"Spanien braucht Hilfe"

Uwe Fröhlich im Gespräch mit Hanns Ostermann · 19.07.2012
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich, hofft auf eine Zustimmung des Bundestages zu den europäischen Finanzhilfen für die maroden spanischen Banken. Er spricht sich aber gegen eine Bankenunion aus. Damit "würde man ein Pferd von hinten aufzäumen".
Hanns Ostermann: Keine Frage, Humor und so etwas wie Weitsicht hat der Präsident des Deutschen Bundestages ganz gewiss! Bei der letzten Sitzung des Parlaments vor der Sommerpause meinte Norbert Lammert Ende Juni:

O-Ton Norbert Lammert: Ich mach schon jetzt darauf aufmerksam, dass ich zum Schluss der heutigen Sitzung den Deutschen Bundestag einberufen werde zu seiner nächsten Sitzung, die spätestens am 11. September stattfindet. Für Ihre Urlaubsplanungen bitte ich zu berücksichtigen, dass ich nicht ausschließen kann, dass es auch deutlich früher sein könnte. Also, schwimmen Sie nicht zu weit raus und achten darauf, das Handgepäck immer griffbereit zu haben!

Ostermann: Norbert Lammert sollte Recht behalten: Heute entscheidet der Bundestag in einer Sondersitzung darüber, ob die klammen spanischen Banken aus dem temporären Rettungsschirm EFSF Geld bekommen. Die Zeit drängt, denn schon morgen soll die Euro-Gruppe über das Hilfspaket entscheiden, ohne das grüne Licht des Bundestages müsste Finanzminister Schäuble mit Nein stimmen. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken Uwe Fröhlich, guten Morgen, Herr Fröhlich!

Uwe Fröhlich: Schönen guten Morgen!

Ostermann: Wären Sie heute Nachmittag für nur wenige Stunden Abgeordneter, würden Sie den Daumen heben oder senken?

Fröhlich: Ich glaube, es ist wichtig, dass der Bundestag heute diese Hilfen genehmigt, denn Spanien braucht Hilfe. Es war über die letzten Monate ja ein erheblicher Druck auch auf die spanische Regierung ausgeübt worden, die Situation der spanischen Banken in Ordnung zu bringen, und dies auch mit europäischer Hilfe, weil eben die Kapitalmärkte Spanien aus eigener Kraft dieses Zutrauen nicht zugebilligt haben. Und deswegen ist der jetzige Schritt richtig.

Ostermann: Aber die Frage ist ja, ob das Geld für Spanien überhaupt reicht, damit das Land aus der Krise kommt. Wagen Sie da eine Einschätzung?

Fröhlich: Na, zunächst ist es wichtig, dass die spanischen Banken aus einer Krise kommen. Die spanische Regierung tut ja bereits eine Menge, denken Sie allein an den aktuellen Sparansatz von Herrn Rajoy von 65 Milliarden Euro, es werden eine Reihe von notwendigen Strukturveränderungen im Land umgesetzt. Wir erleben derzeit allerdings die negativen Krisen einer Immobilienblase der letzten Jahre in Spanien, die eben sich auch sehr negativ auf die spanischen Banken auswirkt, und das, was mit diesem Geld passieren soll, soll ja unmittelbar erst mal eine Verbesserung der Situation der spanischen Banken sein.

Das heißt, man versucht, die notleidenden, die schwierigen, die kaputten Immobilienkredite aus den spanischen Banken in eine sogenannte Bad Bank herauszukaufen, und das soll im Grunde dann mit diesem Geld im ersten Schritt passieren. Im zweiten Schritt soll dann eine Rekapitalisierung, also eine Eigenkapitalstärkung dieser Banken vorgenommen werden. Denn wenn es keinen funktionierenden Bankensektor in Spanien gibt, kann sich auch die mittelständische Wirtschaft, kann sich die Wirtschaft in Spanien allgemein nicht zum Besseren wenden.

Ostermann: Herr Fröhlich, aber reichen Ihnen die derzeitigen Auflagen, wenn auch darüber gesprochen wird, jetzt müssen endlich die Gläubiger mit einbezogen werden? Also, reichen Ihnen die derzeitigen Auflagen?

Fröhlich: Aus Sicht Deutschlands ist zunächst erst mal wichtig, dass die spanische Regierung, also der spanische Staat in erster Linie gegenüber der Europäischen Gemeinschaft haftet, und eben nicht, wie das auf dem letzten EU-Gipfel der Regierungschefs ausgehandelt wurde, es Möglichkeiten gibt, dass Banken direkt aus der EFSF oder auch später aus dem ESM Geld bekommen. Denn das würde direkt eine Transferunion in die Bankensysteme Europas bedeuten. Das muss dringend verhindert werden.

Es ist zwar unangenehm für die spanische Regierung, dass diese Staatshilfen quasi dann ja auch die Staatsverschuldung Spaniens erhöhen, aber letztendlich ist das unter ordnungspolitischen und Haftungsgesichtspunkten ausgesprochen wichtig. Sie haben darüber hinaus angesprochen, ob auch Gläubiger von Bankanleihen spanischer Banken mithaften sollten: Das sollte sicherlich nur dann umgesetzt werden, wenn es auch zu einem Abwicklungsfall käme, wenn also die spanische Regierung und die spanische Bankenaufsicht beispielsweise im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen Banken abwickeln würde in Spanien.

Dann ist es sicherlich notwendig, darüber nachzudenken, ob auch Anleihegläubiger spanischer Banken dann mithaften. Wobei man immer auch im Auge behalten muss, dass es ohnehin derzeit ungeheuer schwierig ist, sich für Banken an den Kapitalmärkten zu refinanzieren. Der Schuldenschnitt für Griechenland steckt vielen institutionellen Anlegern noch in den Knochen und es ist zu befürchten, dass einfach Refinanzierung von Banken durch so eine Maßnahme, die von der EZB auch vorgeschlagen wurde, dass diese Maßnahme eher dafür sorgt, dass es noch wesentlich schwieriger sein wird insbesondere für Wackelkandidaten, sich an den internationalen Kapitalmärkten zu refinanzieren.

Ostermann: Mittelfristig soll es eine Bankenunion geben. Hilft es in diesen Krisenzeiten wirklich?

Fröhlich: Das ist eine politische Idee, die ein Stück weit übertünchen soll, dass man auf dem Weg zu einer politischen oder Fiskalunion noch nicht am Ziel ist. Ich persönlich halte das für den letzten von einer Reihe von notwendigen Schritten. Und sollte man jetzt im ersten Schritt eine Bankenunion einführen – ich habe es schon mal gesagt –, würde man ein Pferd von hinten aufzäumen.

Denn letztendlich hat eine Bankenunion drei große Komponenten: Das erste Stichwort ist europäische Bankenaufsicht, das ist sicherlich für die großen, grenzüberschreitend tätigen europäischen Banken sinnvoll; das Zweite – also, dann sind wir aber maximal bei 25 oder 30 europäischen Banken, ich nehme da ausdrücklich die deutschen Sparkassen und die deutschen Genossenschaftsbanken aus, wir wollen uns nicht von einer EZB beaufsichtigen lassen –, das Zweite ist ein sogenannter Restrukturierungsfonds, der grenzüberschreitend europaweit angelegt sein soll und im Grunde dann quasi tatsächlich einen Transfer von Mitteln beispielsweise aus einem deutschen Fonds, der möglicherweise gut gefüllt wäre, in einen schlecht gefüllten griechischen oder spanischen bedeuten würde, also auch das eine Transferunion durch die Hintertür.

Und aus meiner Sicht der schwierigste Vorschlag im Rahmen der Bankenunionsdiskussion ist eine europäische Einlagensicherung, die vollkommen gleichmacherisch in ganz Europa für jeden gelten soll, aber wo auch jeder für jeden haftet.

Das würde bedeuten, dass beispielsweise die Sparer in Deutschland auch für die Einlagen in Spanien oder in Griechenland haften müssten. Das halte ich für völligen Unfug. Letztendlich gibt es eine europäische Einlagensicherungsrichtlinie, die derzeit in Brüssel verhandelt wird, losgelöst von diesem Vorschlag der Bankenunion, diese europäische Einlagensicherungsrichtlinie lässt Freiraum für die Institutssicherungssysteme der deutschen Genossenschaftsbanken, aber auch der Sparkassen, und es müsste eigentlich nur diese Einlagensicherungsrichtlinie zügig verabschiedet werden, dann hätte man schon viel mehr Verbraucherschutz und Sicherheit für Einlagen in Europa geschaffen, als das derzeit der Fall ist.

Ostermann: In diesen Tagen ist viel von Solidargemeinschaft die Rede. Wann ist Ihrer Ansicht nach der Punkt gekommen, an dem Sie sagen: Bis hierhin und nicht weiter?

Fröhlich: Dieser Punkt, der ist eigentlich auf jedem Gipfel wieder neu erreicht. Denn letztendlich verstehe ich auch die Verhandlungspolitik der Bundesregierung derzeit so, dass man im Sinne eines Zug-um-Zug-Geschäftes versucht, Dinge einzufordern, die im Sinne einer Disziplinierung, einer Haushaltskonsolidierung in der Frage von notwendigen Strukturveränderungen in den einzelnen betroffenen Ländern erreicht werden soll, im Gegenzug sozusagen zu Hilfen, die gewährt werden.

Das Beispiel für Spanien ist ja hier ein schönes Beispiel. Und von daher wird es diesen Point of no Return wahrscheinlich niemals an einem bestimmten Punkt geben, sondern wir sind in einem Prozess, der unheimlich mühselig ist, wo es aber darum geht, auf dem Weg zu einem geeinten Europa mit einer Wirtschafts-, Fiskal- und politischen Union sich tatsächlich aufeinander zuzubewegen. Und es wird immer dann schwierig, wenn Länder wie in diesem Fall jetzt auch Spanien einen Teil ihrer staatlichen Souveränität an europäische Institutionen abtreten müssen. Das bewegt jeden Politiker in jeder Nation und das ist immer das, was besonders schwierig ist.

Ostermann: Vor der Sondersitzung des Bundestages zur Hilfe für spanische Banken der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken Uwe Fröhlich. Herr Fröhlich, danke für das Gespräch!

Fröhlich: Auf Wiederhören!


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