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Champions League
Aufregung um die Finanzen

"Leicester vom Don" – so bejubelte Russlands Fußballszene den Überraschungszweiten FK Rostow. Doch neben dem sportlichen Erfolg geht es bei Bayern Münchens Gegner in der Champions-League oft auch um finanzielle Probleme.

Von Johannes Aumüller | 10.09.2016
    Fans des FK Rostow feiern auf der Tribüne mit Plakaten
    Fans des FK Rostow (picture alliance / dpa Fadeichev Sergei)
    Auf den ersten Blick sieht alles nach einem dieser Märchen aus, die im modernen Fußball selten geworden sind. Selbst im modernen russischen Fußball. Jahrelang war der FK Rostow eine Mannschaft im Niemandsland der Premjer-Liga und musste meist lange gegen den Abstieg kämpfen. Doch in der vergangenen Saison überraschte sie alle. Auf einmal kämpfte der Klub sogar um die Meisterschaft mit, am Ende reichte es immerhin zu Platz zwei hinter ZSKA Moskau. Der Lohn: Erstmals spielt das Team aus der Millionenstadt am Fluss Don in der Champions League. Am Dienstag trifft er im ersten Vorrundenspiel gleich auf den FC Bayern.
    Doch es gibt auch noch einen zweiten Blick auf diese Mannschaft. Der handelt von den Finanzen und erinnert erheblich weniger an etwas Märchenhaftes.
    "Rostow ist von seiner Organisation und seiner Finanzierung her ein typisches Produkt der russischen Liga. Der Klub finanziert sich auf Kosten des Staates, indem er das Geld aus dem Regionalbudget des Gouverneurs erhält."
    So sagt das Alischer Aminow. Er ist einer der wenigen Funktionären, die dem herrschenden russischen System generell kritisch gegenüber stehen. Wenn es um den russischen Fußball geht, ist oft von den reichen Oligarchen als Unterstützern die Rede. Aber so viele Oligarchen mit einem umfangreichen Fußball-Investment gibt es zwischen Moskau und Wladiwostok gar nicht. Nur drei Vereine aus der Premjer-Liga sind ausschließlich privat finanziert. Der Rest profitiert von staatlichen Geldern. Entweder über große Firmen, wie das bei Gazprom und Zenit Sankt Petersburg der Fall ist. Oder übers Regionalbudget, wie beim FK Rostow. Mehr als ein Drittel beträgt dort der Anteil am ca. 30 Millionen Dollar umfassenden Budget. Klub und Regionalpolitik sind so eng verwoben. Aber dennoch – oder vielleicht besser: deswegen – gibt es ständig finanzielle Probleme.
    "Und warum gibt es das ständig? Weil es überhaupt keine Kontrolle gibt", sagt Alischer Aminow.
    Zahlreiche Beschwerden
    Ein paar Beispiele für Aufgeregtheiten rund um die Finanzen: Im vergangenen Jahr kam es mehrmals zu Beschwerden, dass die Spieler kein Geld mehr erhielten. Ein früherer Sponsor zerrte den Klub wegen Streitigkeiten über frühere finanzielle Vereinbarungen vor Gericht. Und dann ist da noch die Geschichte um den früheren Vize-Präsidenten Alexander Schikunow: Recherchen der "Nowaja Gazeta" zeigten vergangenes Jahr, wie rund um einen Spielertransfer Geld von Rostows Hausbank über Umwege nach Spanien floss, wo sich der Funktionär davon eine Immobilie kaufte. Schikunow ist heute nicht mehr Vize, sondern nur noch ehrenamtlich tätig. Die Behörden ermitteln, aber umfangreiche Konsequenzen hat dieser Umgang mit Steuergeldern bisher nicht.
    Mit einem Klubvertreter ergibt trotz mehrerer Nachfragen kein Gespräch zu diesem Thema. Kritiker Aminow sagt:
    "Das muss man die Behörden fragen, warum sie bei dieser Faktenlage und bei diesen Beweisen die Sache nicht vor Gericht bringen. So beteiligen sich die Führung der Region Rostow und die Führung des Klubs gemeinsam an einem System der Geldverschwendung."
    Die Champions League spült nun erst einmal viel Geld in die Kassen des Klubs. Die wichtigsten Spieler wie Abwehrmann Cesar Navas oder Mittelfeldspieler Christian Noboa blieben. Der Erfolgstrainer Kurban Berdyjew bleibt nach angekündigtem Rückzug und langem Hickhack nun doch im Klub – als Vize-Präsident und Ober-Trainer in Personalunion. Nach dem 2:1 am Freitag gegen Krylja Sowjetow kommt Rostow auf zehn Punkte aus den ersten sechs Liga-Spielen.