SPD-Politikerin fordert "Transparenz" bei Arzneimittelpreisen

Elke Ferner im Gespräch mit Marietta Schwarz · 09.05.2012
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Elke Ferner, lehnt die von der CDU angestrebte Änderung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes ab. "Was jetzt überhaupt nicht geht, ist, wenn Preise zwischen Pharmaindustrie und den Kassen ausverhandelt sind, dass das im Dunkeln bleibt", sagte Ferner.
Marietta Schwarz: Die Union im Bundestag und die Pharma-Lobby, offensichtlich sind sie einer Meinung, wenn es um Rabatte für Medikamente geht. Die werden zwar zwischen Kassen und Pharma-Industrie ausgehandelt, sollen aber zukünftig geheim gehalten werden.

Publik wurde das, während das von der schwarz-gelben Koalition beschlossenen sogenannten Arzneimittelneuverordnungsgesetz auf einen ersten Verhandlungsabschluss zusteuert. Worum es konkret geht, Gerhard Schröder über das Arzneimittelneuverordnungsgesetz erklärt Gerhard Schröder aus unserem Hauptstadtstudio (MP3-Audio).

Soweit der Bericht von Gerhard Schröder, und am Telefon ist jetzt Elke Ferner, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Frau Ferner!

Elke Ferner: Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Ja, Frau Ferner, die Opposition ist mit dem Vorhaben nicht einverstanden, es scheint Ihnen dann aber doch nicht so wichtig gewesen zu sein, dass sie es im Bundestag vorgetragen haben.

Ferner: Gut, es gibt halt leider immer Tagesordnungspunkte, die sehr spät am Abend diskutiert werden, und es ging ja um die erste Lesung, nicht um die Schlussabstimmung, insofern ist noch reichlich Zeit, die Kritik darzulegen, das haben wir auch bereits getan.

Was jetzt überhaupt nicht geht, ist, dass sozusagen, wenn Preise zwischen Pharma-Industrie und den Kassen ausverhandelt sind, dass das im Dunkeln bleibt, dass keine Transparenz mehr da ist, denn das ist ja gerade Sinn und Zweck der Übung gewesen, dass mehr Transparenz hineinkommt, denn bisher konnten die Arzneimittelhersteller die Preise so festlegen, wie sie das für richtig gefunden haben, und die Kassen mussten diesen Preis erstatten, ob das nun zu viel war oder gerade richtig. Und jetzt kommt da Bewegung rein, und schon springt die Union zurück.

Ich finde es schon ein bisschen merkwürdig: Wenn es um die Frage der Abschaffung der Praxisgebühr geht, wenn also die Patienten und Patientinnen entlastet werden sollen, dann blockiert die Union, wenn es aber darum geht, die Pharma-Industrie zu entlasten, dann sind sie vorne mit dabei.

Schwarz: Okay, Frau Ferner, Sie reden also von mangelnder Transparenz. Aber welche Auswirkungen hätte das denn, diese Geheimhaltung, für die Patienten?

Ferner: Ja, für die Patienten bis auf die Privatversicherten, die Selbstbehalt haben, zunächst mal nicht. Es kann natürlich sein, dass die Preise zu hoch sind, weil sie auch nicht mehr transparent und nachprüfbar sind, dann hat das natürlich Auswirkungen auf uns alle, auf alle, die gesetzlich versichert sind, dann würden die Beiträge steigen, wenn eben die Arzneimittelausgaben steigen.

Aber ein ganz praktisches Beispiel, wo man auch sieht, dass das überhaupt nicht durchdacht ist, was die Union da will: Es gibt Privatversicherte, die einen sogenannten Selbstbehalt haben, das heißt, die zahlen dann einen Teil ihrer Arzneimittel selber, und erst dann, nach einem gewissen Betrag, springt die Kasse dann für sie ein.

Und die müssen aber diesen Rabatt auch bekommen, das heißt also, spätestens da wird er transparent, und jeder, der sozusagen auf den Preis glaubt, dann im Ausland günstigere Preise verhandeln zu können, würde diese Möglichkeit natürlich nutzen, um zu erfahren, wie denn die Preise tatsächlich sind.

Das ist also aus meiner Sicht völlig absurd, was die Union da möchte. Es geht eigentlich nur um ein Geschenk an die Pharma-Industrie, und es geht darum, das, was mühsam erreicht worden ist, wieder zurückzudrehen.

Schwarz: Das hört sich aber auch relativ überzeugend an, wenn die Union sagt, die Preise werden dadurch niedriger.

Ferner: Das weiß man ja nicht, wir wissen ja nicht, was dann am Ende verhandelt wird, und die Pharma-Industrie kann natürlich locker sagen, ja, wenn die Rabatte veröffentlicht worden wären, dann wären wir nicht so weit runtergegangen. Aber wer will das denn prüfen? Das ganze Problem liegt eigentlich daran, dass die Koalition vor einem Jahr nicht mutig genug gewesen ist. Eigentlich hätte man eine Kosten-Nutzen-Bewertung machen müssen, bevor die Arzneimittel zugelassen werden, und dann hätte man auch einen fairen Preis.

Das heißt also, für die Arzneimittel, die einen hohen zusätzlichen Nutzen haben, da wären immer auch faire Preise vereinbart worden, und die Arzneimittel, um die ging es ja auch, die keinen oder nur einen geringen zusätzlichen Nutzen haben, die müssen dann eben nicht mehr so teuer erstattet werden. Heute ist es eben so, dass die Pharma-Industrie zunächst mal, wenn das Arzneimittel zugelassen ist, ich sage mal, einen Preis, den sie für richtig finden, verlangen kann, und nach einem Jahr müssen sie dann Rabatte gewähren. So, und warum geht man nicht hin und versucht gleich, den richtigen Preis zu finden, anstatt jetzt sozusagen dieses Jahr Wartefrist, und dann hat man eben nachher wieder das Problem, dass die Rabatte erstens verhandelt werden müssen und zweitens dann auch veröffentlicht werden müssen.

Schwarz:Nun muss man aber sagen, dass eigentlich dieses neue Arzneimittelverordnungsgesetz ja auch viel Gutes bringt - es wird jetzt immerhin über Preise verhandelt, und es wird auch darüber verhandelt, ob ein neues Medikament überhaupt auf den Markt kommen kann. Frage an Sie: Glauben Sie, dass der Hersteller die Rabatte schon vorher mit einkalkuliert?

Ferner: Ja, natürlich. Das würde doch jeder von uns so machen. Wenn ich mit Ihnen darüber verhandle, dass Sie mein gebrauchtes Auto kaufen, und ich weiß, ich muss nachher mit Ihnen einen Rabatt vereinbaren, dann werde ich doch erst mal mit dem Anfangsgebot etwas höher gehen, als das, was ich nachher am Ende haben will.

Schwarz: Lässt sich denn diese angestrebte Geheimhaltung letztendlich überhaupt in der Praxis durchsetzen?

Ferner: Also ich glaube es nicht, ich hatte ja eben bereits erwähnt, dass beispielsweise bei den Privatversicherten mit Selbstbehalt, dass die ja auch in den Genuss der Rabatte kommen müssen. Spätestens dann werden die öffentlich, und es ist auch überhaupt im Gesundheitswesen so viel Intransparenz, dass das bisschen Transparenz, was jetzt neu hinzugekommen ist, wirklich auch gewahrt bleiben muss und nicht wieder einkassiert werden darf.

Schwarz: Was lässt sich denn jetzt noch im Nachhinein regulieren, außer dass man verhindert, dass diese Geheimhaltung in die Tat umgesetzt wird?

Ferner: Ja gut, natürlich könnte man noch einiges zusätzlich regulieren. Ich sagte ja bereits, wir möchten gerne eine Kosten-Nutzen-Bewertung, bevor die Arzneimittel dann zugelassen werden und in den Markt kommen, sodass man gleich mit dem richtigen – und ich sage auch ausdrücklich für neue, innovative Arzneimittel –, auch fairen, guten Preise in den Markt kommen kann, und zum anderen denke ich, brauchen wir Mechanismen, die dazu führen, dass wir nicht mehr bei den Arzneimittelpreisen mit das Land sind, das die höchsten Arzneimittelpreise hat, obwohl wir mit 80 Millionen oder 82 Millionen Einwohnern mit einen der größten Märkte haben. Eigentlich ist es so, dass da, wo die Märkte groß sind, die Preise niedriger sind als da, wo die Märkte klein sind.

Schwarz: Elke Ferner, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch!

Ferner: Gerne!


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