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Obamas Rede zur Lage der Nation
Eine Art Abschiedsrede

Bei seiner letzte Rede zur Lage der Nation präsentierte sich US-Präsident Barack Obama als realitätsgestählt. Er verwies auf seine eigenen Leistungen, übte Selbstkritik und ging scharf mit einigen republikanischen Präsidentschaftskandidaten ins Gericht.

Von Marcus Pindur, USA-Korrespondent Deutschlandradio | 13.01.2016
    Obama am Rednerpult, im Hintergrund die Flagge der USA
    "Wir können aber auch nicht jedes Land wieder aufbauen, dass eine Krise durchlebt", sagte Barack Obama bei seiner siebten und letzten Rede zur Lage der Nation. (dpa)
    Die Zeremonie ist die gleiche, wie in den sieben Jahren zuvor - der Anspruch aber ein deutlich anderer. Barack Obama wollte keine Auflistung einer politischen und gesetzgeberischen Agenda vorstellen, wie dies sonst bei den Reden zur Lage der Nation die Regel ist. Der Präsident wollte die letzte große Gelegenheit, die öffentliche Meinung zu bewegen, dazu nutzen, seine Prioritäten auch über seine Präsidentschaft hinaus mit Nachdruck zu vertreten und damit auch das Licht beeinflussen, in dem seine zwei Amtsperioden später gesehen werden sollen. Das große Ganze stand im Vordergrund, nicht das Klein-Klein von einzelnen Projekten.
    "Ich will über unsere Zukunft reden. Wir leben in einer Zeit außerordentlichen Wandels. Und dieser Wandel hat Einfluss darauf, wie wir leben, wie wir arbeiten, Einfluss auf unseren Planeten und unseren Platz auf ihm."
    Obamas Botschaft an seine Landsleute: Man müsse diesen Wandel aktiv gestalten, statt ihn einfach nur abzulehnen oder mit Ressentiments zu reagieren. Das wichtigste Vehikel dazu sei die Bildung. Von der Vorschule bis zum College müssten Kinder unterstützt werden. Amerikaner müssten immer den Zugang zu Bildung haben, um einen gutbezahlten Job zu bekommen.
    "Wir müssen die College-Ausbildung preiswerter machen. Der beste Weg ist, zwei Jahre College für jeden Studenten umsonst zur Verfügung zu stellen. Und ich werde dafür kämpfen, dass dies noch in diesem Jahr passiert."
    Die stärkste Wirtschaft der Welt
    Der Hinweis auf die eigenen Leistungen durfte nicht fehlen. Amerika habe derzeit die stärkste Wirtschaft der Welt. 14 Millionen neue Jobs seien entstanden, die Arbeitslosigkeit halbiert worden. 17 Millionen Menschen hätten eine Krankenversicherung, die vorher keine hatten. Der amerikanische Energiemarkt sei revolutioniert worden, dank der Anschubfinanzierung für erneuerbare Energien vor sieben Jahren.
    "Von Iowa bis Texas ist Windkraft billiger als schmutzige konventionelle Energie. Auf Dächern von Arizona bis New York spart Sonnenenergie den Amerikanern Zig-Millionen von Dollar und schafft Jobs, die überdurchschnittlich bezahlt werden."
    Scharf ging der Präsident mit einigen der republikanischen Präsidentschaftsaspiranten ins Gericht, ohne diese beim Namen zu nennen. Wenn Politiker Muslime beleidigen, dann mache das die USA nicht sicherer. Ein klarer Hinweis an die republikanischen Spitzenreiter Trump, Cruz und Carson. Immer wieder werde es internationale Sicherheitsprobleme geben, doch die würden nicht durch starke Worte gelöst. Amerika dürfe aber auch nicht in eine andere Falle tappen:
    "Wir können aber auch nicht jedes Land übernehmen und wieder aufbauen, dass eine Krise durchlebt. Das ist nicht Führungsstärke, das führt uns in einen Sumpf und schwächt uns. Wir sollten die Lehren aus Vietnam und dem Irak beherzigen."
    Kritik an der politischen Kultur seines Landes
    Zum Schluss fand Obama auch Worte der Selbstkritik – und der Kritik an der politischen Kultur seines Landes. Sein großes Versöhnungsversprechen, mit dem er vor sieben Jahren angetreten war, sei eine Illusion geblieben. Washington sei im Gegenteil tiefer gespalten denn je. Doch das sei weiterhin eine Gefahr für die amerikanische Demokratie.
    "Demokratie kann nicht funktionieren, wenn wir nicht kompromissbereit sind, wenn wir Fakten leugnen und nur auf die hören, mit denen wir übereinstimmen. Das öffentliche Leben kommt zum Erliegen, wenn sich nur die extremen Stimmen durchsetzen. Am wichtigsten ist: Die Demokratie ist gefährdet, wenn normale Leute der Meinung sind, nur die Meinung der Reichen und Mächtigen oder die einzelner Interessengruppen zähle."
    Die Amerikaner erlebten gleichzeitig den optimistischen, idealistischen Obama von 2008 und den realitätsgestählten von 2016. Es war eine Abschiedsrede und der amerikanische Präsident nutzte die Gelegenheit, noch einmal einen großen Bogen zu schlagen.