Speerspitze im Kalten Krieg

Von Jochen Stöckmann · 17.04.2006
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges 1947 wurde das Informationsbüro der kommunistischen Parteien - Kominform gegründet. Mit dem von Moskau dominierten Zusammenschluss aller kommunistischen Parteien reagierte Josef Stalin auf den Marshallplan und die sich damit abzeichnende Annäherung Westeuropas an die USA. Am 17. April 1956 wurde das Kominform aufgelöst, nachdem sich die Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow von der Zwei-Lager-Theorie verabschiedet hatte.
"Das im Jahre 1947 gegründete Informationsbüro der kommunistischen und Arbeiterparteien spielte eine positive Rolle bei der Beseitigung der nach der Auflösung der Komintern entstandenen Isolierung zwischen den kommunistischen Parteien. Das Heraustreten des Sozialismus aus dem Rahmen eines Landes und seine Umwandlung in ein Weltsystem sowie die Bildung einer umfassenden 'Zone des Friedens' haben neue Bedingungen für die Tätigkeit der kommunistischen und Arbeiterparteien geschaffen. Diesen neuen Bedingungen entspricht das Kominform nicht mehr."

Kaum jemand nahm am 17. April 1956 Notiz von einer Verlautbarung, mit der die in Bukarest erscheinende Zeitung "Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie", das Presseorgan des Kominform, die Auflösung dieser Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Internationale verkündete. Meldungen über die Gründung des Kominform dagegen waren Anfang Oktober 1947 in der westlichen Öffentlichkeit noch eingeschlagen wie eine Bombe. Mit dem strikten, von Moskau dominierten Zusammenschluss aller kommunistischen Parteien hatte Stalin auf den Marshallplan reagiert. Die USA setzten Milliardenkredite ein, um die Marktwirtschaft und damit auch Demokratie zu fördern. Gegen diese Politik sollten die westeuropäischen Kommunisten den Klassenkampf anheizen und die Massen für den Umsturz gewinnen.

Palmiro Togliatti und Jacques Duclos, Führer der kommunistischen Parteien Italiens und Frankreichs, durften sich nicht mehr mit der demokratischen Opposition begnügen oder gar auf eine Regierungsbeteiligung spekulieren. Das Kominform verordnete einen harten Konfrontationskurs mit gewaltsamen Demonstrationen, Streiks und sogar paramilitärischen Sabotage-Aktionen. Erst 1994 konnte der russische Historiker Grant Adibekov im Moskauer Staatsarchiv rekonstruieren, wie der Komintern-Chef Andrej Schdanow diese Direktiven Stalins durchsetzte. In einem Protokoll heißt es 1947:

"Schdanow sagte, das einzige Ziel sei die Vernichtung der kapitalistischen Wirtschaft. Er bestand auf der Notwendigkeit, jeglicher Stabilisierung der Regierung entgegenzuwirken. In Zukunft soll ein Informationsbüro in Belgrad neue Methoden der Propaganda und Opposition vorbereiten. Dort werden Mitteilungen über Stoßtrupps und Kaderschulen, über die Verteilung und Einrichtung von Waffenlagern zusammenlaufen. Paris und Rom können ihre Vorschläge machen, müssen sich jedoch mit den Beschlüssen des Belgrader Büros zufrieden geben."

Unter Sozialdemokraten und Gewerkschaftern wurde diese Strategie bald ruchbar – und traf auf energische Gegenwehr. etwa in der Rede eines Vertreters der niederländischen Gewerkschaft im Oktober 1950 auf der Internationalen Kundgebung des Berliner DGB im Olympiastadion:

"Der Marshallplan beabsichtigt, Europa wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Der Gang der Ereignisse hat die freie Weltmeinung veranlasst, sich gegen die kommunistischen Parteien zu wenden, die nichts anderes sind als Zweigstellen der Kominform. Der Vormarsch des Kommunismus in Westeuropa ist zum Stillstand gebracht worden, die Wahlergebnisse beweisen es. Kameraden, gerade im Zusammenhang mit dieser Entwicklung versucht die Kominform auf andere Weise ihr Ziel zu erreichen."

Zu dieser verdeckten Strategie des Kominform zählte auch der rücksichtslose Umgang mit den eigenen Genossen. Das zeigte sich 1949, als Stalin seinen Rivalen Tito zum Todfeind erklären ließ. Über Jugoslawien wurde ein totaler Wirtschaftsboykott verhängt, die KP-Führung in Belgrad vom Kominform als Bande von "Mördern und Spionen" hingestellt.

Nach Stalins Tod und im "Tauwetter" des XX. Parteitags der KPdSU aber änderte sich der Kurs grundlegend. Unter Chruschtschow nahm die Sowjetunion Abschied von der Zwei-Lager-Theorie, im Kominform durften parlamentarische Möglichkeiten zur Erringung der Macht in westlichen Ländern zumindest erwogen werden, der jugoslawische Weg zum Sozialismus war nicht mehr tabu. Damit hatte die Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Internationale ihre Funktion als Speerspitze im Kalten Krieg verloren. Von Interesse blieben die Kominform-Direktiven nur noch für das deutsche Bundesverfassungsgericht: Die Juristen in den roten Roben beriefen sich in ihrer Urteilsbegründung zum Verbot der KPD im August 1956 – Monate nach dem Ende des Kominform, Jahre nach Stalins Tod – auf eine Entschließung des Parteivorstandes, in der die deutschen Kommunisten 1948 auf Weisung Moskaus dem friedlichen Weg zum Sozialismus abgeschworen hatten.