Speisen in China: Hund, Katze, Maus

Ein Markt in China - zum Verkauf und Verzehr wird in dem Land auch Hunde- und Katzenfleisch geboten.
Ein Markt in China - zum Verkauf und Verzehr wird in dem Land auch Hunde- und Katzenfleisch geboten. © Karin Willen
Von Udo Pollmer · 04.01.2009
Wenn wir zum "Chinesen" essen gehen, dann gibt es fast immer die gleiche Speisekarte. Meistenteils Soßenvarianten wahlweise mit Rind, Schwein, Huhn und Ente. Dazu Gemüse und Reis. In China würde man solche Restaurants wohl eher belächeln. Über die traditionelle chinesische Küche heißt es, dort würde alles zubereitet, was Beine hat und kein Tisch ist.
Wie darf ich mir das in der Praxis vorstellen? In der Tat genießen die Verbraucher dort so ziemlich alles, was essbar ist - also nicht nur Hund, Katze, Maus sondern auch Insekten wie Seidenraupenmaden oder Skorpione, die in industriellen Mastanlagen erzeugt werden. Dazu kommen Quallen, Frösche und Schlangen: Insgesamt ein Zeichen für ein Land, dessen Geschichte vom Hunger geprägt ist. Das Einzige, was die vielen unterschiedlichen Regionalküchen gemeinsam haben: Es gibt praktisch keine Rezepte mit Milch. Denn außer den Angehörigen von ein paar Nomadenvölkern vertragen die Erwachsenen keinen Milchzucker.

Bleiben wir lieber bei den uns bekannten Fleischsorten - die sind ja recht zart und schmackhaft: Das geschnetzelte Fleisch wird zunächst in Stärke gewendet - und danach im Wok in heißem Fett kurz gebraten. Durch die dünne Panade bleibt es saftiger, und es bilden sich zusätzlich ein paar Aroma gebende Röststoffe. Das Verfahren ist optimal für zartes und saftiges Fleisch. Bei einem zähen Fleischstück ist das sogenannte Rotköcheln angesagt. Das wird dann stundenlang in einer Mischung aus Wasser und Sojasoße auf niedrigster Flamme geköchelt. So wird auch zähes Fleisch weich. Das ausgelutschte Aroma wird durch das Glutamat aus der Sojasoße ersetzt, und die Farbstoffe der Soße verleihen dem Fleisch einen freundlichen rotbraunen Teint, daher der Name Rotköcheln.

Natürlich darf der Reis nicht fehlen - der ja entgegen unseren Vorlieben klebrig ist. Was macht den Unterschied zum körnigen Reis? Klebriger Reis macht schneller satt - sofern man ihn mit Stäbchen isst. Das ist auch der Grund, warum auch Fleisch und Gemüse stets zerkleinert serviert wird - bei Tisch gibt’s keine Messer. Der Reis hat aber im Gegensatz zu anderen Getreidearten einen weiteren Vorteil. Er verträgt sich mit den hohen Gehalten an Glutamat in der Sojasoße.

Das klingt etwas merkwürdig. Warum das denn? Glutamat verursacht bei vielen Menschen - vorzugsweise europäischer Abstammung - in höherer Dosis das sogenannte China-Restaurant-Syndrom. Die bekommen dann Kopfschmerzen, Hitzewallungen oder Verspannungen im Nacken. Bei gleichzeitigem Verzehr von Reis bleiben diese Effekte aus. Das ließ sich auch biochemisch bestätigen. Zusammen mit Reis unterbleibt der schnelle Übergang der Glutaminsäure ins Blut. Die Sojasoße ist der gemeinsame Nenner der chinesischen Küche und das Geheimnis ihres internationalen Erfolges. Denn sie stimuliert dank des Glutamates den Appetit. Darüber hinaus liefert sie weitere stimmungsbeeinflussende Stoffe wie zum Beispiel ß-Carboline und Harmane. Sie sind in ungewöhnlich hoher Dosis darin enthalten.

Was sind ß-Carboline und Harmane? Sie wirken so wie populäre Psychopharmaka (Benzodiazepine). Harmane sind auch für die Wirkung einiger Drogen wie Ayahuasca verantwortlich, sie sind daneben ein wichtiger Bestandteil des Tabakrauches. ß-Carboline und Harmane entstehen bei bestimmten Fermentations- und Kochprozessen. Das Rotköcheln des Fleisches mit Sojasoße bietet ideale Voraussetzungen für die Bildung weiterer Stoffe dieser Art. Deshalb schmeckt das.

Lassen wir einmal die fleischlichen Drogen beiseite: Vegetarische Gerichte schmecken beim Chinesen vorzüglich und vor allem frischer? Der Frischeeindruck kommt von der Art des Kochens. Im Wok wird nur die Oberfläche gebraten, während das Innere fest bleibt. Oder das Gemüse wird blanchiert und vor dem Kochen aus dem Wasser genommen. Das Kochwasser wird übrigens verworfen. Dadurch ist das Ergebnis knackiger. Für den Geschmack allerdings sorgt der stets zugesetzte Zucker und die Sojasoße, die ja einen gewissen Fleischgeschmack ins Gericht bringt. Wichtig sind für vegetarische Gerichte die Shiitake-Pilze. Die Trockenpilze werden erst mal eingeweicht und das Weichwasser grundsätzlich mit verwendet. Denn sie verleihen dem Gericht einen typischen Fleischgeschmack - womit die chinesische Küche den Geschmack hiesiger Vegetarier genau trifft.

Literatur:
Miralles A et al: High-affinity binding of ß-carbolines to imidazoline I2B receptors and MAO-A in rat tissues. European Journal of Pharmacology 2005; 518: 234-242
Farzin D, Mansouri N: Antidepressant-like effect of harmane and other ß-carbolines in the mouse forced swim test. European Neuropsychopharmacology 2006; 16: 324-328
Rönner B et al: Formation of Tetrahydro-ß-carbolines and ß-Carbolines during the reaction of L-tryptophan with D-glucose. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2000; 48: 2111-2116
Diem S, Herderich M: Reaction of tryptophan with carbohydrates: identfication and quantitative determination of novel ß-carboline alkaloids in foods. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2001; 49: 2486-2492