Spieltriebe

06.04.2012
Wie in einer Geschichte von Heinrich Böll, engagieren Spanier Statisten, die sich auf Familienfesten als Verwandte ausgeben sollen. In Istanbul verrät ein Gesellschaftsspiel jede Menge über die Lebenseinstellung seiner Bewohner. Wie spielerischer Protest funktioniert, erklären uns Architekten aus Bukarest. Außerdem beschäftigt sich das Neonlicht mit einer Tauschbörse, die Wertigkeit ausschließlich über den Faktor Zeit definiert.
Aus Liebe zum Zufall
Von Luise Sammann
Zwei Würfel, jeweils fünfzehn weiße und schwarze Steine, ein Spielbrett: Das ist Backgammon – Tavla, wie die Türken sagen. Wohl vor mehreren Tausend Jahren erfunden, hat es im Laufe der Jahrhunderte eine ganze Region erobert: Von Griechenland bis Nordafrika ist Backgammon Teil der Kultur. In Istanbul ist es sogar mehr als das. Dort, wo einen das Klickern der Würfel auf Schritt und Tritt begleitet, ist Backgammon Volkssport!

Der Hochzeitsspieler
Von Julia Macher
Braut und Bräutigam haben selig "Ja" gehaucht, die Schwiegereltern ein paar Tränen verdrückt und die Hochzeitsgesellschaft macht sich hungrig über die aufgetischten Leckereien her – eine Hochzeit wie aus dem Bilderbuch, wäre da nicht dieser Gast, der ungefragt Anekdoten aus dem Vorleben der Braut zum Besten gibt. Ein Alptraum? Nicht unbedingt: In Spanien nämlich buchen Hochzeitswillige schon einmal Schauspieler, um die Gesellschaft zu unterhalten.

Alles nur ein Spiel?
Von Annett Müller
In der Innenstadt von Bukarest sind in den vergangenen Jahren bourgeoise Villen und denkmalgeschützte Bauwerke entweder heimlich oder mit Zustimmung der Stadtverwaltung einfach abgerissen worden. Damit entstand wertvolles Bauland für Investoren. Junge Architekten und Kulturschaffenden – haben aus Protest gegen den stetigen Abriss der Altstadt ein Brettspiel namens "Habitat" entwickelt, mit dem man nach Lust und Laune, die Stadt restaurieren aber auch zerstören kann.

Zeit ist Geld
Von Gerd Brendel
Time-Bank nennt sich eine Internet-Plattform deren Erfinder sich nichts Geringeres vorgenommen haben, als ein Gegenmodell zur Geldwirtschaft durchzusetzen. Auch wenn der Kreis der Bankkunden mit knapp 1000 noch nicht für die geldlose Revolution ausreicht. Der Optimismus der Time-Banker in Berlin jedenfalls ist ansteckend.