Spielerei zwischen Ruhe und Explosion

Von Hartwig Tegeler · 16.08.2009
Einige Szenen in Quentin Tarantinos Nazi-Komödie "Inglourious Basterds" sind ruhig und sprachlich elaboriert - bei anderen knallt es.
Ganz leicht, keine Missverständnisse, macht uns "Inglourious Basterds" mit dem ersten Bild klar, wo wir sind. Im Kino-Märchen.

"Es war einmal im von den Nazis besetzten Frankreich" – verkündet eine Schrifttafel, und damit haben wir Sergio Leone mit "Es war einmal im Wilden Westen", wie "Spiel mir das Lied vom Tod" im Original hieß, im Gepäck. Film im Film: Spaghetti-Western, Nazi-Komödie, das französische Melodram. Zeichen, Hinweise, Zitate, die Tarantino-Cineasten aus "Inglourious Basterds" rauspulen werden. Viel Spaß dabei!

"Inglourious Basterds" erzählt vom SS-Offizier (Christoph Waltz), der eine jüdische Familie tötet. Deren einzige Überlebende - eine junge Frau - fasst den Plan, sich in ihrem Kino an der gesamten Naziführungsriege zu rächen. Unterstützt wird sie von einem Killerkommando der Alliierten unter Leitung von Lieutenant Aldo Raine (Brad Pitt).
"Hier will ein Deutscher für sein Vaterland sterben. Tu ihm den Gefallen."

Ziemlich brutale Burschen, die hinter den feindlichen Linien bei den Nazis Terror verbreiten.

"Sie sind Aldo, der Apache. - Wenn du uns kennst, Werner, weißt du, dass wir nicht im Gefangen-Nehmen-Geschäft sind."

Tarantino spielt eine Fantasie durch: Hitler, Goebbels, Göring und die anderen Nazigrößen fliegen in einem Pariser Kino in die Luft, weil jüdische Widerstandskämpfer einen Berg von hochexplosivem Filmmaterial entzünden. Was für ein Hohes Lied auf die Kraft des Kinos!

"Dementsprechend: Ein deutscher Soldat führt eine Haussuchung durch, wo er glaubt, dass sich Juden verstecken."

Der Anfang des Films ist eine halbe Stunde, in der nur geredet wird: An einem Küchentisch sitzen der SS-Offizier und ein französischer Bauer, der im Keller eine jüdische Familie versteckt hat.
"Und er sucht im Stall, er sucht im Keller, er sucht überall, wo er sich verstecken würde."

Wir wissen, dass der SS-Schlächter weiß, dass die Juden unter ihm versteckt sind, dass der französische Bauer weiß, dass der Deutsche weiß – und wir sehen ein dialogisches Duell, das uns das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Eine von mehreren Szenen, die grandios sind und "Inglourious Basterds" wahrscheinlich das Tarantino-Publikum kosten werden, denn diese ruhigen Sequenzen wirken wie Theaterszenen - hat man dem Mann mal Theater angeboten? - beispielsweise, wenn die Widerstandskämpfer Michael Fassbender, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Christian Berkel und die unfassbar schlechte Diane Kruger auf die Nazis August Diehl und Alexander Fehling treffen. Ewiges Reden. Und dann eruptiver Abschluss.

Dieser arhythmische Wechsel zwischen gefährlicher Ruhe und Explosion gibt "Inglourious Basterds" eine aufregende Spannung und macht den Film zur perfekten Kino-Spielerei. Nicht weniger, nicht mehr. "Inglourious Basterds" ist kein politischer, geschweige denn ein politisch-korrekter Film. Dass der Filmemacher uns trotzdem eine formal an Lubitsch ("Sein oder nicht sein") oder Chaplin ("Der große Diktator") erinnernde märchenhafte Farce präsentiert, ist eine große Überraschung.
"Sie sind also Aldo, der Apache. - Du bist als der Judenjäger. Ich bin Detektiv."

Eines hat Quentin Tarantino in jedem Fall bewiesen: Wie gut deutsche Schauspieler sind! Da ist ein wunderbarer Brad Pitt, der mit Verve, Charme, Brutalität, Südstaatenslang und ausgestellter Doofheit seine Rolle aus dem Coen-Film "Burn after reading" in anderem Kostüm einfach weiterspielt. Ein Weltstar!

Aber Christoph Waltz, August Diehl, Alexander Fehling, Christian Berkel, Daniel Brühl und Sylvester Groth – sie können spielend neben Brad Pitt bestehen. Da erzähle ich Ihnen nun wirklich kein Märchen.