Soziologe: Junge Leute brauchen Auto "nicht mehr zum Angeben"

27.04.2011
Das Auto steht für viele junge Menschen in Ballungszentren nicht im Mittelpunkt ihrer Verkehrsplanung, sagt der Mobilitätsforscher Andreas Knie. Zudem würden sich die steigenden Preise für Benzin im Verhalten aller Autofahrer bemerkbar machen.
Marcus Pindur: Man muss nicht gleich mit dem Porsche Cayenne zum Altglascontainer fahren, um sich der umweltpolitischen Heuchelei schuldig zu machen, wie ein Kommentator in der "Süddeutschen Zeitung" jüngst die Haltung einer gewissen wohlhabenden Grünen-Klientel angeprangert hat. Manchmal ist selbst die Fahrt zur Arbeit mit dem Kleinwagen zwar bequem, aber unter Umständen auch überflüssig. Die steigenden Spritpreise geben jetzt dem einen oder anderen Autofahrer deutlich zu denken. Wie kann ich mobil bleiben und gleichzeitig die Mobilität in bezahlbaren Grenzen halten?
Eine Frage, die ich an Andreas Knie weiterleite, er ist Mobilitätsexperte und Professor für Soziologie an der Technischen Universität Berlin und am Wissenschaftszentrum Berlin. Guten Morgen, Herr Knie!

Andreas Knie: Guten Morgen!

Pindur: Macht sich der steigende Spritpreis tatsächlich im Verhalten der Verbraucher bemerkbar?

Knie: Ja, das kann man jetzt schon wieder erkennen, das konnten wir auch schon im Jahre 2008, als wir eine analoge Situation schon hatten, auch erkennen. Dort haben die steigenden Spritpreise dazu geführt, dass tatsächlich weniger gefahren wurde.

Pindur: Der Individualverkehr ist aber immer noch ein hoch attraktives Konzept. Man muss sich nur mal angucken, wie die Wachstumsraten zum Beispiel in den Schwellenländern bei den Autoverkäufen ist. Macht sich bei uns tatsächlich schon ein signifikanter Trend weg vom Auto bemerkbar?

Knie: Also so pauschal kann man es sicherlich noch nicht sagen, denn wir haben ja nun 40, 50, 60 Jahre gebraucht, um das Auto quasi in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen, wir haben unsere gesamten Raum- und Zeitplanungen auf das Thema abgestellt. Wir haben alles getan, damit das Auto im Mittelpunkt unserer gesamten Struktur steht, und da kann man sich nicht von heute auf morgen verabschieden. Also wir sehen, dass die erhöhten Preise, die man für den Sprit, auch für den Diesel zahlen muss, dass erst mal weniger gefahren wird, aber dass man natürlich dann anfängt, schon über Alternativen nachzudenken. Und der große Gewinner war im Jahr 2008, und wird es auch dieses Jahr wieder sein, das Fahrrad. Man steigt dann schon mal öfters aufs Fahrrad um.

Pindur: Jetzt ist aber nicht für jeden das Fahrrad sozusagen eine gute Möglichkeit, um zur Arbeit zu gelangen, sagen wir es mal. Also auf dem Land oder in großen Flächenländern, wo man es unter Umständen ein bisschen weiter zum Arbeitsplatz hat. Da wird der eine oder andere doch nicht aufs Auto verzichten können?

Knie: Also es gibt ja mehrere Signale. Es gibt jetzt die teuren Spritpreise, wir haben über Fukushima eine ganze Reihe gehört, wir wissen, dass wir über unsere Energieressourcen generell neu nachdenken. Und jetzt fangen viele Leute an, doch darüber nachzudenken, wie wichtig ist denn das Automobil und habe ich denn nicht um das Automobil, quasi mit dem Auto im Kopf alle meine Planungen organisiert, kann ich das denn nicht anders machen? Natürlich, jetzt sind wir alle mehr oder weniger abhängig vom Auto oder glauben es jedenfalls zu sein, aber in den Städten sehen wir eine deutliche Tendenz, gerade bei jungen Leuten, doch das Auto kritischer zu sehen und eine Lebensweise auch jenseits des Autos zu organisieren, was in Ballungsräumen in Deutschland jedenfalls sehr gut funktioniert.

Pindur: Sind Sie denn der Ansicht, dass die Menschen generell bereit sind, sich auch auf andere Mobilitätskonzepte als das Auto einzulassen, oder sind das dann doch eher Lippenbekenntnisse?

Knie: Ja, es gibt deutlich messbare Tendenzwechsel, um das mal so ganz vorsichtig zu sagen, bei jungen Leuten. Also wir haben nun viele Menschen ja zwischen 16 und 19, die doch anders aufwachsen, als das noch die Menschen vor 10, 15, 25 Jahren getan haben. Also der junge Mensch ist heute wesentlich pragmatischer unterwegs, er braucht das Auto nicht mehr zum Angeben, er muss seinen Status in der Gesellschaft nicht mehr mit der Zahl der Zylinder darstellen, mit der Menge der Kubikzentimeter. Das wird heute durch andere Insignien dargelegt, durch Handys, durch Formen, wie man sich kleidet, welche Musik man hört. Also das sind keine Lippenbekenntnisse, sondern das sind deutlich erkennbare Zeichen, dass eben junge Leute das Auto nicht mehr so in den Mittelpunkt rücken, wie das Generationen davor getan haben.

Pindur: Wer das nicht mehr tut, das Auto so in den Mittelpunkt seines mobilen Lebens zu stellen, zu welchen Alternativen wird denn da gegriffen?

Knie: Ja also, das ist natürlich am Land anders, am Land ist das Auto immer noch wichtig. In Ballungsräumen sind das einfach die öffentlichen Verkehrsmittel, die deutlich zugewonnen haben bei Jugendlichen, und natürlich auch das Rad oder auch das Zufußgehen und vor allen Dingen das Kombinieren von allem. Es wird auch nicht am Auto vorbeigegangen, also man sollte es jetzt nicht so weit überdehnen, dass auch junge Leute, wenn sie älter werden, gänzlich vom Auto wegkämen. Nein, sie ordnen es einfach in eine Gesamtlinie von Verkehrsmitteln ein, wie man sie eben auch in der Stadt verfügbar hat. Also man fährt Bus, man fährt U-Bahn, man fährt Straßenbahn, man fährt Auto und man fährt auch eben mal Rad.

Pindur: Darf ich Sie persönlich fragen, Sie leben in Berlin, wie stellen Sie Ihre Mobilität her?

Knie: Genau so. Ich kombiniere alles, was gerade geht, alles, was mir gerade unter die Finger kommt, nutze ich. Aber ich habe kein Eigentum mehr an einem privaten Verkehrsmittel, das braucht man in einer Stadt wirklich nicht mehr.

Pindur: Andreas Knie, Professor für Soziologie und am Wissenschaftszentrum Berlin beschäftigt zur Zeit. Vielen Dank, Herr Knie, für das Gespräch!

Knie: Gerne doch, Wiederhören!
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