Soziologin Necla Kelek zur Kopftuchdebatte

"In Schulen hat der politische Islam Einzug gehalten"

29:21 Minuten
Eine Schülerin mit Kopftuch sitzt bei einer Unterrichtsstunde zum Thema Islam
"Warum trägt ein Mädchen oder eine Frau Kopftuch?", möchte Soziologin Necla Kelek wissen. © picture alliance / dpa | Frank Rumpenhorst
Moderation: Annette Riedel · 27.03.2021
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Schule müsse ein "neutraler Ort" sein, wo auch Mädchen "ohne Bevormundung durch Religion Kind" sein dürfen, sagt Buchautorin Necla Kelek. Darum will sie ein Kopftuch-Verbot für Schulmädchen, denn das Kopftuch stehe für Unfreiheit und Unterdrückung.
Das Kopftuch symbolisiere ein Gesellschaftsmodell, das für "getrennte Welten" von Männern und Frauen stehe, ist Necla Kelek überzeugt, die auch im Vorstand von Terre des Femmes aktiv ist. Es passe nicht ins 21. Jahrhundert, sondern "müsste in die Vergangenheit gehören". Es sei ein "archaisches Symbol" und versinnbildliche die "Unterdrückung der Frau". Schulen müssten "neutral gegenüber Religion sein" und dafür sorgen, dass Mädchen entdecken könnten, "welche Fähigkeiten sie besitzen".

Weltbild von Islamisten gehört nicht in Schulen

Es ginge ihr und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern für einen "säkularen" Islam nicht um ein generelles Kopftuch-Verbot. Diejenigen, die glaubten, dass die Mädchen überwiegend freiwillig ihr Haar bedeckten, stellten nicht die richtigen Fragen. Es gäbe nicht genug Studien über die Situation von Mädchen in den Familien.

Oft fühlten sie und ihre Eltern sich unter erheblichem Druck von ihrem Umfeld. Und nicht selten sind dieselben Mädchen, die ihre Eltern zum Bedecken des Kopfes nötigen, auch diejenigen, die früh verheiratet werden, häufig gegen ihren Willen.
Porträt von Necla Kelek, Sozialwissenschaftlerin und Publizistin, Berlin-Prenzlauer Berg, 2015.
Hinterfragt das Rollenverständnis: Die Soziologin Necla Kelek.© laif / Dominik Butzmann

Plädoyer für einen "demokratischen" aufgeklärten Islam

"Wir möchten unbedingt, dass wir einen Islam in Deutschland leben können, der ein moderner Islam ist, der meinetwegen deutscher Islam genannt werden kann", sagt Kelek. Dafür müsse allerdings die Ausbildung von islamischen Geistlichen in Deutschland dem Einfluss aus dem Ausland entzogen werden. Auch dürften nicht Vertreter von Muslimen mit konservativ-traditionellem Weltbild in Deutschland den Diskurs dominieren, wie sie das sowohl bei der Imam-Ausbildung wie auch in der Deutschen Islamkonferenz der Fall sein. Sie lasse sich nicht von diesen Männern vorschreiben, "wie ich den Islam zu leben habe".

Keine Nähe zu Rechtsextremen

Dass ihr bei ihrem Engagement gegen den konservativen und den politischen Islam vorgeworfen werde, sie begebe sich in die argumentative Nähe von Rechtsextremen und Islamfeinden, könne sie "nicht akzeptieren". Ihr gehe es ausschließlich um Mädchenrechte und Frauenrechte. "Nur das interessiert mich." Sie befasse sich nicht weiter damit, welche rechte Partei was "von sich gibt".
(AnRi)

Necla Kelek ist freie Autorin, Publizistin und Politikberaterin. Sie wurde in Istanbul geboren, kam mit 10 Jahren nach Deutschland und hat in Hamburg und Greifswald Volkswirtschaft und Soziologie studiert. Sie wurde über das Thema »Islam im Alltag« zum Dr. Phil promoviert. Seit 2014 ist sie im Vorstand der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. Von 2005 bis 2009 war sie Mitglied in der Deutschen Islamkonferenz. Sie gilt als eine der einflussreichsten islamischen und zugleich islamkritischen Stimmen in Deutschland.

Die Erstausstrahlung war am 12.12.2020.


Der Text im Wortlaut:

Deutschlandfunk Kultur: Frau Kelek, Sie gehören zu denjenigen, die fordern, Kindern bei uns in Deutschland das Tragen eines Kopftuches zum eigenen Wohle zu verbieten. Ist ein kopftuchfreier Kopf Voraussetzung dafür, dass ein Mädchen die Chance hat, zu einer tatsächlich mündigen, selbstbewussten, gleichberechtigten Bürgerin unseres Landes zu werden?
Kelek: Wir müssen, bevor wir diese Frage stellen, überhaupt fragen: Warum trägt ein Mädchen oder eine Frau ein Kopftuch? Meiner Meinung nach gehört das Kopftuch in die Vergangenheit, müsste in die Vergangenheit gehören. Denn ein Kopftuch ist ein archaisches Symbol und dient eigentlich einem Bild der Unterdrückung der Frau. Das können wir daran sehen, dass nicht auch Männer Kopftuch tragen. Wenn es nämlich ein religiöses Gebot wäre, dass im Islam die Haare bedeckt werden müssen, dann müssten das ja Männer auch tun. Aber es müssen nur Frauen tun. Und sie müssen es deshalb tun, damit Männer vor der Frau geschützt werden. Das ist ein ganz bestimmtes Weltbild. Und um dieses Weltbild kümmere ich mich.
Deutschlandfunk Kultur: Aber es gibt natürlich auch eine Menge Frauen, das wissen Sie auch, Frau Kelek, die das Kopftuch als modisches Accessoire tragen, die es aus Tradition tragen, weil es zum Teil ihres kulturellen Erbes gehört. Und es gibt Frauen, die absolut selbstbewusst Kopftuch tragen. Es gibt zum Beispiel die berühmte Boxerin Zeina Nassar, die mehrfach Berliner und auch Deutsche Meisterin im Boxen geworden ist. Sie ist gläubige Muslima und sie boxt mit Kopftuch.
Kelek: Ja. Aber das sind so winzig kleine Ausnahmen, mit denen leider diese Frauen in die Öffentlichkeit gehen, anstatt dafür Sorge zu tragen, dass es viel, viel, viel mehr normal in der Gesellschaft und auch selbstverständlich ist, dass Frauen eben auch boxen dürfen oder einem Beruf nachgehen dürfen. Dieses ganze Weltbild, was dahintersteckt, um dieses Bild kümmern sich diese Frauen nicht. Sie haben es geschafft. Ich bewundere diese Frauen sehr. Aber ich frage mich, warum dabei das Kopftuch eine Rolle spielen soll. Aber das ist deren Entscheidung. Das respektiere ich. Aber wir müssen uns ja um das gesamte Weltbild in der Gesellschaft kümmern, warum Frauen Kopftuch tragen müssen. Das tun diese Frauen nicht.
Deutschlandfunk Kultur: Aber ein Kopftuch und starke Weiblichkeit, großes Selbstbewusstsein – das geht schon zusammen.
Kelek: Natürlich. Diese Frauen sind sogar so aktiv. Sie treten aber für ein Weltbild, für ein bestimmtes Gesellschaftsmodell ein. Sie finden es richtig, dass die Frau ihre Haare gegenüber dem Mann bedecken muss. Warum soll ich das gut finden?

Kopftuch steht für getrennte Welten von Männern und Frauen

Deutschlandfunk Kultur: Sie finden nur nicht, dass es falsch ist, es zu tun. Sie beharren einfach darauf, dass sie die gleichen Rechte, zum Beispiel Leistungssport zu betreiben - oder Musikerinnen manchen es ja auch – mit oder ohne Kopftuch haben.
Kelek: Ja. Aber in welchen Ländern wird denn ein Kopftuch getragen und erwartet, dass die Frau ein Kopftuch tragen soll? Das sind muslimische Länder. Da müssen wir uns die muslimischen Länder angucken. Ich bin Soziologin und keine Psychologin. Ich schaue mir die Gesellschaft an und frage mich, welche Rolle wird von der Frau erwartet in einem islamischen Land?
Da ist die Gesellschaft in Männer und Frauen getrennt. Die sollen sich eigentlich nicht begegnen. Jetzt haben es in Europa ein paar Moderne geschafft, in der Öffentlichkeit zu sein, aber sie sagen: Ich halte aber trotzdem weiter an diesem Gesellschaftsmodell fest. Und das finde ich falsch.
Deutschlandfunk Kultur: Nun ist es ja so, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass auch Frauen im Christentum, verheiratete Frauen Kopftücher getragen haben, in Spanien noch weit ins 20. Jahrhundert hinein. Irgendwann hat sich das erledigt, aber es ist nicht verboten worden.
Kelek: Ja, das musste es auch nicht, weil die Gesellschaft nicht in Männer und Frauen geteilt war. Es ist auch ein anderes Gesellschaftsmodell, wo die Frauen sich durchsetzen konnten, das Kopftuch ablegen konnten. Wir haben feministische Frauenbewegungen. Wir haben überhaupt Frauenbewegungen. Und wir haben es geschafft, in ganz Europa ein gleichberechtigtes Gesetz zu haben, dass uns beiden – Männern und Frauen – die Gesellschaft gehört, auch die Öffentlichkeit gehört. Niemand muss mehr gegenüber den Männern die Haare bedecken oder den Körper verschleiern.

Schule muss frei von religiösen Geboten sein

Deutschlandfunk Kultur: Was ist mit der Freiheit, es entscheiden zu können, ob man es tut oder nicht? Denn wenn man den Mädchen das Kopftuchtragen verbietet, dann tragen sie es ja auch nicht freiwillig nicht, sondern unfreiwillig.
Kelek: Wir haben gerade in Hamburg einen Verein gegründet. Der nennt sich "Der säkulare Islam". Wir fordern, dass bestimmte Räume frei von religiösen Geboten und Verboten sein müsste. Das ist eine Schule. Wir reden nur von Schulen, die neutral gegenüber Religion sein müssen. Es muss in diesen Räumen einfach Sorge dafür getragen werden, dass Mädchen entdecken können, welche Fähigkeiten sie besitzen und wie sie diese Fähigkeiten zu einem Beruf entwickeln können.
Dabei geht es in der Schule nicht darum, wer welcher Religion nachgeht und wie diese Religion in der Schule praktiziert werden kann. Es geht uns ja nicht darum, dass auf der Straße in der Öffentlichkeit kein Kopftuch getragen werden soll. Es geht auch nicht um Frauen. Es geht nur um Mädchen, nur um Kinder. Das hat leider zugenommen. Besonders in der Schule macht sich das ja bemerkbar. Das hängt mit dem Islamismus und dem politischen Islam zusammen. Dieses Weltbild, das diese Islamisten wollen, wird zu wenig berücksichtigt.
Deutschlandfunk Kultur: In Österreich ist im vergangenen Jahr verboten worden, dass Mädchen sich verhüllen in der Grundschule. – Das ist dann die nächste Frage: Terre de femmes, in deren Vorstand Sie auch sind, möchte gern, dass das Kopftuch an der Schule bis zur Volljährigkeit verboten ist. Die Frage ist ja, ob das überhaupt rechtlich möglich ist.
Kelek: Ja, es ist rechtlich möglich. Wir haben zwei versierte Gutachten von Verfassungsrechtlern erstellen lassen können, die uns ganz klar dargestellt haben, dass das möglich ist. Warum sollte das auch nicht sein? Wir haben so was wie Kinderschutz. Wir haben ein Recht auf Kindheit. Und die Schule hat in erster Linie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder ihren Weg gehen können, so wie sie ihn selbstständig später leben möchten.
Deutschlandfunk Kultur: Aber wir haben im Art. 6 im Grundgesetz eben auch das Recht und die Pflicht der Eltern auf Erziehung und Pflege ihrer Kinder. Der Staat soll schon ein Auge darauf haben, aber es wäre natürlich ein ziemlich starker Eingriff.
Kelek: Das Gesetz geht viel, viel weiter. Natürlich gilt es das Elternrecht. Das Elternrecht geht auch vor. Aber gleichzeitig sind die Eltern verpflichtet, ihre Kinder so auf die Welt vorzubereiten, dass ihnen nichts im Wege steht. Und schauen wir uns doch diese Eltern und deren Haltung und deren Weltbild genau an. Warum erwarten sie von ihren Mädchen, dass sie ein Kopftuch tragen? Darum geht es uns ja: Das Mädchen entscheidet nicht für sich, das ist meine Position und meine Meinung. Die Eltern möchten das Kind eigentlich vorbereiten auf ein ganz anderes Leben, dass sie verheiratet wird, einem Mann dient und zu Hause eingesperrt ist.

Muslimische Mädchen oft "eingesperrt"

Wenn wir die richtigen Fragen stellen würden, wie diese muslimischen Familien leben, warum sie von ihren Mädchen das erwarten und was sie darüber hinaus erwarten, dann würden wir viel, viel mehr erfahren als nur von außen betrachtend. Ich höre immer wieder von Feministinnen und bin entsetzt, dass sie sagen: "Aber sie trägt das doch freiwillig." Dann frage ich: "Wissen sie Bescheid über deren Lebenswelt?"
Darf sie einen Beruf auswählen? Warum haben wir so wenig Pflegekräfte? Warum haben wir so wenig Altenpflegekräfte? Wir haben so viele Bereiche, wo die Frauen – auch Jungs, aber in diesem Falle Mädchen – gebraucht werden könnten. Aber diese Mädchen werden sehr früh verheiratet. Sie bekommen ganz schnell ein Kind und sind eingesperrt. Und keiner kümmert sich um diese Mädchen.
Deutschlandfunk Kultur: Aber da muss man natürlich schon fragen, ob sich all diese Probleme, die ja da sind, die Sie benennen, damit lösen lassen, dass man ein Kopftuch verbietet. Das hängt doch alles nicht an einem Stück Stoff.
Kelek: Das klingt so, als würden wir das Kopftuch verbieten wollen. Das wollen wir nicht. Wir möchten Mädchen die Möglichkeit in der Schule lassen, dass sie sich nur damit beschäftigen: Was kann ich lernen? Wie kann ich meine Fähigkeiten entwickeln?
Deutschlandfunk Kultur: Sie wollen es ihnen aber verbieten, ein Kopftuch zu tragen. Sie könnten es ja jetzt schon absetzen, wenn sie es mit sich selbst bzw. mit ihren Eltern in Einklang bringen können.
Kelek: Ich glaube, dass sie eben vor diese Wahl, dass sie das darf oder nicht darf oder möchte oder nicht möchte, nicht gestellt wird. Sondern sie wird von der Familie angehalten, das zu tun. Und wir möchten die Familien damit entlasten, die auch unter Druck geraten, weil die Nachbarn das tun, weil der soziale Druck immens ist und auch die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen, die permanent vor dieser Frage stehen.
Wenn nämlich mal eine Untersuchung in den Schulen durchgeführt werden würde, dann würden wir nämlich wissen, vor welchen Herausforderungen die Lehrer und Lehrerinnen immer stehen, weil die Mädchen nicht nur das Kopftuch tragen, sondern sie schwimmen nicht mit, sie machen keinen Sport. Sie möchten nur mit Kopftuchmädchen zusammen sein, setzen sich nicht neben die Jungs. Die Trennung als Gesellschaftsmodell wird dort einfach weitergelebt.

Recht auf Kindheit ohne Bevormundung durch eine Religion

Deutschlandfunk Kultur: Berlins Justizsenator Dirk Behrendt von Bündnis 90/Die Grünen sagt: "In einer multireligiösen Gesellschaft müsse es darum gehen, was jemand im Kopf und nicht auf dem Kopf hat." Muss es nicht tatsächlich eher darum gehen, auch in der Schule Frauen und Mädchen zu stärken und ihnen nicht etwas sozusagen zu nehmen?
Kelek: Also, überhaupt dieser Begriff "multireligiöse Gesellschaft", daran störe ich mich. Wir sind eine Bürgergesellschaft, Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft. Jedes Individuum hat das Recht, ohne die Bevormundung einer Religion oder durch die Familie erst mal ein Kind zu sein und nicht bestimmte, manchmal auch fanatische Vorstellungen der Eltern weiterzutragen – und das in der Schule. Das muss aufhören!
Wir müssen die Realität akzeptieren, dass in den Schulen der Islamismus, der politische Islam Einzug genommen hat. Die Kinder müssen darüber hinaus auch noch fasten. So was gibt es überhaupt nicht im islamischen Glauben, dass von Kindern Fasten erwartet wird. Sie sollen lernen und sich auf die Zukunft vorbereiten.
Trotzdem wird es gemacht. Und die Lehrer müssen immer wegschauen. Wir möchten, dass die Schule ein neutraler Ort ist, wo ein Recht auf Kindheit besteht und wo ich die Möglichkeit habe, meine Fähigkeiten zu entdecken.
Deutschlandfunk Kultur: Das Bundesverfassungsgericht und auch der Europäische Gerichtshof haben sich in den letzten Jahren immer mal wieder mit dem Thema Kopftuch befasst. Beispiel: Eine muslimische Lehrerin in Berlin sollte ihr Kopftuch nicht mehr tragen dürfen. Dagegen hat sie geklagt und hat, in dem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht, Recht bekommen.
Aber auch die Verfassungsgerichte bzw. der Europäische Gerichtshof haben immer wieder betont: "Wenn man das Kopftuch verbietet, dann müssen auch Kreuze und Kippas verboten werden." Man kann man sich nur darauf berufen, dass es eine Neutralitätspflicht in öffentlichen Institutionen gibt. Und da muss dann sozusagen alles weg – das Kopftuch allein lässt sich eben nicht unbedingt verbieten.
Kelek: Ich sehe das nicht so. Auch die Gerichte schauen nicht, welches Gesellschaftsmodell diese Lehrerin auf dem Kopf trägt. Wir müssen uns anschauen, welches Gesellschaftsmodell das Kreuz trägt oder eine Kippa trägt. Dann sehen wir die Unterschiede. Ich bin für Frauenrechte. Die Frau wird auf jeden Fall mit dem Kopftuch benachteiligt. Darum geht es.

Kippa, Kreuz und Kopftuch haben nichts miteinander zu tun

Wenn eine Religion die Frauen benachteiligt, dann müssen wir dagegen sein. Wir müssen alles für die Mädchen tun, dass sie ihr eigenes Leben leben können. Sie können es aber nicht. Das hängt nicht nur mit diesem Kopftuch zusammen, sondern dass sie dem Mann untertan ist, dass sie einen Vormund braucht zum Beispiel, dass sie überhaupt ein Schriftstück unterschreiben kann. Es gibt diese Vormundsvorstellung noch. Es gibt sogar Imam-Ehen, die ganz selbstverständlich legal in den Moscheen Imam-Ehen schließen und unsere Gesellschaft schaut weg, weil das wieder vielleicht unter Religionsfreiheit gepackt wird. Es läuft also sehr, sehr vieles schief. Es werden immer merkwürdige Dinge miteinander verglichen. Kippa, Kreuz und ein Kopftuch haben nichts miteinander zu tun.
Deutschlandfunk Kultur: Diese Haltung, die Sie vertreten, ist das eine Minderheitsmeinung? Der Aussage, es sollte verboten sein, dass muslimische Schülerinnen in der Schule Kopftuch tragen, stimmen Anfang vergangenen Jahres in einer Umfrage im Auftrag des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung nur 37 Prozent der Befragten voll oder eher zu, darunter interessanterweise mehr Männer. Und 85 Prozent der jungen Menschen zwischen 14 und 25 waren gegen dieses Verbot, bei den Schülern sogar knapp 90 Prozent.
Kelek: Das wundert mich, aber die Migrationsforschung kümmert sich ja auch überhaupt nicht um das Weltbild dieser Mädchen. Kennen Sie eine einzige Studie, die sich darum kümmert, wie früh die Mädchen verheiratet werden, warum sie verheiratet werden und warum sie zudem auch noch Kopftuch tragen?
Wer in so einem Gesellschaftsmodell groß wird, findet das natürlich normal, weil, diese Kinder ja wenig Reflexionsmöglichkeit über ihr Leben haben. Und die Schulen sind leider keine Alternative mehr, dass ich ein anderes Leben dort finde, wo ich genau da, wo ich herkomme, das mal infrage stellen kann und zweifeln lernen kann. Das wird ja alles gar nicht mehr getan. In der Schule werden diese Kinder nur noch betreut. Wer einmal in eine Schule geht und mit den Mädchen spricht, erfährt was ganz anderes als das, was diese Studien uns sagen.
Das beobachte ich schon seit Jahrzehnten. Wir bekommen ja überhaupt keine Unterstützung und keine wissenschaftlichen Studien für die Situation der Mädchen, wie es eigentlich tatsächlich aussieht.

Nähe zur Argumentation von Rechtsextremisten?

Deutschlandfunk Kultur: Beunruhigt Sie es eigentlich, Frau Kelek, dass Sie mit der Argumentation stark in die Nähe der extrem Rechten in Deutschland rücken bzw. die Sie mit Ihrer Argumentation instrumentalisieren?
Kelek: Ich habe mich immer um die Rechte der Mädchen und Frauen gekümmert. Ich bin selber in einer muslimischen Welt sozialisiert worden. Ich weiß ganz genau, was von den Frauen erwartet wird. Nur das Thema interessiert mich. Darüber hinaus kümmere ich mich nicht darum, welche rechte Partei, extremistische Partei was von sich gibt. Komischerweise, genau die Liberalen, die mich kritisieren, schauen nicht, was der Islamismus mit unserem Land macht. Das sind nämlich Extremisten. Das sind auch Rechte. Wir haben die Grauen Wölfe. Wir haben die Salafisten. Jahrzehnte haben wir darüber geschrieben und berichtet. Niemand nimmt das ernst. Aber mir zu sagen, "sie kümmert sich um die Frauenrechte und liefert Argumente für die Rechten" – das kann ich nicht akzeptieren.
Deutschlandfunk Kultur: Selbst wenn man Ihrer Argumentation folgen mag, Frau Kelek, kann man sich doch fragen, ob man sich da in eine extrem aufgeladene Debatte verhakt, die schlussendlich, wenn es um Miteinander auf Augenhöhe, wertschätzendes Miteinander, um Integration geht, eher kontraproduktiv ist?
Kelek: Ich beobachte die Deutschen, wie geladen oder wie engagiert gegen Rechtsextremismus aufgetreten wird, wie viele Milliarden zum Beispiel die Regierung dafür Geld ausgibt. Genau mit dieser Leidenschaft, genau mit diesen Argumenten argumentiere ich, was innerhalb der muslimischen Welt passiert.
Wir hatten die ganzen Attentate. Egal, was passiert: Eine Woche später wird über Rechtsextremismus unter den Deutschen debattiert, Gelder werden dafür ausgegeben. Ich mache das mit genau dieser gleichen Leidenschaft und Befürchtung und Angst übrigens, dass der Islamismus irgendwann noch schlimmer – es ist ja schon sehr schlimm – noch schlimmer auftreten wird.
Deutschlandfunk Kultur: Trotzdem muss man sich vielleicht schon mit dem auseinandersetzen, was der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans-Michael Heinig sagt: "Man wird bezweifeln dürfen, ob wir als Gesellschaft gut beraten waren, uns derart obsessiv damit zu beschäftigen, was Muslima auf dem Kopf tragen, anstatt uns ernsthaft darauf zu konzentrieren, was im Kopf gedacht wird."
Kelek: Sehr schön! Dann soll er die Frage stellen. Was trägt sie denn in ihrem Kopf, dass sie ein Kopftuch tragen muss im 21. Jahrhundert? Dieser Frage müssen wir nachgehen. Dafür müssen Gelder kommen. Wir brauchen diese Studien, damit auch dieser Herr überzeugt ist und weiß, was diese Frau im Kopf hat. Ich kenne darüber keine einzige Studie.

Alle Frauen sollen "ihr eigenes Leben leben" können

Deutschlandfunk Kultur: Interessant ist natürlich schon, dass wir Probleme benennen, die es für Frauen gibt, die aus einem kulturellen Hintergrund kommen, der mit Frauenrechten nicht unbedingt einhergeht, dass es aber festgemacht wird an einem Symbol. Vielleicht weil es auch greifbarer ist? Weil man das eher verbieten kann als das Denken einer bestimmten Art und Weise und damit die wirklichen Probleme nicht anspricht? Kinderehen, Sie haben es schon gesagt, die Entmündigung von Frauen und Mädchen, Zwangsheirat, Unterdrückung usw.
Kelek: In unserem Verein ging es seit Beginn – seit vierzig Jahren gibt es Terre des Femmes – zu allererst darum, sich um die Beschneidung von Mädchen zu kümmern, um die Zwangsverheiratung, Kinderehe – alles, was mit Frauenunterdrückung zum Beispiel innerhalb der muslimischen Gesellschaft, aber überhaupt innerhalb aller Gesellschaften passiert. Es ist ja nicht nur, dass wir jetzt sagen, "dieses Symbol Kopftuch soll weg". Dieses Symbol Kopftuch steht eben auch für das Ganze: Sie wird verheiratet. Sie kann sich freiwillig für das Heiraten entscheiden, aber wenn nicht, wird sie trotzdem verheiratet. Die meisten muslimischen Frauen und Mädchen haben keine Berufsausbildung. Woher kommt das? Weil in erster Linie für sie gedacht ist und für sie überlegt ist, dass sie heiraten muss. Dann ist sie zu Hause in einer Form von Familie, wo sie nicht mehr rauskommt und ihr eigenes Leben leben kann.
Deutschlandfunk Kultur: Wenn es ein generelles Kopftuchverbot allgemein für Groß und Klein nicht geben kann –, ob es soll, ist noch eine andere Frage, aber juristisch nicht geben kann – es möglicherweise aber tatsächlich rechtlich möglich wäre, es für Kinder in der Schule durchzusetzen, kann dann nicht auch noch etwas anderes passieren, nämlich dass dann Kopftuchtragen fast attraktiver wird, weil es mit Erwachsensein verknüpft wird unter dem Motto: "Wenn ich mal groß bin, dann darf ich auch Kopftuch tragen wie meine große Schwester"?
Kelek: Dann soll sie das machen! Aber sie soll vorher erfahren, was sie kann. Was kann denn ein Mädchen? Welchen Beruf kann sie denn ausüben? Ich bin dafür, dass sie zuallererst so sozialisiert werden muss, dass sie zuallererst denkt: "Welchen Beruf werde ich erlernen? Wie kann ich diesen Beruf ausführen? Wo kann ich diesen Beruf lernen?" Dann kann sie entscheiden, wen sie heiraten möchte. Dann kann sie entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen möchte, aber vielleicht auch nach Nepal geht und Buddhistin wird oder einen anderen Weg geht, weil wir haben ja die Möglichkeit auszusuchen, dass wir eine Religion für uns wählen dürfen. Wir haben Religionsfreiheit. Das bedeutet ja auch die negative Religionsfreiheit. Das heißt, sie kann auch eine Atheistin werden.
Das alles kann sie doch in einem neutralen Raum wie der Schule lernen. Und dann kann sie später entscheiden, welchen Weg sie gehen kann.

Sorge, dass politischer Islam "hoffähig ist"

Deutschlandfunk Kultur: Viele sagen, dass einen viel größeren Einfluss auf das Zusammenleben und vor allen Dingen auf die Frage, ob Mädchen oder Frauen selbstbestimmt leben können, das hat, was in Moscheen und Koranschulen vermittelt wird. Muss man nicht fordern als mindestens genauso wichtiges Element wie ein Kopftuchverbot in der Schule, dass die Imam-Ausbildung ausschließlich in Deutschland geschieht? Bisher ist es doch so, dass 2.000 Imame von rund 2.600 deutschen Moscheegemeinschaften aus dem Ausland entsandt werden.
Kelek: Ja, auch da ist ein Thema für uns. Seit Jahrzehnten schreiben darüber wir säkularen Muslime – uns gibt es übrigens auch! – und wir haben große Sorge, dass dieser politische Islam hoffähig ist und dass er in der Gesellschaft als selbstverständlich akzeptiert wird, mittlerweile auch zu Werbezwecken sogar benutzt wird.
Dieses Weltbild wird geprägt in den Moscheen. Seit Jahrzehnten schreiben wir und diskutieren wir darüber, dass wir die Imame hier ausgebildet haben möchten. Jetzt hat aber die Bundesregierung tatsächlich entschieden, eine Imam-Ausbildung hier in Deutschland sogar staatlich zu fördern. Aber es sind wieder die Moscheen, die da selber entscheiden sollen.
Das heißt, dass DİTİB, der von der Türkei gesteuerte Muslim-Verein hier, die Hodschas nicht mehr in Ankara ausbildet, sondern hier in Deutschland. Und dafür bekommen sie Gelder von der Regierung. Das heißt, nicht ein Herr Khorchide, der in Münster eine wunderbare Möglichkeit hat, am Institut Imame auszubilden, nicht er wird groß unterstützt, sondern es werden wieder Moscheen unterstützt. Das sehe ich als sehr, sehr falsche Entscheidung.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt ja mittlerweile seit zehn Jahren an sechs oder sieben Unis Institute für islamische Theologie. Allerdings, was Sie ansprechen, ist, dass der praktische Teil der Ausbildung eben immer noch in der Regie der Religionsgemeinschaften ist.
Würde dem denn etwas entgegengesetzt werden können, wenn man öffentliche Imam-Seminare für diesen praktischen Teil hätte? Wobei man dann Einfluss auch auf das Curriculum, also Meinungsfreiheit beispielsweise, religiöse Toleranz und so etwas hätte.
Kelek: Ja. Wir brauchen eigentlich Studiengänge an den Universitäten, Theologie für Islam-Wissenschaften, obwohl wir das ja haben, aber wir haben keine kritische Islamwissenschaft. Wir brauchen eine Studie, wo mit modernen Verfahren interpretiert werden darf, um ein zeitgemäßes Islamverständnis überhaupt zu bekommen.

Wir brauchen einen modernen, einen "deutschen Islam"

Wir möchten unbedingt, dass wir einen Islam in Deutschland leben können, der ein moderner Islam ist, der meinetwegen deutscher Islam sogar genannt werden kann, und unabhängig sind auch von den Herkunftsländern, die die Inhalte bestimmen und auch bestimmen, wie Frauen zum Beispiel zu leben haben.
Deutschlandfunk Kultur: Die Imam-Ausbildung ist ja immer wieder auch Thema in der Deutschen Islamkonferenz. Sie waren da selber Mitglied, allerdings nur zu Anfang, 2005 bis 2009. Sie sehen sie ziemlich kritisch. Hat die Islamkonferenz gar keine Verdienste?
Kelek: Die Islamkonferenz hat mit großen Verdiensten angefangen, und zwar, uns alle auf einer Plattform zusammenzubringen – säkulare Muslime und Verbandsvertreter –, um einen Wertekonsens gemeinsam finden zu können. Das war eine wunderbare Form oder Idee. Durch die Macht der Verbände – die vom Ausland übrigens auch stark auch gestützt wird –, hat mit Druck dafür gesorgt, dass sie die einzigen Gesprächspartner geblieben sind.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt den Zusammenschluss des säkularen Islam. Auch sie finden keine Rolle in dieser deutschen Islamkonferenz, dass man als Organisation, als Zusammenschluss säkularer Islam Teil dieser Konferenz ist?
Kelek: Ja, das ist auch sehr, sehr schade. Eigentlich brauchen wir, gerade wir Muslime, weil wir in den Herkunftsländern diese Möglichkeit nicht haben, eine kritische Auseinandersetzung, theologische Auseinandersetzung des Islam hier in Europa. Wir brauchen diese unterschiedliche Meinung, denn unsere Unterschiede machen uns ja auch aus. Wir müssten hier in Deutschland lernen, das wertzuschätzen. Dass wir uns unterschiedlich mit diesem Islam auseinandersetzen, ist ja eine Religion. Ich darf Islam kritisieren. Das müsste ich hier lernen. Und dafür müssten die Universitäten uns eigentlich zur Verfügung stehen, dass wir uns theologisch streiten, um einen bestimmten Wertekonsens auch gemeinsam zu finden. Das zu verlagern außerhalb der Universitäten in die Politik – das macht keinen Sinn. Ich möchte, dass die Universitäten sich dafür zuständig fühlen. Es soll, muss wieder dort debattiert und kritisch gedacht werden.

Konservativer Islam dominiert die Deutsche Islamkonferenz

Deutschlandfunk Kultur: Trotzdem, um noch mal einen Moment bei der Islamkonferenz bleiben: Sie sagen, dass die Verbände, die da eine wesentliche, in letzter Zeit wahrscheinlich sogar die vorherrschende Rolle spielen, eben nur einen Teil der rund vier Millionen Muslime in Deutschland repräsentieren. Es sind wohl in der Tat nur 25 Prozent, die diese Verbände vertreten. Das sind Verbände, die ein eher konservativeres Bild vom Islam haben. Auf der anderen Seite: Macht es denn nicht Sinn, eben mit denen zu reden, die diesen Überzeugungen anhängen? Denn die muss man doch gewinnen. Die muss man überzeugen von den Vorteilen einer freiheitlichen Gesellschaft und nicht Menschen, wie Sie, die ohnehin dieses Weltbild haben.
Kelek: Es geht bei diesen Debatten mit diesen Verbandsvertretern ja nicht um Überzeugung. Diese Herrschaften, es sind übrigens nur Männer, es sind Männer, die zu Regierungsvertretern gehen und sagen, "das und das und das brauchen wir". Und sie sprechen permanent davon, dass sie diskriminiert werden. Wo ihre Frauen sind, warum sie ihre Frauen diskriminieren, warum ihre Mädchen nicht studieren, warum ihre Kinder nicht frei sind, darüber wird ja überhaupt nicht diskutiert. Deshalb haben sie und wir Säkularen uns ja auch irgendwann nicht mehr verstanden und auch keinen Konsens finden können.
Es wird von ihnen nichts erwartet. Es wird von ihnen nichts gefordert, außer dass man ihnen selbst zu Schluss sagt: "Bitte bildet eure Imame wenigstens hier aus." Ansonsten, inhaltlich wird überhaupt nicht gestritten.
Deutschlandfunk Kultur: Aber zum Beispiel der Autor und Psychologe Ahmad Mansour sagt – er war auch Teil der Konferenz: "75 Prozent der Muslime in Deutschland sind in der Debatte nicht sichtbar." – Das berührt sich dann mit dem, was Sie sagen –, aber er sagt weiter: "Die meisten Muslime in Deutschland leben ihre Religion auf eine selbstbestimmte Art und Weise". Abgelehnt vielleicht von den besagten Verbänden, aber diese 75 Prozent haben doch kein Problem.
Kelek: Aber die islamische Gesellschaft ist ganz anders zusammengestellt und versteht auch die Religion ganz anders als in Europa. In Europa gibt es die Freiwilligkeit der Menschen, ob sie religiös sein möchten, so genannt werden möchten oder nicht. Diese Möglichkeit haben wir nicht, weil der Islam sich nicht von Politik getrennt hat. Wir brauchen diese Auseinandersetzung, dass der Islam nur säkular gelebt werden kann und darf, genau wie das Christentum. Ich darf eintreten, austreten. Ich darf selber entscheiden. Dafür müssen wir die Muslime überzeugen, dass das jetzt unser menschliches Recht ist, unser Anteil unserer Freiheit ist. Diese Auseinandersetzung fehlt leider.

Islamkonferenz in jetziger Form abschaffen

Deutschlandfunk Kultur: Und in der Konsequenz? Sollte man die Islamkonferenz abschaffen?
Kelek: Jetzt, wie es zum Schluss geführt wurde, ja.
Deutschlandfunk Kultur: Das hat sich aus Ihrer Sicht beim jüngsten Treffen im November wieder bewahrheitet, wo ja Sie und auch andere kritisiert haben, dass das Thema Terror nach den schrecklichen Anschlägen von Paris, Nizza, Dresden und Wien nicht auf der Tagesordnung stand. Auf der anderen Seite ist das vielleicht nicht das Forum, wo man dieses Thema besprechen kann, soll, muss. Denn keiner der dort Anwesenden ist in irgendwelche terroristischen Aktivitäten verstrickt oder heißt die auch nur gut.
Kelek: Wenn im Namen meiner Religion Menschen geköpft werden, abgeschlachtet werden, dann ist es meine Pflicht als Bürgerin und Bürger, dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht! Da muss ich auf die Straße gehen! Da muss ich mir die religiösen Texte angucken, worauf diese Mörder sich berufen.
Wenn das nicht auf einer Islamkonferenz thematisiert wird, dann frage ich mich: Wo? Dann geht es tatsächlich nur darum, Moscheen zu bauen und noch mehr für die Geschlossenheit dieser Männer zu sorgen. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, dass die Bundesregierung diese Geschlechtertrennung, dieses Gesellschaftsmodell damit sogar toleriert, weil das ja auch nicht debattiert wird.
Kein deutscher Politiker fragt direkt einen Mann: "Wo ist eigentlich Ihre Frau, warum kommt sie nie mit?" Sie darf gar nicht mit. Aber das ist ein Teil des Islam. Wenn wir uns diese Religion und die Vorgaben dieser Religion nicht genau anschauen, dann brauchen wir auch keine Islamkonferenz.
Deutschlandfunk Kultur: Sie selbst sagen von sich ausdrücklich, dass Sie sich nicht als Muslimin sehen, sondern als deutsche Staatsbürgerin mit Wurzeln im islamischen Kulturkreis. Gibt es aus Ihrer Sicht die Möglichkeit für einen Islam, der zu Deutschland gehören kann?

Islam kann in der Demokratie ankommen

Deutschlandfunk Kultur: Sie selbst sagen von sich ausdrücklich, dass Sie sich nicht als Muslimin sehen, sondern als deutsche Staatsbürgerin mit Wurzeln im islamischen Kulturkreis. Gibt es aus Ihrer Sicht die Möglichkeit für einen Islam, der zu Deutschland gehören kann?
Kelek: Ja, einen säkularen Islam. Ich bin ein gläubiger Mensch. Das lasse ich mir von niemandem nehmen. Aber ich lasse mir auch nicht von Männern vorschreiben, wie ich den Islam zu leben habe. Die Türkei war ein säkulares Land. Die haben Jahre ohne Allah und den Koran-Vorgaben leben können. Es ist möglich. Auch der Islam kann in Demokratie ankommen, muss in der Demokratie ankommen.
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