Menschen, die das Land besiedelten.

Katharina brauchte erfahrene Landwirte, die Musterbetriebe anlegen sollten; so lockte sie die Mennoniten mit Religionsfreiheit und der Aussicht, Land zu erwerben. Wieder brachen sie auf und zogen erneut nach Osten. Am Dnjepr gründeten sie fast 100 Dörfer; einige waren Vorläufer heutiger Großstädte.

Obwohl die Mennoniten hervorragende Bauern waren, gerieten viele von ihnen gleichwohl innerhalb weniger Jahrzehnte wieder in schwere Notlagen. Schuld war das Erbrecht: Der Landbesitz wurde stets unter allen Söhnen aufgeteilt. So kam es, dass die Parzellen immer kleiner wurden, so klein, dass man davon seine Familie nicht mehr ernähren konnte. Und so waren die Russlanddeutschen Mennisten - wie sie auf Plautdietsch heißen - bei ihren Ukrainischen Nachbarn zwar als gute Bauern bekannt, aber auch als arm und sparsam und auf ihren geringen Besitz besonders bedacht:

Tatjana Klassner: "Wellst du os en Chochol nech bestohlen seijn, dann goa sehr loat schloope - oba wellst du nich oas Mennist bestoahle seijn, dann go ewerhoopt nich schloope."

Willst du als Ukrainer nicht bestohlen werden, dann geh sehr spät schlafen. Aber willst du als Mennonit nicht bestohlen werden, dann geh überhaupt nicht schlafen.

Tatjana Klassner: "Die ersten Mennoniten, ( ... ) die waren unheimlich arm, die haben ja nichts mitgenommen, ein Pferd und ein bisschen Kram und da heißt es so:

De Mennonite de san soa oarm, däj schloope app ej Schwartbrück, eh datsche sich mit dem eijene Hineren to."

Die Mennoniten sind so arm, die schlafen auf der Brücke und decken sich mit dem eigenen Hintern zu.

Viele Mennoniten wanderten wegen der Armut ein drittes Mal aus - in die unendlichen russischen Weiten: nach Kasachstan, Kirgisistan und Georgien. Sie lebten in weit von einander entfernten Kolonien. Aber ihr Glaube und ihre Sprache, die sie mitnahmen, sorgten für das Gefühl der Verbundenheit. Natürlich mussten die Mennisten die jeweiligen Amtssprachen sprechen, aber am Plautdietsch hielten sie ehern fest: es war ihr Erkennungsmerkmal, bot aber auch aus religiösen Gründen eine Abgrenzung gegenüber Russisch-Othodoxen oder Muslimen. Plautdietsch war ihnen lieb und teuer.

Tatjana Klassner:
"Daut Hus, dee Frue on de Sproak woare nich ut`jelieht.
Frau, Haus und die Sprache werden nicht ausgeliehen!"

Das mag bei den Eskimos anders sein:

Tatjana Klassner: "Lachen - bei den Plautdietschen aber nich` ..."

Ja, die Sittenstrenge der Mennoniten ließ eigentlich keine sprachlichen Deftigkeiten zu, die sich in den vielen anderen Arten des Niederdeutschen fast wieder charmant anhören. Aber einiges hat sich doch eingeschlichen, bloß brav wollten die Plautdietschen eben auch nicht sein ...

Peter Wiens: "Oppem Kopp schiete lot etj mie nich!"

Ich lass mir doch nicht auf den Kopf sch... Wie in allen Sprachen ist auch das Plautdietsche auf gewissen Wortfeldern erfindungsreich:

Peter Wiens: "... schiete, kake, meste, benudle, bemoake, beschnerze, bemeijre ..."

Muss man nicht übersetzen, oder? Die zuweilen etwas derben Ansichten über Frauen sind wohl zeitbedingt:

Tatjana Klassner: "Mana onn Frues sent ut eenem Dech jemoagt. ( ... )
Wenn twee Wiewa waut weete, dann weete se dat boolt aula."

Männer und Frauen sind aus einem Teig gemacht! Wenn zwei Weiber was wissen, dann wissen es bald alle.

Tatjana Klassner: "Froag de Frue en moach et umjedreh!"

Erst frag die Frauen und dann mach es umgekehrt!

Tatjana Klassner: "Wo wiver sind, da es Joarmarkt!"

Wo Weiber sind, da ist Jahrmarkt. Aber keine Sorge, auch die Männer kriegen im Plautdietschen ihr Fett weg - da hört sich selbst Zotiges über den "Schwenjel", den Schwengel, auf Plautdietsch eher komisch an:

Peter Wiens: "Dee Nees - ess dee Mana eh Stolz!
Wo de Haunz, soo uck sein Schwaunz!"

Die Nase ist der Stolz der Männer. Wo der Hans ist, auch sein Schwanz. Wenn es aber dann doch zu schlüpfrig wird, dann haben die Mennisten eine Ausrede parat:

Peter Wiens: "Onn waun ons dann maunchmal soon Utdrejt ewre Leppe jlippst, schetj wie schwind ... 'sajcht de Russ' hinjeraun."

Derbes und Unanständiges "sajcht de Russ" - kommt alles vom Russen. Und tatsächlich, auch wenn die Plautdietschen oft abgesondert in ihren russischen Siedlungsgebieten lebten - es ließ sich nicht vermeiden, dass sie von ihren Nachbarn Wörter aus deren Sprachen aufschnappten und integrierten.

Vom geografischen Ursprung der Sprache war man Tausende Kilometer entfernt und so blieb Plautdietsch gewissermaßen eingefroren auf dem Stand des 16. Jahrhunderts. Aber nicht ganz, denn schon Kinder übernahmen gerne Sprüche und Lieder anderssprachiger Spielkameraden:

Tatjana Klassner: "Kulla, Rolla, licht oppe Bentj,
Kulla, Rolla fellt vonne Bentj.
Kaume tausend Kesoake
Onn kunne daut nich moake."

Kulle-Rolle liegt auf der Bank, Kulle-Rolle fällt von der Bank. Und selbst tausend Kasachen, konnten´s nicht wieder richten. Hört sich im Original viel schöner an als in der Übersetzung. Hier sind es zwar tausend Kasachen, die das gefallene Ei nicht mehr ganz kriegen - aber wer genau hinhört, den erinnern diese Kinderverse an das sprechende Ei Humpty Dumpty aus Lewis Carrolls "Alice im Wunderland". Das ist auch nicht verwunderlich, kamen doch im 19. Jahrhundert viele englische und französische Kindermädchen, Sprachlehrer, Ingenieure und Facharbeiter nach Russland und hinterließen Spuren erst im Russischen und dann auch im Plautdietschen:

Peter Wiens:
"Go nich up de Schaussei -
Go nich ohne Troussai - Unterhose - hat meine Oma mir immer gesagt."

Tatjana Kastner:
"Doat ess für mi kaijn pläjschej ..."

... so fand selbst das französische Pläsier Verwendung am Kaukasus. Aber natürlich konnten sich die Mennoniten vor technischen und gesellschaftlichen Veränderungen nicht ganz abschotten wie etwa die Amish-People in den USA. Entweder übernahm man also aus dem sprachlichen Umfeld Lehnwörter oder man schuf neue, die dem Charakter des Plautdietschen angemessen waren. So heißt ein Küchenmixer.

Peter Wiens:
"Eiakloppa"

Oder eine Mikrowelle, nicht gerade politisch korrekt

Peter Wiens:
"Tschernobyl-Kestroll"

Und was ist wohl ein:

Peter Wiens:
"Tettehaulter"

Ein Büstenhalter! Nicht nur die Dessousmode fand irgendwann einmal Eingang ins Plautdietsche. Trotz aller strengen Sittsamkeit konnte man im Zeitalter von AIDS nicht vor gewissen Notwendigkeiten die Augen verschließen. Ein Kondom wurde zur:

Peter Wiens:
"Schwenjeltut"

Zur Schwengeltüte - der Begriff ...

Peter Wiens:
"Doomtje"

Also etwa die Verniedlichung "Kondömchen", hat sich nicht durchgesetzt. Denn:

Peter Wiens:
"Doomtje steit in Köln, nich enne Gumm."

Strengere pietistische Strömung
Der Dom steht in Köln, nicht im Gummi! - Aber damit sind wir schon ins 20. Jahrhundert gerutscht. Kehren wir noch einmal kurz ins 19. zurück. Um 1860 gewann unter den ohnehin schon sehr frommen Russlandmennoniten eine noch strengere pietistische Strömung an Einfluss. Alkohol, Feste feiern, Musik außer im Gottesdienst und sogar Lachen waren auf einmal verpönt.

In den Jahrhunderten zuvor machte es die Notwendigkeit irgendwie den Lebensunterhalt zu verdienen nahezu unmöglich, sich mit Literatur und Kunst zu beschäftigen. Nun aber war alles jenseits körperlicher Arbeit sündhaft; allenfalls Lehrer und Ärzte fanden als "geistige Arbeiter" Anerkennung. Das ist der Grund, weshalb es nur wenige Plautdietsche Schriftsteller und Künstler gab. Schriftliche Zeugnisse dieser Sprache vor 1900 sind sehr selten.

Etwas anderes als Gebete und geistliche Texte aufzuschreiben, galt als sündhaft.
Diese religiöse Strenge hinterließ nicht nur Spuren im Alltagsleben, sondern sogar in der Aussprache mancher Laute wie dem /k/:

Tatjana Klassner:
"Da haben die sich überlegt, das ist zu roh. Die Sprache ist zu grob. Wir machen aus dem /k/ ein /t/. Und dann gab es nicht Kast, sondern Tschast, nicht Kirche, sondern Tschejtsche."

Ob es nun diese religiöse Starrheit war oder ob die Weiten Amerikas zur Besiedelung lockten - ab 1874 wanderten viele Mennoniten erneut aus: und zwar nach Kanada und von da zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter nach Mexiko, Paraguay und in andere südamerikanische Länder. Sie nahmen natürlich wieder ihre Sprache mit und ihr landwirtschaftliches Know-how. Heute zum Beispiel sind Rinderzucht und Fleischindustrie in Paraguay fest in mennonitischer Hand. Die russische Revolution vertrieb dann weitere Mennoniten bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Sowjetunion.

Mit der Sprache im Gepäck
Neben den Mennoniten waren einst noch zahlreiche andere Deutsche verschiedener Landschaftsmannschaften nach Russland gekommen. Stalin misstraute allen Russlanddeutschen und siedelte sie zwangsweise hinter den Ural nach Sibirien um. Das politische Tauwetter in den 1970er-Jahren machte es möglich, dass diese Russlanddeutschen in die damalige Bundesrepublik übersiedelten. Die letzten kamen dann in den 90er-Jahren, wiederum mit ihrer Sprache im Gepäck.

Heute sprechen eine halbe Million Menschen über den ganzen Globus verstreut Plautdietsch. Selbst wenn sie schon Generationen nicht mehr in Russland leben, verstehen sich Plautdietschsprecher bei internationalen Treffen, mögen sie nun aus Kanada, Mexiko oder Paraguay kommen, auf Anhieb.

In Deutschland leben rund 200.000 "Plautdietsche" - die meisten kamen als Spätaussiedler nach Ostwestfalen. Nirgendwo sonst gibt es noch so viele Plautdietsch-Sprecher auf so engem Raum. Das machte es möglich, Netzwerke aufzubauen; erst in Ostwestfalen - aber die Verbindungen reichen heute in die ganze Welt.

Peter Wiens - er stammt aus Kirgisistan - gründete 1999 den Verein der Plautdietschfreunde mit Sitz in Detmold:

"Der Verein der Plautdietschfreunde, der macht jetzt seit ungefähr elf oder zwölf Jahren Sprachdokumentationen auf verschiedene Art und Weise. Vor allem die Dinge, die regelmäßig laufen: einmal im Jahr eine Konferenz; da wird ein Thema ausgesucht, das irgendwie relevant ist und schon lange nicht mehr genauer unter die Lupe genommen worden ist und dann werden dazu hochkarätige Referenten eingeladen. Aber diese Konferenzen sind auch mit Musik und Folklore, damit auch Leute kommen, die sich nicht unbedingt Vorträge anhören wollen.

Also, die Konferenzen laufen einmal im Jahr, aber Studienreisen machen wir auch international zu Menschen, die auch Plautdietsch sprechen irgendwo auf diesem Globus. Und so pflegen wir das Netzwerk oder knüpfen unser Netzwerk erst einmal. Und wir sammeln natürlich auch Sprachdokumentationen."

Der Verein der Plautdietschfreunde gibt vierteljährlich ein Magazin heraus, den "FRIND", Den Freund. In einem eigenen Studio werden Hörfunksendungen produziert, die in alle Welt ausgestrahlt werden. Hier werden auch Hörbücher und Musik-CDs eingespielt.

Die Gruppe "3molplaut" aus Kanada beweist mit ihrem Lied von der Tupperware-Queen, dass Plautdietsch inzwischen offen ist für sprachliche Veränderungen und Neuerungen. Selbst Filmemacher interessieren sich fürs Plautdietsche: 2007 wurde ein Spielfilm über eine junge Frau, die an der Glaubensstrenge ihrer mennonitischen Gemeinde in Kanada zerbricht, nicht nur mit dem Preis der Jury in Cannes ausgezeichnet, sondern sogar für den Oscar als bester fremdsprachiger Film vorgeschlagen. Die Darsteller sprachen alle Plautdietsch, und die Hauptdarstellerin kam aus dem ostwestfälischen Espelkamp.

Eine Sprache auf der Wanderschaft
Die modernen Einflüsse kommen fürs kanadische Plautdietsch aus dem Englischen und Französischen. In Südamerika findet man spanische und portugiesische Wörter und bei uns natürlich deutsche. Im heutigen Russland dagegen, wo das Plautdietsche, sagen wir mal, groß geworden ist, wird es leider nicht mehr gesprochen. So ergeht es einer Sprache auf der Wanderschaft um die Welt, einer Sprache, die keinem eigenen Sprachgebiet zuzuordnen ist. Zwar gibt es noch eine halbe Million Menschen, die Plautdietsch sprechen, aber vor allem jüngere Leute sind wenig an dieser Sprache interessiert.

Tatjana Klassner: "Mich fragen die Leute, wozu brauchst du es, deine Enkelkinder verstehen dich ja doch nicht. Dann sag ich aber, die Momente, wo ich in eine ganz andere Vision reingehe. Das prägt mich. Und zweitens: Ich möchte beweisen, dass unsere plautdietsche Sprache vollständig reich ist. Und die ist nicht so kaputt und verloren gegangen. Wir haben noch die Möglichkeit, sie wieder zurückzukriegen."

Vieles mussten die einstigen Siedler aus dem Weichseldelta, die nach Russland und dann in alle Welt auswanderten, zurücklassen. Vielleicht weckt deshalb "Plautdietsch" bei seinen Sprechern soviel Nostalgie:

Tatjana Klasser: "Die finden die kleine Heimat im Herz. Die Sprache ist dann das, was nicht verloren gegangen ist wie ein Land, wie ein Haus, wie die Mutter, die in die Erde geht. Das haben wir noch bei uns. Und wenn wir dann mit dieser Sprache kommunizieren können, dann spüren wir, wir sind hier:

De plautdietsche Sproak, dat is wie ne Heijmat. Et woat immer jesagt: olle weege gehen vonne Tüsdier. Und da wo mine Ma et Fenster upjeschlooge hat und det Liecht enn de Oove havt, doa is mijne Sproak t´Hüs. De Sproak, det is miene kleine Heijmat!"
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