Sparkassenverband: Bankenunion vergemeinschaftet Geld der Sparer

Georg Fahrenschon im Gespräch mit Gabi Wuttke · 28.06.2012
Der Sparkassen- und Giroverband erteilt der diskutierten Idee einer europaweiten Bankenunion eine Absage. Verbandspräsident Georg Fahrenschon nennt eine solche Union "falsch verstandene Solidarität". Andere Länder dürften sich nicht an deutscher Wirtschaftskraft und deutschen Spareinlagen bedienen.
Gabi Wuttke: Solidarität wird gefordert vom EU-Ratsvorsitzenden, dem Kommissionspräsidenten, dem Euro-Gruppenchef und dem Herren der Europäischen Zentralbank, um auch mit einer Bankenunion die große Verantwortung für Europa auf mehr Schultern zu verteilen als bislang und die Kontrollkandare anzuziehen. Mal sehen, was sich beim Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs heute und morgen durchsetzen wird. Die Sparkassen in Deutschland auf jeden Fall wollen sich nicht gefordert sehen, weil sie sich krisensicher auf die regionalen Märkte konzentrieren und deshalb auch vom Staat keine Stütze brauchten. Zudem: Die eigene Kundschaft gelte es vor Hasardeuren zu schützen, sagt der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Georg Fahrenschon, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Morgen!

Georg Fahrenschon: Guten Morgen, Frau Wuttke. Grüß Gott!

Wuttke: Man kann den Eindruck haben, Sie wollten der Konkurrenz die Privatkunden abspenstig machen.

Fahrenschon: Nein, ich glaube, es ist unsere Aufgabe als eine der großen Bankengruppen in Deutschland und auch eine der größten in Europa schon, darauf hinzuweisen, dass wir die Spielregeln einhalten müssen. Es kann nicht sein, dass Banken aus Großbritannien vor drei Jahren noch vom dortigen Steuerzahler gerettet wurden und jetzt hier den Markt in Unordnung bringen mit Zinsversprechen, die nicht der Realität entsprechen können. Und wenn es dann schiefgeht, dann macht jetzt diese Gruppe aus den vier Exekutivdetektoren in Europa einen Vorschlag, dass wir dann nicht nur eine schlechte Marktkondition haben, sondern dann sollen auch noch die Regionalbanken, die Sparkassen, die sollen dann auch noch denjenigen, die den Markt in Unordnung gebracht haben, auch noch zur Seite stehen. Das kann nicht sein!

Wuttke: Eine Bankenunion hieße, um an diesem Punkt mal ins Detail zu gehen, Haftung, aber auch Kontrolle eines vielverzweigten Systems, wobei ein Einlagensicherungsfonds, um noch mal auf Ihre Kunden zu sprechen zu kommen, das Geld der Privatanleger garantiert. Das ist doch wünschenswert, denn - um Ihr Wort der Spielregeln aufzugreifen - die müssen doch geändert werden?

Fahrenschon: Ja, Sie haben recht, natürlich ist Einlagensicherung ein wichtiges Element, darauf sind wir in Deutschland zu Recht stolz, dass wir nach der Pleite der Herstatt-Bank in den 70er-Jahren ein System aufgebaut haben, das unsere Kunden, die Sparer, auch wirklich schützt. Nur, wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir jetzt das Pferd nicht von der falschen Seite aufziehen dürfen: Wenn wir jetzt eine Einlagensicherung in ganz Europa etablieren, dann stehen am Ende die deutschen Sparer für die Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen der Banken in Portugal oder wo auch immer gerade und das kann nicht sein. Ich glaube, viel besser wäre es jetzt, die fertigen Konzepte auf europäischer Ebene, auf nationaler Ebene die Einlagensicherung zu etablieren, endlich zum Abschluss zu bringen. Und wir werden wirklich darauf achten, dass man jetzt das Pferd nicht von der falschen Seite aufziehen darf. Das, was heute vorgeschlagen wurde, gestern vorgeschlagen wurde, das ist ein falsches Vorgehen, weil die demokratische Legitimierung fehlt. Es ist ein falsches Signal, weil sich auch die nationalen Elemente wieder zurückziehen können und sagen können: Solidarität über Europa, die Deutschen zahlen am Ende. Und es sind die falschen Instrumente, mit Vergemeinschaftungen auf dieser Seite kommen wir nicht weiter.

Wuttke: Ich möchte noch trotzdem mal bei Ihrem Verband und den Forderungen beziehungsweise dem Argument der Ablehnung einer Bankenunion bleiben: Denn wenn Sie sich jetzt auf Ihre Kunden beziehen beziehungsweise auf eine Politik Ihres Verbandes, die in der großen Krise keine Fehler gemacht hat und von daher auch keine Hilfe brauchte, dann müssen wir sagen: "Wir Steuerzahler sitzen alle mit ihm Boot." Sie sagen, Ihre Kunden sollen zukünftig nicht mit im Boot sitzen, um haftbar gemacht werden zu können. - War also die Bankenrettung an und für sich falsch?

Fahrenschon: Nein, andersrum wird ein Schuh daraus: Der deutsche Steuerzahler ist ja gleichzeitig auch der deutsche Sparer. Und wenn wir mit guten Argumenten sagen: "Es kann nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler auf einmal die Schulden Italiens tragen soll", dann ist doch völlig konsequent, dass wir gleichzeitig auch sagen, derselbe deutsche Sparer, der ganz konkret seiner Bank vor Ort vertraut und der auch den Anspruch hat, dass seine Bank vor Ort die örtliche Wirtschaft, die regionale Entwicklung unterstützt, der kann doch jetzt nicht in die Verpflichtung genommen werden, in anderen europäischen Staaten bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Ich glaube, wir müssen einfach darauf achten, dass die Solidarität, die wir in Deutschland sehr gut kennen, die wir in der sozialen Marktwirtschaft, aber auch durch die Sparkassen und die anderen Regionalbanken auch in unserem Bankenwesen sehr stark aufgeprägt haben, dass diese Solidarität immer auch Eigenverantwortung und natürlich auch Solidität verlangt. Dort, wo Fehler gemacht wurden, vor Ort, in den anderen europäischen Staaten, müssen auch Konsequenzen gezogen werden, müssen auch Reformen durchgesetzt werden. Wir überdecken durch eine falsch verstandene Solidarität die notwendigen Änderungen, da können wir als Deutsche mit unseren Systemen durchaus als Vorbild herangezogen werden, wir müssen aber darauf achten, dass sich andere nicht an unserer Wirtschaftskraft, an unseren Spareinlagen und auch an unseren Steuergeldern bedienen, das können wir in Europa nicht zulassen.

Wuttke: Bei diesen ja sehr harten Forderungen müssen Sie mir, Herr Fahrenschon, jetzt eins erklären: Für die maroden Landesbanken in Deutschland zahlten vor allem Bund und Länder. Ihr Vorgänger konnte den Verband der Sparkassen und Girobanken ziemlich schadlos halten. Was also halten Sie vom Geradestehen?

Fahrenschon: Ja, wir stehen selbstverständlich gerade. Die Sparkassen haben ihren Beitrag auch dazu geleistet, wir ...

Wuttke: ... die kamen aber ziemlich gut dabei weg!

Fahrenschon: Ja, am Ende sind wir sehr wohl mit in der Haftung. Wir tragen mit über einer Milliarde jetzt auch unseren Beitrag dazu bei, die Westdeutsche Landesbank vom Markt zu nehmen. Also an der Stelle muss uns niemand vorwerfen, wir wären nicht zu unserer Verantwortung gestanden. Und aus dieser Erfahrung heraus fordern wir jetzt auch, dass sich andere es nicht leicht machen und sich einfach beim deutschen Sparer bedienen. Die Sparkassen verstehen sich immer auch als Sparerschutzorganisation, aus gutem Recht und auch vor einer langen Tradition. Und ich glaube, wir müssen in Europa darauf achten, dass wir nicht mit einfachen Konzepten irgendetwas zukleistern, sondern dass jeder vor Ort seine Hausaufgaben macht.

Wuttke: Aber so ein bisschen Solidarität auch mit Ihrem Verband, um noch mal zum Thema zurückzukommen, war schon auch ganz schön?

Fahrenschon: Ja, wir haben an der Stelle ja auch deutlich gemacht, dass wir die Konsequenzen ziehen, die Landesbanken gehen wieder zurück, kommen ihrer Aufgabe, werden Ihrer Aufgabe gerecht, den Mittelstand hier in Deutschland zu begleiten. Also, an der Stelle kann niemand sagen, wir würden nicht auch jetzt mit viel Energie daran arbeiten, die Fehler der Vergangenheit irgendwie aufzuarbeiten. Umso wichtiger ist es aber doch, dass wir auch in anderen europäischen Staaten nicht einfach nur Geld 'rüber schieben - und zwar unabhängig, ob über den Steuerzahler oder über den deutschen Sparer - sondern umso wichtiger ist es, dass andere Länder auch anfangen, ihren Markt in Ordnung zu bringen. Und an dieser Stelle glaube ich, dass der Gipfel jetzt ganz wichtig ist, um deutlich zu machen: Wir decken nicht oben drüber, sondern wir gehen jeder an unsere Aufgaben und machen unsere, erledigen unserer Dinge.

Wuttke: Sagt Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Besten Dank und schönen Tag!

Fahrenschon: Danke schön, auf Wiederhören!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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