Samstag, 20. April 2024

Archiv

G20-Gipfel in China
Die deutsche Präsidentschaft und die Rolle der Wirtschaftslobby

In diesem Jahr wird Deutschland die G20-Präsidentschaft von China übernehmen. Im Vorfeld treffen sich deshalb Wirtschaftsvertreter aller G20-Länder, um zukünftige Schwerpunkte zu besprechen. Dabei wollen die deutschen Wirtschaftsverbände vor allem die Folgen der Digitalisierung für den internationalen Handel in den Fokus rücken.

Von Jule Reimer | 01.09.2016
    Figuren mit den Staats- und Regierungschefs, die zum G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou erwartet werden.
    Figuren mit den Staats- und Regierungschefs, die zum G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou erwartet werden. (imago / China Foto Press)
    "In der B20 treffen sich um die 1.000 Wirtschaftsvertreter aus allen G20-Ländern, um über ein Jahr hinweg Empfehlungen für die G20 für die großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln", erklärt Stormy-Annika Mildner. Sie ist die deutsche Sherpa beim großen Treffen der Wirtschaftsverbände und Unternehmensvertreter aus den G20-Staaten am 3. und 4. September in Hangzhou.
    Im Alltag die Außenhandelsexpertin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ist Mildner die zentrale Figur, die im Hintergrund die deutsche B20-Präsidentschaft vorbereitet, deren Vorsitz Jürgen Heraeus, Aufsichtsratsvorsitzender beim gleichnamigen Technologiekonzern übernimmt.
    Zu sieben Arbeitsgruppen wollen die deutschen Wirtschaftsverbände BDI, BDA und DIHK ihre Kollegen und Kolleginnen aus den anderen G20-Staaten in den nächsten zwölf Monaten einladen: Handel, Investitionen fördern, Klimawandel und Korruption bekämpfen, sich um Bildung und Jobs kümmern.
    Neu auf der Agenda: Folgen der Digitalisierung für den Handel
    Alles Themen, bei denen es durchaus knirschen kann, weil die Ordnungsvorstellungen unterschiedlich sind, berichtet Mildner - aber genau deshalb setze man sich ja an einen Tisch. Neu auf der Agenda: Die Folgen der Digitalisierung für den internationalen Handel:
    "Wir haben international noch nicht viele Regeln, wie wir mit den Herausforderungen der Digitalisierung umgehen wollen. Also, wie regeln wir den internationalen Handel beispielsweise. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir Cybersicherheit herstellen in unserer digitalen Wirtschaft, wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie wir mit datenschutzrechtlichen Fragen umgehen."
    Denn es stellen sich ganz neue Fragen: Zum Beispiel in welche Handelskategorie gehört das jeweilige digitale Produkt eigentlich? Ist es eine Ware oder eine Dienstleistung? Jede Entscheidung hat Folgen: Denn die Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO haben sich gegenseitig für Waren, für Produkte viel weitreichendere Handelsfreiheiten zugesichert als für Dienstleistungen.
    Wirtschaftsvertreter befassen sich zunehmend mit Sicherheitspolitik
    Zwischen 2008 und 2012 stand bei den B20-Treffen die Stabilisierung der Finanzmärkte im Vordergrund. Ab 2013 nutzten die Wirtschaftsverbände aus Australien, der Türkei und China ihre jeweils einjährige Präsidentschaft dazu, um Fortschritte bei der Doha-Handelsrunde zu erzielen. Doch angesichts von Terroranschlägen, Cyberattacken und Seepiraterie befassen sich die Wirtschaftsvertreter heute zunehmend auch mit Sicherheitspolitik. Stormy-Annika Mildner:
    "Wenn man daran denkt, dass unsere globalen Wertschöpfungsketten immer länger und immer komplexer geworden sind und in immer mehr Ländern produziert wird, dann kommen wir automatisch auch zur Sicherheit von Lieferketten."
    Neben den Wirtschaftsvertretern pflegt sich jede Regierung während ihrer Präsidentschaft auch mit anderen Gruppen auszutauschen. So gibt es mittlerweile Treffen mit Jugend- und Gewerkschaftsvertretern und IWF-Chefin Christine Lagarde hat mit dazu beitragen, dass neuerdings auch die Frauenverbände als W20 dabei sind.
    Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik und das Kieler Institut für Weltwirtschaft sollen gemeinsam mit anderen Denkfabriken der G20 für etwas mehr Kontinuität im G20-Prozess sorgen. Denn bisher sucht sich jede Regierung die Schwerpunkte ihrer Präsidentschaft selbst heraus – was der Umsetzung der getroffenen Beschlüsse nicht immer zu Gute kommt, bemängeln Kritiker.