SPD will Linkspartei "überflüssig" machen

Moderation: Hanns Ostermann · 11.03.2008
Klaus Uwe Benneter hat sich hinter den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck gestellt. Da die dogmatische Ausgrenzung der Linken keinen Sinn mache, müsse man sich inhaltlich mit der Partei auseinandersetzen, sagte der ehemalige SPD-Generalsekretär. Zugleich räumte Benneter ein: "Es gibt die Linke, weil wir in den Augen der Wähler versagt haben."
Hanns Ostermann: War es gestern "der" Befreiungsschlag des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck? Eins jedenfalls machte er deutlich, als er nach krankheitsbedingter Pause vor die Öffentlichkeit trat: er lenkt wieder die Geschicke seiner Partei. Er übernimmt die Führung in einer Zeit, in der ein erbitterter Richtungsstreit über den Umgang mit der Linkspartei den Sozialdemokraten erheblich zu schaffen macht. Ein kleiner Parteitag Ende Mai soll jetzt beraten, wie es weitergeht mit der SPD und der Linkspartei. – Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist der frühere Generalsekretär der SPD, der Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter. Guten Morgen Herr Benneter!

Klaus Uwe Benneter: Guten Morgen Herr Ostermann.

Ostermann: Hätte die SPD nicht viel mehr gewonnen, wenn sie diese Konferenz schon früher angesetzt hätte? Denn das Fünf-Parteien-System, das zeichnet sich doch längst ab.

Benneter: Nun gut, dieser Zukunftskonvent wird sich nicht ausschließlich mit dem Verhältnis der SPD zur Linkspartei beschäftigen. Der war ja längst angesetzt als Zukunftskonvent. Mit den Zukunftsfragen soll er sich breit auseinandersetzen. Insofern ist das ein Thema mehr.

Ostermann: Gleichwohl ist ja die Frage, wie sich Kurt Beck gestern geschlagen hat, und da fallen die Stimmen heute völlig unterschiedlich aus. Er hat ja eine Herkules-Arbeit vor sich. Wie würden Sie seine Chancen einsetzen, die SPD zu befrieden?

Benneter: Er hat gestern den Versuch unternommen darzulegen, warum es zu diesem Strategiewechsel gekommen ist und dass wir uns jetzt inhaltlich mit der Linkspartei auseinandersetzen werden und auseinandersetzen müssen. Das denke ich, wird ganz breit in der SPD auch so gesehen.

Ostermann: Die Linkspartei profitiert nicht zuletzt von Hartz IV und den Fehlern der Reformagenda. Aus dieser Konstellation heraus jedenfalls hat sie erheblichen Zulauf. Sehen Sie eigentlich eine Chance, diese Reform-Agenda – sie feiert demnächst fünfjährigen Geburtstag – auf den Prüfstand zu stellen?

Benneter: Die steht die ganze Zeit auf dem Prüfstand, und zwar vom ersten Tag an ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass das natürlich ein Experiment ist. Wir haben in der Sozialpolitik, in der Sozialversicherung noch nie so viel umgebaut gehabt wie vor diesem Vorgang. Insofern haben wir immer deutlich gemacht, dass hier immer genau und ganz eng darauf geachtet werden muss, dass das auch wirklich so wirkt wie wir uns das vorstellen. Da ist eben das Fördern und Fordern angelegt und beides greift dort ineinander. Es geht darum, die Menschen in ihren Chancen zu stärken, in ihrer Teilhabe, und nicht so wie die Linkspartei sie nur als Opfer zu sehen und hier mit Klassenkampf-Rhetorik meint, heute noch agieren zu können. Das ist der Unterschied und genau hier müssen wir als SPD auch deutlich machen, dass die Agenda 2010 ein Projekt war, was bis zum Jahre 2010 uns wieder international in die Lage versetzen soll, mitmischen zu können. Und nach fünf Jahren sehen wir ja jetzt die Erfolge!

Ostermann: Aber warum, Herr Benneter, kommt diese Botschaft beim Wähler der Linkspartei nicht an?

Benneter: Die Linkspartei ist ja, wenn Sie so wollen, eine Gegengründung gegen die Politik der SPD. Während die PDS noch eine seriöse Regionalpartei im Osten war, ist sie ja dann mit all denen zusammengegangen, die Rache üben wollten oder die sich hier nicht mehr bei der SPD vertreten sahen, die eben ausschließlich den Slogan hatten "Hartz IV muss weg". Mit denen haben sie sich zusammengetan und nun bilden sie unter der Führung von Oskar Lafontaine die Linkspartei.

Wir müssen jetzt deutlich machen, dass das nicht reicht, um Deutschland zukunftsfähig aufzustellen, insbesondere natürlich nicht auf der Bundesebene. Da merken wir ja: auch im Bundestag sind wir immer für die Linkspartei der Hauptangriffspunkt, der Hauptgegner. Solange das noch der Fall ist, solange wird es da natürlich auch keine weiteren Schnittmengen geben.

Ostermann: Gerechtigkeit, Solidarität, mit diesen Werten wirbt ja Ihre Partei nicht zuletzt. Aber wie wichtig ist es in dieser Hinsicht, das Profil weiter zu schärfen? Verteilungsgerechtigkeit, daran nehmen ja viele Menschen Anstoß.

Benneter: Ja gut, aber wir weisen darauf hin, dass es nicht ausreicht, sich hier nur auf Verteilungsgerechtigkeit zu konzentrieren, sondern heute es darum gehen muss, Chancengerechtigkeit zu schaffen, das heißt, die Menschen in die Lage zu versetzen, dass sie wirklich ihre eigenen Fähigkeiten, ihre eigenen Talente entwickeln können. Darum muss es uns gehen und deshalb eben auch der Fokus immer wieder auf die Bildungspolitik, auf die Kinderbetreuungspolitik, auf die Familienpolitik, um hier wirklich vom ersten Moment an den Kindern, den Säuglingen, wenn Sie so wollen, alle Chancen mit auf den Weg geben zu können und zu geben und genau dort den Ausgleich herzustellen.

Ostermann: Prominente Sozialdemokraten wie Wolfgang Thierse oder Johano Strasser plädieren jetzt für eine Zusammenarbeit mit der Linken. Teilen Sie deren Einschätzung, dass eine dogmatische Verweigerung des Dialogs Ihrer Partei geschadet hat?

Benneter: Ich glaube, da würde man Wolfgang Thierse und Johano Strasser Unrecht tun, wenn man da einfach sagen würde, die plädieren für eine Zusammenarbeit mit der Linken. Was sie richtigerweise machen ist, dass es hier keinen Sinn mehr macht, diese dogmatische Ausgrenzung zu betreiben. Das hat sich ja jetzt auch in Hessen gezeigt. Das war der falsche strategische Ansatz. Wir müssen jetzt die inhaltliche Auseinandersetzung suchen und wir haben ja durchaus eine gemeinsame historische Tradition. Wir haben in Europa vergleichbare Entwicklungen, die völlig unterschiedlich laufen – ob das in Italien oder in den Niederlanden oder in Schweden ist. All dies denke ich müssen wir jetzt in unsere Konzeption mit einbeziehen und müssen auch deutlich machen, dass die Linkspartei hier wirklich ein Gegner ist, den wir überflüssig machen müssen und auch überflüssig machen können, wenn wir die richtigen Politikkonzepte haben. Warum es die Linke gibt, das ist, weil offensichtlich wir in den Augen etlicher Wählerinnen und Wähler versagt haben. Dieses vermeintliche Versagen, das ist deren Existenzberechtigung. Insofern müssen wir alles daran setzen, mit unserer Politik allen Wählerinnen und Wählern deutlich zu machen, dass es hier nicht um ein Versagen geht, sondern um ein Aufstellen unserer sozialdemokratischen Idee für die Zukunft und für die Zeiten, in denen wir heute leben, und nicht in den rückwärts gewandten 60er, 70er, 80er Jahren.

Ostermann: Herr Benneter, die Grabenkämpfe in der SPD kennen Sie viel besser als ich. Glauben Sie denn jetzt, dass Kurt Beck diese Moderatorenrolle wirklich ausfüllen kann?

Benneter: Ich würde das jetzt hier nicht auf eine Person reduzieren wollen. Wir alle sind aufgerufen. Wir alle sind ja nun mit dieser Entwicklung etwas überrascht worden. Jetzt sind wir alle aufgerufen!

Ostermann: Aber der Vorsitzende spielt doch eine entscheidende Rolle?

Benneter: Ja sicher und da hat er ja auch gestern deutlich gemacht, dass er diese entscheidende Rolle weiter zu spielen gedenkt und wahrzunehmen gedenkt. Er hat ja auch darauf hingewiesen, dass er dies gemeinsam im Team tun wird. Deshalb denke ich, dass wir, wenn wir alle uns darüber klar werden, dass wir die inhaltliche Auseinandersetzung jetzt suchen müssen, insbesondere auch deutlich machen müssen, dass unsere Außen- und Sicherheitspolitik die entscheidende Friedenspolitik heute ist. Die Linke lehnt hier den EU-Verfassungsvertrag ab und gerade unsere Einbettung in Europa, das ist eine ganz wesentliche Basis für den Frieden in Europa und auch für die Zukunft des Friedens in Europa. Auch unsere Eingebundenheit in internationale Aufgaben, in die internationale Gemeinschaft, auch das ist ein ganz wesentliches Friedensmoment, was von den Linken abgelehnt wird. Das ist ja auch der Grund, warum es jedenfalls auf absehbare Zeit mit der Linken auf Bundesebene auf keinen Fall gehen wird.