Spirituelle Selbstverwirklichung von Frauen

Moderation: Tom Grote · 17.07.2007
Dass es bei dem ersten buddhistischen Nonnenkongress auch darum geht, wieder Nonnenorden im tibetischen Buddhismus zuzulassen, diene nur nebensächlich der Gleichberechtigung. Dies meint Carola Roloff, Mitorganisatorin des Kongresses. Eigentlich gehe es darum, Buddhistinnen zu ermöglichen, den "besten Weg zur Erleuchtung" gehen zu können.
Grote: Vom Dalai Lama wird also auf dem ersten Buddhistischen Frauenkongress nichts Geringeres erwartet als eine Grundsatzrede zur Zukunft buddhistischer Nonnen. In Hamburg im Studio ist jetzt Carola Roloff, buddhistische Nonne und so etwas wie die Frauenbeauftragte des Dalai Lama. Guten Tag, Frau Roloff.

Carola Roloff: Guten Tag, Herr Grote.

Grote: Erwarten kann man ja vieles. Wird der Dalai Lama diese Rede auch halten?

Roloff: Ja. Das ist ja ganz offiziell im Besuchsprogramm mit seinem Büro nun lange im Voraus abgesprochen und das steht so im Programm und die wird er sicher halten.

Grote: Wie bindend ist die Rede denn für die tibetischen Buddhisten?

Roloff: Ja, also, wir wissen ja noch nicht genau, was er sagen wird. Der Dalai Lama betont immer wieder, dass er nach buddhistischem Ordensrecht eben nicht eigenmächtig allein eine Entscheidung treffen kann, sondern dass er das nur tun kann, wenn er auch die entsprechende Autorisierung vom Mönchsorden hat. Und da hat es nun eben Evaluationen gegeben, es wurden Rundschreiben ausgesandt an Experten des tibetischen Buddhismus, die wurden befragt, und es gibt ein Komitee und da war die Deadline 10. Juli, und jetzt sind wir natürlich gespannt, was dabei rausgekommen ist und wie weit der Dalai Lama dann sich positionieren kann auf diesem Kongress.

Grote: Also, der Dalai Lama weiß das Ergebnis schon, bloß Sie wissen es noch nicht.

Roloff: Genau.

Grote: Was befürchten denn die Gegner, wenn das welche sind?

Roloff: Obwohl, ich muss immerhin noch dazu sagen, ich glaube nicht, dass es jetzt schon einen ganz fertigen Plan gibt, genau wie man es dann macht. Wir gehen davon aus, dass es eine positive Entscheidung geben wird, und es geht dann aber eben um die Fragen, wie macht man das genau. Und das, denke ich, wird erst dann Ergebnis wirklich des Kongresses sein, dafür haben wir den ja.

Grote: Was befürchten die Gegner? Trotzdem noch mal die Frage.

Roloff: Ja, müsste man sie natürlich selbst fragen, aber ...

Grote: Sie wissen das nicht?

Roloff: Ich vermute, es ist hauptsächlich das Problem, dass sie insgesamt die buddhistische Lehre einige gefährdet sehen, wenn man jetzt Frauen auch zulässt, aber was dagegen spricht, ist eben, dass der Buddha - wie das ja auch in der Anmoderation schon anklang -, dass der Buddha eben selber das zugelassen hat und das war schon vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren, was erstaunlich war für seine Zeit. Und es ist dann eben im Laufe von zwölfhundert Jahren wieder degeneriert, und jetzt wollen wir das eben in den Ländern, wo es das nicht mehr gibt, oder wo es dann zu der Zeit nicht mehr hingekommen ist, wiederbeleben. Also, es geht nicht darum, jetzt irgendwas von Feministinnen neu einzuführen in den tibetischen Buddhismus, sondern wieder an die Wurzeln zurückzugehen und das wieder zu beleben, was vom Buddha selbst zugesagt worden ist.

Grote: Sie sprechen von Degenerierung. Wie ist denn diese Benachteiligung von Frauen im Buddhismus, im tibetischen Buddhismus, muss man ja sagen, entstanden?

Roloff: Ja, wir wissen eben nicht genau, warum die voll ordinierten Nonnen nicht nach Tibet gekommen sind. Der Buddhismus wurde ja dahin so ab dem 7., 8. Jahrhundert überliefert, das ging bis zum 12. Jahrhundert, und es wird eben auch in einigen Referaten auf diesem Kongress zur Sprache kommen, bis wann wir Steininschriften haben, das gibt ... Wahrscheinlich bis zum 12. Jahrhundert wird es eben die Nonnen in Indien gegeben haben. Manche meinen, dass es geographische Gründe hatte, weil es eben so schwer war, über die Berge zu kommen, dass die Frauen dann dort nicht hingehen konnten. Aber es kann auch sein, dass es in Indien dann zu der Zeit nicht mehr so viele gegeben hat.

Ja, und Tibet selber ist eben, wie man weiß, doch sehr patriarchal strukturiert und das ist auch sicher nicht immer so gewesen, aber besonders dann ab dem 17. Jahrhundert, als dann eben vom fünften Dalai Lama aufwärts Politik und Religion sehr eng miteinander verknüpft wurden. Davor haben wir noch viel mehr Biographien von verwirklichten Lehrerinnen in Tibet als in der Zeit danach.

Grote: So richtig verstanden habe ich es aber nicht, warum das jetzt nicht mehr ist, heute. Was ist da passiert?

Roloff: In Tibet selber? Das ist eine schwierige Frage, aber ich denke ... Es hat zwischendurch in Tibet selber auch Versuche gegeben, diese Nonnenordination allein mit Mönchen wieder einzuführen und es wurde dann nachher eben wieder von anderen kritisiert, und ich denke, das passte einfach nicht zu dem Frauenbild, das man hatte, dass sie in die Klöster gehen. Vielleicht, weil es einfach zu wenig Frauen gegeben hat, ich meine, es gab in Tibet so eine, dass eine Ehefrau mehrere Ehemänner hatte. Vielleicht hat es einfach insgesamt in der Population zu wenig Frauen gegeben, dass man nicht wollte, dass die jetzt alle ganz enthusiastisch zölibatär in den Klöstern leben.

Grote: In der "Welt" stand zu lesen, die buddhistische Nonne wäre so etwas wie das ungeliebte Aschenputtel. Sehen Sie das auch so?

Roloff: Das war der "Welt"-Beitrag, nicht? Also, ja ...

Grote: Ist es so?

Roloff: Nein, ich denke, in Tibet, irgendwie hat man die Nonnen schon gern, aber eben nur in dieser doch untergeordneten Position. Es gibt erstaunlicherweise schon Laienfrauen, die ganz normal in einer Beziehung leben aber gleichzeitig Lamas sind, da gibt es schon einige wenige, und die haben sich auch großer Beliebtheit erfreut und haben auch männliche Schüler gehabt. Aber irgendwie in dem Ordensleben wurden sie anscheinend nicht so gern gesehen.

Grote: Vorhin im Beitrag von Mechthild Klein haben wir gehört, dass zum Beispiel buddhistische Nonnen viel mehr Regeln beachten müssen als Männer. Was ist das zum Beispiel?

Roloff: Ja, das geht ja auf die Zeit des Buddha zurück. Das war einfach so, dass zur Zeit der Gründung des Nonnenordens, fünf, sechs Jahre nach der Gründung des Mönchsordens, erst mal die Nonnen pauschal alle Regeln, die bis dahin die Mönche hatten, auch bekommen haben und dann kamen halt viele Extraregeln dazu, zum Beispiel zur Kosmetik, wie man sich richtig anzieht, dass man sich nicht schminken soll und so weiter, und über die Beziehung zwischen Mönchen und Nonnen, die es dann eben eigentlich nicht geben soll und wie dann das Miteinander kombiniert wird, weil eben der Nonnenorden dem Schutz der Mönchsorden unterstellt wurde.

Das muss man immer auf dem Hintergrund der damaligen Zeit sehen in Indien, wo es einfach nicht üblich war, dass eine Frau ohne Schutz des Vaters, des Ehemannes oder des Sohnes und so weiter allein gewesen ist. Und der Buddha hat dann gesagt, die sollen sich nicht zu nah kommen, aber auch nicht zu weit voneinander entfernt sein, damit Männer dann zum Beispiel beim Monsun, wenn die Häuser wegrutschen oder so, helfen können, die Häuser wieder aufzubauen und so weiter. Also, es hat eben doch einen Kontakt gegeben und dieses Zögern hat sicher auch mit diesen ganzen Hintergründen zu tun, weil die Frauen sind ja früher noch in der Wildnis dann umhergezogen, haben unter den Bäumen meditiert und das ist natürlich auch gefährlich gewesen.

Grote: Das klingt aber alles nicht nach Benachteiligung, sondern nach sinnigen Regeln irgendwo.

Roloff: Ja, eben. Und das ist jetzt auch keine, ich sehe das auch nicht als Benachteiligung, wenn man mehr Regeln hat, und, ich glaube, das Gelübde an sich ist im Prinzip das Gleiche und es ist nicht so schwer, diese Mehrregeln zu leben.

Grote: Wenn der Buddhismus trotzdem Frauen in einer gewissen Art und Weise benachteiligt, warum werden Frauen dann überhaupt buddhistische Nonnen?

Roloff: Das ist eine gute Frage, das habe ich mich - zumindest in manchen Ländern - auch gefragt, wie man bei solch einer Rolle, die einem da zugedacht wird, dann überhaupt so einen Schritt macht. Aber Sie müssen das mehr aus der Sicht einer gläubigen Buddhistin sehen. Wenn man halt überzeugt ist, dass dieser spirituelle Weg der beste ist auf dem Weg zur Erleuchtung, zum Nirwana, zur Befreiung aus dem Leid, zur Erlangung von Glück, dann muss man natürlich auch Frauen, die diesen Weg gehen möchten, einfach die Möglichkeit geben, dass sie solch einen Lebensweg wählen können und darum geht es letztlich. Also, diese Gleichberechtigung ist eigentlich eine Nebenerscheinung, sage ich mal. Der Hauptpunkt ist, dass man einfach wieder voll an der Verantwortung für den Buddhismus mit teilhaben will in der Form, wie es auch der Buddha ursprünglich zugedacht hat.

Grote: Und wofür es jetzt auch diesen Kongress am Wochenende gibt.

Roloff: Genau, darum geht es.

Grote: Carola Roloff, buddhistische Nonne und so was wie die Frauenbeauftragte des Dalai Lama. Vielen Dank, Frau Roloff, fürs Gespräch.