Premiere in Hamburg

Dagoberts Geld-Bad

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Der Schriftzug des Thalia Theaters © picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Von Alexander Kohlmann · 13.09.2015
Jonas Hassen Khemiris Theaterstücke sorgen an vielen deutschen Bühnen für Erfolge. Auch am Hamburger Thalia. Dort feierte nun auch Khemiris neues Stück "≈ [ungefähr gleich]" seine deutsche Erstaufführung. Allerdings gelang diese weniger erfolgversprechend.
Ein riesiger Haufen Geld. Tausende funkelnde Euro-Cent-Münzen sind auf einer riesigen Wage zu einem Haufen zusammengeschoben, an dem Dagobert Duck seine Freude hätte. Das Geld staubt förmlich, wenn die Schauspieler durch die Münzen toben, es rutscht in trägen Wellen hin und her und krümelt auf den Bühnenboden. Die Botschaft des Bühnenbildes von Judith Oswald ist klar, hier werden menschliche Schicksale mit Geld aufgewogen.
Leider nur erweisen sich die Charaktere, die der schwedische Autor Jonas Hassen Khemiri in seinem neuen Stück "≈ [ungefähr gleich]" für die Bühne geschrieben hat, als ziemliche Leichtgewichte. Hinter der komplexen Erzählstruktur verbergen sich oberflächliche Charakterschablonen, die zusammen kein überzeugendes Stück ergeben. Da ist Andrej, der gerade sein Abitur gemacht hat und nach hunderten von Bewerbungen merkt, dass in dieser Gesellschaft offenbar kein Platz für ihn vorgesehen ist. Sein Nachname klingt ausländisch, könnte das der Grund für die Absagen sein? Schließlich fängt er, völlig überqualifiziert, im Tabakladen an, wo er auf Martina trifft. Die träumt vom Aussteigen auf dem eigenen Biobauernhof, muss sich aber einstweilen mit dem erfolglosen Gatten herrumschlagen. Mani ist Privatdozent an der Uni und hofft vergebens auf eine Festanstellung als Professor. Die lang ersehnte Stelle, sie kommt einfach nicht.
Ein dünner Plott ein wenig garniert
Allen gemeinsam ist der Kontakt mit dem mysteriösen Bettler Peter, der das kapitalistische Wirtschaftssystem offenbar am besten verstanden hat. Mit immer neuen Varianten von der Geschichte der kranken Schwester zieht er den Passanten das Geld aus der Tasche - und kommt seinen Träumen damit offenbar erheblich näher als dieses Verlierer-Ensemble.
Diesen dünnen Plot garniert Khemri mit allerhand Regieanweisungen à la "wir entern die Erinnerung von dem und den", auf der Bühne stehen dann allerdings doch nur Schauspieler, die sich angesichts der komplizierten Konstruktion nicht wirklich entfalten können. Und zudem noch die Gimmicks von Regisseurin Anne Lenk in die Tat umsetzen müssen.
Musik aus einer französischen Schmonzette
Lenk lässt im Prolog den depressiven Schokoladen-Milionär Casparus van Houten kurzerhand im KINDER-Riegel-Kostüm auftreten und von einer Frau sprechen - und verkleidet Andrejs besorgte Mutter mit einer Papptafel als Anziehpuppe. Den Soundtrack liefert die Musik aus der französischen Schmonzette "Die fabelhafte Welt der Amélie" und ein Upperclass-Opfer der Wirtschaftskrise darf im Zwischenspiel mit Miss Piggy-Maske auftreten.
Das alles sieht ziemlich nach Regieschule aus - und ist vor allem deswegen ärgerlich, weil am Vorabend am Thalia-Theater mit "Die Dreigroschenoper" eben einer jener Texte Premiere hatte, deren böse-revolutionäres Potential auch nach Jahrzehnten noch spürbar ist. Diese Kraft, die kritisierte Gesellschaftsordnung wirklich herauszufordern - Jonas Hassen Khemiri hat sie ganz sicher nicht.
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