Spendenkampagne

"Frühromantik nicht denkbar ohne das Frühwerk Goethes"

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Auf 1800 Quadratmetern soll neben dem Goethe-Haus in Frankfurt das Romantikmuseum entstehen. © Frank Rumpenhorst / dpa
Anne Bohnenkamp-Renken im Gespräch mit Britta Bürger · 06.01.2014
Frankfurt bekommt ein Romantikmuseum. Dessen Direktorin Anne Bohnenkamp-Renken verteidigt Frankfurt als Ort für das Museum. Hier sei immerhin die größte Sammlung romantischer Werke - und die Nähe zu Goethes Klassik.
Britta Bürger: Sie beherrscht die Kunst, klare Niederlagen in glänzende Siege zu verwandeln – die Literaturwissenschaftlerin Anne Bohnenkamp-Renken von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wurde gerade als Hochschullehrerin des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts und des Frankfurter Goethe-Hauses ist es nämlich zu verdanken, dass die Stadt nun doch ein neues Romantikmuseum bekommt. Und damit Schönen guten Morgen, Frau Bohnenkamp-Renken! Vermutlich war das Ihr schönstes Weihnachtsgeschenk, oder?
Anne Bohnenkamp-Renken: Guten Morgen, Frau Bürger! Ja, das kann man sicher so sagen.
Bürger: 2013 war ja für Sie eine Berg- und Talfahrt, nachdem die schwarz-grüne Koalition Anfang des Jahres ihr Sparkonzept vorgelegt hatte, dem das geplante Romantikmuseum dann plötzlich zum Opfer fallen sollte. Wie haben Sie damals auf die Absage der Stadt reagiert?
"Wie betäubt" von Absage
Bohnenkamp-Renken: Ich muss sagen, die kam für mich damals sehr überraschend. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, und insofern war ich, wie ich damals, glaube ich, auch gleich gesagt habe, zunächst mal wie betäubt und konnte es nicht so recht glauben. Denn der Plan war ja gemeinsam mit der Stadt entwickelt worden, und ich wusste die Stadt eigentlich an meiner Seite.
Bürger: 16 Millionen Euro waren insgesamt veranschlagt und sollten geviertelt werden zu jeweils vier Millionen vom Bund, dem Land Hessen, der Stadt Frankfurt und eben privaten Spendern. Wie haben Sie es dann geschafft, weitere Spenderinnen und Spender zu mobilisieren?
Bohnenkamp-Renken: Ja, genau, so war der Plan, und wir waren in dem privaten Viertel, was ja vorgesehen war, auch schon relativ weit und mussten jetzt ganz anders in die Offensive gehen, und das war natürlich etwas, was wir gar nicht alleine geschafft hätten, sondern ganz wichtig war, dass es sofort prominente und einflussreiche Fürsprecher gegeben hat, die sich mit vor unseren Karren gespannt haben.
Nicht zuletzt übrigens auch wichtige Persönlichkeiten der Stadt Frankfurt, sodass das Gefühl, dass die Stadt Frankfurt nicht mehr dabei sei, sich relativierte ziemlich rasch. Der Oberbürgermeister Feldmann, die ehemalige Oberbürgermeisterin Roth und Friedrich von Metzler, Ehrenbürger der Stadt Frankfurt, die haben gemeinsam mit dem Hochstift eine Spendenkampagne ins Leben gerufen, und wir haben ganz breit geworben dafür, man möge das Projekt unterstützen, finanziell und ideell, um es nicht sterben zu lassen.
1,8 Millionen fehlen noch
Bürger: Und wie ist der aktuelle Kontostand?
Bohnenkamp-Renken: Es war jetzt Weihnachten, und ich muss gestehen, ich hab jetzt 14 Tage nicht nachgeguckt. Wir waren ungefähr so weit, dass 1,8 Millionen noch fehlten kurz vor Weihnachten.
Bürger: Und bis zum Sommer wird weiter gesammelt. Dann wird die Stadt Frankfurt einspringen, wenn sich keine weiteren Spender finden. Insofern ist das Projekt jetzt tatsächlich gesichert. Mit welchen Argumenten aber sind Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter an die Spender herangetreten? Warum ist das Romantikmuseum so wichtig?
Bohnenkamp-Renken: Es ist einfach eine historische Chance, an dieser Stelle ein solches Museum errichten zu können, das in Deutschland fehlt. Und dass es in Deutschland fehlt, ist etwas, was man gar nicht so sehr in Deutschland wahrgenommen hat bisher, aber was gerade im Ausland etwas ist, was als Desiderat der bundesdeutschen Museumslandschaft spürbar ist.
Bürger: Darum hat das Projekt wohl auch bei den Koalitionsverhandlungen im Bund jetzt eine große Priorität gehabt. Und doch hat zum Beispiel der Publizist Tilman Krause in der Tageszeitung "Die Welt" dazu ziemlich polemisch bemerkt, dass kein wirklich wichtiger Romantiker etwas mit der Stadt Frankfurt am Main zu tun gehabt habe.
Und Goethe, schreibt er, habe Frankfurt bekanntlich als 26-Jähriger den Rücken gekehrt und dann in den verbleibenden 56 Jahren auch nur noch ein einziges Mal besucht. Wenn schon ein Romantikmuseum, dann sei Berlin die richtige Wahl vor Jena und Heidelberg, Leipzig und Dresden, Düsseldorf, München, Bayreuth – nur Frankfurt am Main würde keine große Bedeutung haben in diesem Zusammenhang. Hat er damit nicht recht?
Berechtigung Frankfurts als Ort für das Museum
Bohnenkamp-Renken: Ich habe den Artikel natürlich gelesen, und muss sagen, das war einer von denen, die mich nun überhaupt nicht überzeugt haben, weil das einfach völlig an unserem Projekt vorbeigeht, diese Argumentation. Das Argument, dass Goethe Frankfurt verlassen habe, ist auch eins, was die Frankfurter gern anführen, aber wenn man hinguckt, dann sieht man ja, dass, als Goethe 26 war, hatte er seine Welterfolge, sein Jugendwerk schon geschrieben, und das sind natürlich gerade die Werke, ohne die wir die deutsche Romantik uns gar nicht vorstellen können. Also "Werther", "Goetz", der frühe "Faust" – alles zentrale Werke für die deutsche Romantik.
Und dass es keine wichtigen Romantiker gäbe, die mit Frankfurt in Beziehung stehen, ist auch offensichtlich nicht zutreffend. Also, Clemens Brentano und Bettine von Brentano gehören zu den wichtigsten deutschen Romantikern und haben viel mit Frankfurt zu tun, und es gibt viele andere, die man auch nennen kann. Aber recht hat er natürlich, wenn er sagen will, es gibt andere Orte in Deutschland, die Zentren der romantischen Epoche gewesen sind. Da ist Frankfurt ganz sicher nicht an erster Stelle zu nennen.
Der Grund, warum wir das hier in Frankfurt machen, ist einfach die Sammlung, die bei uns seit über hundert Jahren zusammengetragen worden ist und die eben Dichter und ihre Nachlässe hier in einer Art präsentabel macht, von Novalis, der nun tatsächlich regional nichts mit Frankfurt zu tun hat, bis zu Joseph von Eichendorff, für den man das auch sagen kann. Aber die Papiere von diesen beiden liegen eben in der Sammlung des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Großen Hirschgraben. Und das Argument für Frankfurt ist: Hier ist die Sammlung, hier können wir, hier wollen wir sie zeigen. Und wir haben hier die Nachbarschaft zu Goethe.
Bürger: Frankfurt bekommt ein Romantikmuseum, damit bekommt die Öffentlichkeit Zugang zu diesen Schätzen, die bislang eben nur Forschern und Mitarbeitern des Freien Deutschen Hochstifts vorbehalten waren. Mit dessen Direktorin, Anne Bohnenkamp-Renken, sind wir hier im Gespräch im Deutschlandradio Kultur. Sie haben diesen besonderen kulturellen Schatz jetzt schon ein bisschen umrissen, der da im Depot des Goethe-Hauses lagert, also dem Elternhaus Goethes am großen Hirschgraben, das eben vom Freien Deutschen Hochstift getragen wird. Welche Verbindungslinien, vielleicht können Sie das noch genauer beschreiben, sollte das Romantikmuseum denn herausarbeiten, zwischen Goethes Klassik und den Romantikern? Denn das sind doch zwei sehr unterschiedliche Geistesströmungen.
Goethe zentrales Thema
Bohnenkamp-Renken: Zunächst ist auch noch wichtig, zu wissen, dass diese Idee, am Großen Hirschgraben in Verbindung mit Goethes Elternhaus und dem Goethe-Museum, das wir hier haben, ein Romantikmuseum zu errichten, keineswegs neu ist, sondern dass die schon in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt worden ist, und dass deswegen auch hier diese Sammlung zusammengetragen worden ist in den letzten hundert Jahren.
Die Beziehung zwischen der Klassik und der Romantik ist eben eine sehr spannende, und es ist durchaus nicht so, dass die beiden nichts miteinander zu tun haben. Sie stehen sicher in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander, aber eben auch in einem ganz wichtig sich gegensätzlich befruchtenden, in einem dialogischen Verhältnis.
Und in der Forschung ist in den letzten Jahrzehnten das sehr klar herausgearbeitet worden, dass die traditionelle Vorstellung, hier die Klassik und dort die Romantik und womöglich sogar noch erst die Klassik und dann die Romantik, dass das einfach so nicht haltbar ist. Und das genau ist die Herausforderung, dass wir das hier zeigen wollen. Und, um das ganz konkret zu machen: Man kann damit anfangen, dass die Frühromantik – Novalis, Schlegel, Tieck –, dass die gar nicht denkbar wäre ohne das Frühwerk Goethes, also das Werk des Frankfurter Goethe, und wie vielfältig sie darauf reagieren.
Und dann kann man weiter ausführen, wie sich das Verhältnis zwischen Goethe und den Frühromantikern und dann den mittleren Romantikern entwickelt, das ist die Beziehung zwischen Bettine von Arnim und Goethe ist ein zentrales Frankfurter Thema, ein zentrales Thema zwischen Klassik und Romantik. Und schließlich ist es ja so, dass der späte Goethe, der den "Faust II" schreibt und damit sein Frühwerk, also den "Ur-Faust", den er ja schon in Frankfurt entwickelt hat, tatsächlich noch zu einem Abschluss bringt, dass er dort reagiert auf die produktive Rezeption seines "Faust" in der europäischen Romantik. Ich nehme mal Byron heraus; Byron hat Dramen geschrieben, die unmittelbar auf Goethes Faust reagieren, und Goethes "Faust II" reagiert dann wiederum auf den romantischen Autor Byron.
Und genauso hat Goethe nicht nur die englischen Romantiker, sondern die französischen Romantiker und auch die polnische und russische Literatur dieser Zeit wahrgenommen und hat es ausgesprochen wichtig gefunden, mit diesen Romantikern in ein produktives Verhältnis zu treten. Und das ist auch etwas, was wir hier zum Thema machen wollen.
Synergien zwischen Goethe-Haus und Romantikmuseum geplant
Bürger: Das Romantikmuseum soll ja unmittelbar neben dem Goethe-Haus am Großen Hirschgraben entstehen. Geplant sind 1.800 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Dafür wird es einen Architektenwettbewerb geben, der das ganze Areal umgestalten soll. Das Nebengebäude wird abgerissen. Was für einen Neubau stellen Sie sich vor? Wie könnte sich das ganz Areal verändern?
Bohnenkamp-Renken: Dieses Areal sollte, wenn das so gelingt, wie ich mir das wünsche und wie wir uns das in Frankfurt wünschen, zu einem kulturellen Magnet, zu einem ganz besonderen Ort der Kultur werden. Nicht nur durch das neue Romantikmuseum, sondern auch durch das Theater, das dort angesiedelt werden soll, und vielleicht auch noch weitere kulturelle Einrichtungen. Das ist ein großes Areal, und es ist nicht so, dass das Romantikmuseum das ganz benötigt für seine Pläne.
Bürger: Im Gespräch sind, glaube ich, die Akademie für Deutsche Sprache und Dichtung?
Bohnenkamp-Renken: Das ist im Gespräch, und das fände ich natürlich sehr attraktiv, keine Frage. Aber was ich mir jetzt besonders fürs Romantikmuseum vorstelle, ist, das Areal von Goethe-Haus und Goethe-Gärten zu erschließen hilft. Denn das ist im Augenblick im Grunde in einer Hinterhofsituation, in der man gar keine Chance hat, das von hinten richtig wahrzunehmen.
Und es ist auch so, dass die Zugangssituation zum Goethe-Haus ganz unbefriedigend gelöst ist zurzeit. Das heißt, wir erwarten wirklich eine Neupräsentation auch des Goethe-Hauses und seiner Gärten durch dieses sich dann als Nachbargebäude dort anschließende Romantikmuseum.
Bürger: 2018 kursiert als Eröffnungsjahr. Ist das mehr als ein romantischer Traum?
Bohnenkamp-Renken: Tja, da bin ich natürlich vorsichtig nach den Erfahrungen des letzten Jahres. Also, es ist im Augenblick der Plan.
Bürger: Das künftige Romantikmuseum in Frankfurt am Main – im Kopf von Anne Bohnenkamp-Renken hat es bereits Konturen. Am 24. März wird die Vorkämpferin dieses Projekts für ihr Engagement als Hochschullehrerin des Jahres 2013 ausgezeichnet. Frau Bohnenkamp-Renken, herzlichen Dank fürs Gespräch!
Bohnenkamp-Renken: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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