Spott-Komödie auf deutsche Zustände

Von Hans-Ulrich Pönack · 19.12.2007
Die Kabarettfigur Erwin Pelzig steht im Mittelpunkt der Komödie "Vorne ist verdammt weit weg". Themen wie Arbeitslosigkeit und Aktienmärkte werden darin mit beißendem Spott überzogen. "Elizabeth - Das goldene Königreich" erzählt die Fortsetzung des Blockbusters von 1998 ebenfalls mit Cate Blanchett in der Rolle der englischen Königin.
"Vorne ist verdammt weit weg"
Deutschland 2007, Regie: Thomas Heinemann, Hauptdarsteller: Frank-Markus Barwasser, Philipp Sonntag, Christiane Paul, Peter Lohmeyer, Tobias Oertel, Martin Maria Eschenbach, ab 6 Jahre, Länge: 97 min.

Der Film stammt von Thomas Heinemann, einem fränkischen Theater-Autoren und -Regisseur, der den Film gemeinsam mit dem 47-jährigen Würzburger Kabarettisten Frank-Markus Barwasser alias "Erwin Pelzig" schrieb. Und diese, 1993 erstmals präsentierte Kunstfigur aus dem Kabarett und Fernsehen, steht denn auch im Mittelpunkt des hintergründigen deutschen Gesellschafts- und Satire-Spaßes.

Erwin Pelzig, der notorisch-liebenswürdige Anarchist und Nachbar, der gerne nachbarlich kontaktet, dabei aber seinen Kumpel und siebenfachen Familienvater Griesmaier (Peter Lohmeyer), versehentlich natürlich, außer Gefecht setzt. Kurzerhand übernimmt er dessen Chauffeursstelle beim Unternehmensboss Eduard Bieger (klasse-belämmert-zurückhaltend-punktum: Philipp Sonntag). Der Chef der Einkaufswagen-Firma ist soeben von einer monatelangen Kur zurück und muss staunend miterleben, wie seine Tochter gerade dabei ist, das Unternehmen - und sich - an eine windige Finanz-"Heuschrecke" namens Kienze zu verscherbeln, der dann alles gen Asien höchst-profitabel auszulagern gedenkt. Die Menschen, die dabei arbeitslos werden, bezeichnet er zynisch als "emotional baggage - emotionales Gepäck" - Ein glatter Scheißhaus-Macher-, Macker-Typ (prächtig: Tobias Oertel).

Aber da gibt es ja noch den unerschütterlichen Pelzig, der nicht aus der Hektik zu bringen ist und immer "dranbleibt". Außerdem tritt ja auch noch Frau Chantal mit an und auf. Die war einst Wirtschaftsanwältin und ist jetzt Edelhure mit denselben Klienten (Christiane Paul endlich nicht mehr nur als ewig-nettes Grinse-Monster-Girl, sondern als "robust-überzeugendes Klasse(n)-Weib"; dies ist einer ihrer ihrer besten Leinwand-Auftritte überhaupt).

Fazit: Der Narr, der Tölpel, die Nutte und das deutsche Wirtschaftsleben. Barwasser-Pelzig mit viel vortrefflichem Proll- und (Gerhard-)Polt-Charme. Der Kabarettist und Träger des Bayerischen Fernsehpreises verknüpft mit seinem langjährigen Autoren und (Theater-)Regisseur Thomas Heinemann schwergewichtige Themen wie Arbeitslosigkeit, Globalisierung und Aktienmärkte mit dem beißenden Humor einer durchtriebenen Wort- und Spott-Komödie.

Dabei ist der Film keine kabarettistische Nummernrevue, sondern eine klug durchdachte, böse Deutsch-Geschichte mit viel Aktualitäts-Geschmack. Pelzig kommt dabei wie ein zünftiger, unbeirrbarer, wunderbar-sturer Fremdkörper daher, der "die Ungerechtigkeiten" nicht aushalten will, deshalb diese vehement wie störrisch attackiert und hinterfotzig ad absurdum führt. Ein hundsgemein-unanständiger Klage-Film als beeindruckender Werte-Kommentar. Und: Ein hervorragend-beißender Kommentator zur momentanen Stimmungslage im Volk und in der kapitalen Welt. Endlich einmal ein deutscher Film mit rotzkomischem Politblick und tollfrechem Polit-Gefühl. Der Film tut richtig Kopf und Bauch gut!

Elizabeth - Das goldene Königreich
Großbritannien 2007, Regie: Shekkar Kapur, Hauptdarsteller: Cate
Blanchett, Clive Owen, ab zwölf Jahren


Der 62-jährige Shekkar Kapur ist in seinem Heimatland Indien einer der populärsten Schauspieler und Regisseure. Mit seinem Film "Bandit Queen" (1994, der Biografie über die Rebellin und spätere Politikerin Phoolan Devi) fand der Filmemacher internationale Beachtung. "Elizabeth" war 1998 seine erste außer-indische, britische Produktion. Der siebenfach "Oscar"-nominierte Streifen, der letztlich Jenny Shircore für das "Beste Make-Up" die begehrte Trophäe einbrachte, fand weltweit riesigen Anklang beim Publikum und bei der Presse.

Mit "Elizabeth" setzten Kapur und sein Drehbuch-Autor Michael Hirst der Tochter Heinrich VIII. ein filmisches Denkmal: Elizabeth I., die anno 1559 gegen die blutige Re-Katholisierung ihrer Vorgängerin Mary I. ankämpft und eine höfische Verschwörung übersteht. Der Film endete fünf Jahre nach der Krönung; die Königin verkündet, sie sei nun mit Englang vermählt. Die australische Schauspielerin Cate Blanchett begeisterte damals in der Rolle der "coolen Monarchin".

Nun also die Fortsetzung: 27 Jahre nach der Thronbesteigung und der Wiedereinsetzung der protestantischen Konfession in England, anno 1585, ist immer noch keine Ruhe im Reich eingekehrt. Nicht nur ihre in der Verbannung lebende Cousine Maria Stuart, sondern auch der spanische König Philip II. wollen - mit Unterstützung der katholischen Kirche in Rom und ausgestattet mit den Waffen der berüchtigten Inquisition - die protestantische "Ketzerin" zurück in den Schoß des fundamentalistischen Katholizismus zwingen. Doch trotz des (über-)mächtigen spanischen Heeres und seiner die Meere beherrschenden Armada kann die machtbewusste Königin, vor allem dank ihres Vertrauten Sir Francis Walsingham und seiner gescheiten Taktik-Politik, die Angriffe, Attacken der Gegner abwehren.

Fazit: Wie schon im ersten Film ist dies hier keine dröge Geschichtsstunde, vielmehr kommt auch der zweite "Elizabeth"-Film als opulentes Historien- wie Seelen-Spektakel wunderbar ´rüber, fasziniert mit großartigen Motiven "innen wie außen" und besitzt phantastischen Schauwert. Und: Neben den vielen politischen wie kriegerischen Auseinandersetzungen geht es einmal mehr auch um die innere Zerrissenheit der Monarchin, um private, nicht unbedingt verbürgte emotionale Turbulenzen Ihrer Majestät, die nämlich "unstandesgemäß" mit dem nicht-adligen Abenteurer, Seefahrer Sir Walter Raleigh "sympathisiert", um diesen schließlich in die aufnahmebereiten Arme ihrer Lieblingszofe "zu treiben", sozusagen: Die "Königin" kommt vor der "Frau".

Die 38-jährige "Oscar"-Preisträgerin Cate Blanchett (die Katherine Hepburn in "Aviator", "Babel") als in die Jahre gekommene, verhärtete (An-)Führerin ist einmal mehr von charismatischer Sinnlichkeit, Spannung, Größe. Wie sie deren Seelen-Befindlichkeit(en) körpersprachlich, sanft, pikant, selbstbewusst, rüde, hintergründig, ironisch, beherrschend, unbeherrscht, dicht präsentiert, ist von gigantischer Psycho-Spannung. Die Blanchett überzeugt in jedem Moment dieser 115 Klasse-Kino-Minuten, ob in kostbaren Gewändern oder im privaten Outfit.

Dieser zweite "Elizabeth"-Film weiß die Balance zwischen exzellentem, atmosphärischem Kammerspiel und feurigem Historien-Drama bestens auszuloten. Weil auch das Ensemble - hinter der "Chefin" Blanchett - von formidabler Qualität und in bester Spiellaune ist: Clive Owen ("Shoot´ Em up") als Seefahrer-Lover, Geoffrey Rush ("Oscar"-Film "Shine", "Fluch der Karibik 1-3") sowie Rhys Ifans ("Notting Hill") oder Samantha Morton ("Sweet and Lowdown", Woody Allen) als Maria Stuart überzeugen als hervorragende Charakterakteure. "Elizabeth - Das goldene Königreich": Ein stimmungsvolles Cinemascope-Ereignis!
Cate Blanchett vor einem Plakat ihres neuen Films "Elizabeth" in Madrid
Cate Blanchett vor einem Plakat ihres neuen Films "Elizabeth" in Madrid© AP