Williams-Beuren-Syndrom

Über das Glück

Louise Archambault, Regisseurin des Films "Gabrielle", posiert am 26.09.2013 in Hamburg am Cinemaxx-Kino auf dem roten Teppich.
Regisseurin Louise Archambault © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Von Jörg Taszman · 22.04.2014
In "Gabrielle“ bringt die Frankokanadierin Louise Archambault eine 22-Jährige mit Williams-Beuren-Syndrom vor die Kamera. Herausgekommen ist ein feinfühliger, engagierter Film, der in Locarno zum Publikumsliebling avancierte und jetzt ins Kino kommt.
Sie singt für ihr Leben gerne. Gabrielle, eine junge und lebensfrohe Frau, die ihre Gefühle immer ganz offen zeigt. Gabrielle hat das Williams-Beuren-Syndrom und verbringt viel Zeit in ihrer Therapiegruppe.
Die Hauptdarstellerin Gabrielle Marion-Rivard, die ebenfalls vom Williams-Beuren-Syndrom betroffen ist, überzeugt im Film und im Leben durch ihren natürlichen Charme und eine ansteckende Lebensfreude. Das inspirierte die Regisseurin Louise Archambault während der gesamten Arbeit.
"Alle Amateur-Schauspieler im Film behielten ihre eigenen Vornamen. Ich wollte ihnen damit mehr Freiheit geben, sie ab und zu auch überraschen, für Momente des Verzauberns sorgen. Und der Film heißt nun 'Gabrielle', weil es halt der Vorname der Hauptdarstellerin ist."
Und diese so natürliche Hauptdarstellerin Gabrielle Marion Rivard schafft es, den Film auf ihren Schultern zu tragen. In Locarno wurde sie am Ende mit stehenden Ovationen gefeiert. Dabei fand sie es selbst völlig natürlich, im Film zu singen und zu schauspielern.
"Beides war leicht. Ich kann spielen und singen. Ich weiß, was ich tun und nicht tun darf, wovor ich aufpassen muss. Aber ich habe viel Neues gelernt."
Regisseurin wollte keine Tabus brechen
Der Filmemacherin ging es vor allem darum, einen Film über das Glück zu drehen, über Menschen, die man selten sieht, von denen man wenig weiß. Louise Archambault nennt sie "Die Unsichtbaren".
Und es ist ein etwas anderer Liebesfilm, denn im Chor hat Gabrielle Martin, einen jungen Mann, kennen gelernt. Beide sind verliebt und wollen auch miteinander schlafen. Aber ihre Betreuer und die Familienangehörigen reagieren fast panisch.
Die Regisseurin wollte jedoch keine Tabus brechen, sondern die Sexualität unter Menschen thematisieren, die immer noch bevormundet werden.
"Rein instinktiv möchten sie ihre Sexualität und Intimität ausleben, aber sie haben nicht die Mittel dafür. Sie finden nur sehr selten einen Raum, in dem Intimität entstehen kann. Und es gibt andere Probleme. Wenn beispielsweise eine Frau mit geistiger Behinderung einen Mann kennenlernt, befürchten das Umfeld und ihre Familie, dass sie vielleicht nur ausgenutzt wird. Es gibt da also viel Angst auch vor dem Unbekannten."
Größte Herausforderung: die Liebesszenen
Mit viel Feingefühl, Humor und Präzision erzählt die Frankokanadierin Louise Archambault von zwei jungen Menschen, Gabrielle und Martin, die sich auch gegen die Widerstände ihrer Umwelt durchsetzen. Und die Liebesszene war für die sonst so furchtlose Hauptdarstellerin dann auch die größte Herausforderung.
"Als wir die Liebesszene drehten, mussten sich Gabrielle und Martin unter der Bühne verstecken, denn diesmal wollten sie echten Sex haben. Zuerst hatte ich schon etwas Angst vor der Szene. Aber dann sagte ich mir, was soll's, das wird schon. Und dann musste ich echt weinen, aber am Ende sagte ich mir, ich hab's geschafft: Wow. Das ist echt nicht ohne." (lacht)
Völlig zu Recht erhielt dieser schöne, kleine Film, der in nur 20 Tagen gedreht wurde den Publikumspreis beim renommierten Filmfestival in Locarno und wurde im vergangenen Herbst auch beim Filmfestival in Hamburg gefeiert. Denn "Gabrielle" ist kein Problem- oder Thesenfilm, sondern eine engagierte Arbeit, die das Leben feiert. Wenn am Ende ein großartiges Konzert den Höhepunkt des Films darstellt, kommt man beschwingt aus dem Kino.
Mehr zum Thema