Späte Würdigung

Rezensiert von Birgit Koß · 10.08.2005
Siebzehn Jahre, nachdem der ägyptische Schriftsteller Nagib Machfus den Literaturnobelpreis erhalten hat, erscheint sein erster Roman auf Deutsch. Im September 1939 wurde "Cheops" (der Originaltitel war "Abath al aqdar", Spiel des Schicksals) als Sonderbeilage einer Kairoer Zeitschrift gedruckt, ein Geschenk an die Abonnenten. Nur ein einziger Literaturkritiker nahm den Roman damals zur Kenntnis und lobte die lebendigen Beschreibungen und die eingängige Erzählweise. Das gilt noch heute.
Die Geschichte des Pharaos Cheops wird so plastisch beschrieben, "als ob er hier unter uns wäre und sich des Lebens freute". Sie beginnt mit dem langwierigen Bau der Cheops-Pyramide und einer Begegnung des Pharaos mit dem Zauberer Djedi. Cheops stellt ihm die Frage, welches seiner Kinder später auf seinem Thron sitzen wird. Der Zauberer erschrickt und muss schließlich zugeben, dass der Thronfolger nicht aus der Familie kommen wird, sondern das soeben geborene Kind eines Priesters Cheops’ Nachfolge antreten wird. Erzürnt will der Pharao sein Schicksal selber in die Hand nehmen und trachtet gemeinsam mit seinem ältesten Sohn dem Neugeborenen nach dem Leben. Doch Dadaf wird durch eine List gerettet und wächst unerkannt in der Nähe des königlichen Hofes auf.

Anschaulich schildert Nagib Machfus das Leben in den Palästen, den Tempeln und den Hütten der armen Leute. Nicht immer hält er sich dabei an die historische Wahrheit. Pferd und Wagen wurden beispielsweise erst rund eintausend Jahre später von den Ägypter benutzt. Wichtiger erscheint dem Autor, dass sich die Leser mit den Figuren identifizieren und mit den damaligen Glaubens- und Herrschaftsformen auseinandersetzen können.

Nagib Machfus, der nach seinem Philosophiestudium eine Beamtenlaufbahn begann und seine schriftstellerische Arbeit immer als Nebentätigkeit angesehen hat, plante eine vierzigbändige Auseinandersetzung mit der alten ägyptischen Geschichte. Seine ersten drei Romane sind tatsächlich in der Zeit der Pharaonen angesiedelt, was im Ägypten der dreißiger Jahre ganz dem Zeitgeist entsprach. Die Unabhängigkeitsbewegung suchte in der Rückbesinnung auf die Geschichte eine neue ägyptische Identität. Bezüge zur Gegenwart waren allerdings von Machfus durchaus beabsichtigt. Das historische Gewand bot dem Autor dabei einen gewissen Schutz vor der Zensur.

Die politischen Veränderungen in der Mitte des letzten Jahrhunderts führten dazu, dass Machfus seinen Plan eines Romanzyklus mit dem doppelten Umfang von Honoré Balzacs "Menschliche Komödie" aufgab und sich dem Kairoer Alltag der Gegenwart zuwandte. Die "Kairoer Trilogie" machte ihn Ende der 50er Jahre zu einem führenden Schriftsteller der arabischen Welt. Als er 1988 als erster arabischer Autor den Literaturnobelpreis erhielt, umfasste sein Werk etwa dreißig Romane, über einhundert Erzählungen, außerdem Drehbücher, Theaterstücke und Artikel. Bis heute schreibt der inzwischen 93jährige und fast Erblindete eine wöchentliche Kolumne in einer großen arabischen Wochenzeitung.

Mit "Cheops" brachte Nagib Machfus vor über 60 Jahren den Roman in die arabische Literatur. Der erfrischende Stil und die Bildhaftigkeit der Geschichte entführen den Leser auch heute noch mühelos in die Pharaonenzeit vor etwa 7000 Jahre.

Nagib Machfus: Cheops
Roman
Aus dem Arabischen von Doris Kilian
Unionsverlag. Zürich 2005
272 Seiten, 19,90 Euro