Spedition im Coronamodus

Wenn der Kredit nicht kommt, ist es schnell aus

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Das Foto zeigt eine leere Autobahn, auf der ein einzelner Lkw unterwegs ist.
Auch Speditionen haben in der Coronakrise zu kämpfen. Jeder Auftrag ist derzeit Gold wert. © picture alliance / dpa / Andreas Franke
Von Gerhard Schröder · 22.04.2020
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Die Spedition Lange und Töchter hatte gerade eine neue Lagerhalle gebaut, da kam Corona. Jetzt kämpft das Unternehmen gegen das Virus und Dumpingangebote anderer Speditionen. Die Hoffnung der Firmenchefin liegt auf: Zusammenhalt.
"Wir stehen hier auf dem neuen Firmengelände."
Romy Lange zeigt auf die langgezogene Lagerhalle vor ihr. 3000 Quadratmeter ist sie groß, strahlend weiß, daneben, in Weinrot gehalten, der Verwaltungstrakt und die Werkstatt. Davor ein großräumiger Parkplatz für die Lastwagen der Spedition Lange und Töchter in Brandenburg an der Havel, 80 Kilometer westlich von Berlin.
"Im Dezember letzten Jahres waren wir fertig. Wir hatten eine super Baustelle, tollen Umgangston, tolle Firmen, zuverlässige Firmen. Wir sind sehr glücklich, muss ich sagen."

24 Beschäftigte, 18 Lastwagen

Romy Lange steckt sich eine Zigarette an, atmet tief ein. 44 Jahre ist sie alt, vor fünf Jahren hat sie die Firma von ihrem Vater übernommen. 24 Beschäftigte, 18 Lastwagen, die vor allem für Autozulieferer in Süddeutschland, Baustofffirmen und Lebensmittelmärkte unterwegs sind. Aber allein auf das Transportgeschäft wollte sich die junge Firmenchefin nicht mehr verlassen.
Das Foto zeigt die Firmenchefin Romy Lange von der Spedition Lange und Töchter vor einem Lkw im Hof des Unternehmens.
Firmenchefin Romy Lange setzt in der Krise auf die Loyalität ihrer Mitarbeiter.© Deutschlandradio / Gerhard Schröder
Also hat sie groß investiert, in die neue Lagerhalle mit modernen Rampen. Und viel Platz, um Waren für ihre Kunden einzulagern. Eine Investition in die Zukunft sollte es sein. Auch die Banken waren angetan von der Idee, und gaben bereitwillig Kredite. Doch dann kam die Coronakrise.
Romy Lange öffnet die Tür zur Lagerhalle, und blickt auf 3000 Quadratmeter gähnende Leere.
"Hier sollte für einen Kunden Ware eingelagert werden, die dann von hier direkt in die Zustellung geht. Aber der Kunde ist halt auch auf Kurzarbeit und produziert nicht und braucht daher auch kein Lager."

Die Hälfte der Aufträge bricht weg

Romy Lange sagt das mit erstaunlicher Gelassenheit. Dabei hat die Coronakrise die Brandenburger Speditionsfirma in eine existenzielle Krise gestürzt. Die Aufträge brachen um 50 Prozent ein, die Hälfte der Belegschaft wurde in Kurzarbeit geschickt:
"Wir werden auch nicht darum herumkommen, einen Kredit in Anspruch zu nehmen, um den Betrieb am Leben zu erhalten. Wir haben jetzt schon 180.000 Euro Steuerstundungen in Anspruch genommen. Und wenn wir die Stundung nicht bekommen hätten und auch der der Kredit nicht in Aussicht sein würde, dann wäre es definitiv existenzbedrohend. Das könnte man nicht decken."
Wir gehen in die Werkstatt, auch hier ist derzeit nicht viel zu tun. Zeit für kleine Reparaturen und Reifenwechsel.
Enrico Janke fährt den Wagenheber unter einen 40-Tonner, hebt das Monstrum an und löst die Radmuttern. Janke ist eigentlich Disponent im Büro, ein stämmiger Typ mit streichholzkurzen Haaren. Aber er packt auch in der Werkstatt mit an, wenn Not am Mann ist. Gemeinsam mit Rene, dem Fahrer, zerrt er den 130 Kilo schweren Reifen von der Achse.

Fahrer harren in Kurzarbeit aus

Die Fahrer trifft die Krise besonders hart. Jetzt geht es erstmal zwei Wochen in Kurzarbeit. Das bedeutet, nur 60 Prozent Lohn. Und auch die Spesen fallen weg, die im Monat 500 Euro ausmachen. Das tut schon weh, sagt Rene, aber besser als Arbeitslosigkeit sei es allemal:
"Hartz 4 ist ja noch weniger. Kurzarbeit ist besser als arbeitslos. So lange ich meine Miete zahlen kann, ist alles im grünen Bereich."
Bislang hat Firmenchefin Romy Lange niemanden entlassen müssen. Und sie hofft, dass das auch so bleiben wird. Aber einfach wird das nicht.
"Wenn man das hier sieht, 920 Kilometer, 850 Euro, absolut nicht kostendeckend."
Enrico Janke sitzt vor seinem Computer, schräg gegenüber von Firmenchefin Romy Lange. Er hat die Frachtenbörse Timocom aufgerufen, dort stellen Produzenten, Handelsunternehmen und Spediteure ihre Aufträge ein. Und das immer häufiger zu Preisen, die Janke schlicht kriminell nennt:
"Das ist absoluter Wahnsinn. Solche Verbrecher müssen vom Markt genommen werden, Nichts anderes kann man dazu sagen. Das sind Verbrecher."

Dumpingangebote zerstören den Markt

Ein Euro bis ein Euro 30 muss er bekommen pro Kilometer, damit sich eine Fahrt lohnt, kalkuliert Enrico Janke. Doch mittlerweile seien 60 oder 70 Cent pro Kilometer keine Seltenheit. Dumping-Preise, die die Branche kaputtmachen:
"Es ist momentan ein absoluter Überlebenskampf, und ich denke auch, dass es weniger Deutsche sind, die das noch fahren. Mehr die Osteuropäer, und da steht auf dem Lohnzettel nach vier Wochen Arbeit 695 Euro drauf."
Erst die Coronakrise, jetzt noch der ruinöse Preiskampf, das macht die Lage schwierig. Gerade für eine kleine Firma wie Lange und Töchter, die gerade eine Millioneninvestition getätigt hat.
Trotzdem bleibt Firmenchefin Romy Lange zuversichtlich. "Wir sind ein Familienunternehmen", sagt sie. Da rücken alle eng zusammen, wenn es hart auf hart kommt:
"Wir haben ein ganz tolles Team, die halten zusammen und ziehen alle in eine Richtung. Das ist sehr wichtig. Und sie stehen alle hinter dem Unternehmen. Und das ist toll."
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