Sozialarbeit und Fußball

Das Potenzial versiegt an den Fördertöpfen

23:24 Minuten
Ein Torwart mit einem Trikot von FC Internationale hält einen Ball.
Der FC Internationale Berlin definiert sich nicht über Erfolge, Spielklassen oder Tabellenstände. © imago / Sebastian Wells
Von Thomas Wheeler · 13.06.2021
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Fußball kann zum gesellschaftlichen Zusammenhalt viel beitragen. Ein Vorbild dafür sind der FC Internationale Berlin und die gGmbh Rheinflanke. Mangels Finanzierung stößt deren Kooperation an Grenzen. Doch es gibt Ideen, das zu lösen.
Wir kommen alle als Entdecker auf die Welt. Mit jedem Tag können wir mehr und lösen uns von unseren Eltern. Auf dem Weg durch unser Leben helfen uns Sprache und Bewegung, zueinander zu finden und uns voneinander zu unterscheiden. Über Kommunikation und Kooperation lernen wir einander kennen und miteinander zu leben.
Diese Grundsätze sind auch der Leitgedanke für die Zusammenarbeit des Berliner Fußballvereins FC Internationale mit dem sozialen Bildungsträger Rheinflanke gGmbH. Beide sind seit 2015 Partner.

Besonderer Fußballverein

Ein paar Schritte entfernt vom Autobahnkreuz Schöneberg ist das Rauschen der vorbeifahrenden Pkw, Lkw und Busse permanent zu hören. Eine der Zubringerstraßen ist der Vorarlberger Damm. Er ist auf beiden Seiten von Grünflächen umgeben.
Dort residieren Kleingartenvereine wie die "Kolonie Burgfrieden" und "Glück im Winkel" sowie einige Sportvereine. Darunter ist der FC Internationale Berlin. Der Klub wurde 1980 gegründet und verstand sich damals als Antwort auf die zunehmende Kommerzialisierung des Berliner Fußballs.
Von Anfang an definierte der Verein sein Selbstverständnis nicht über Erfolge, Spielklassen oder Tabellenstände. Fußball, so die Philosophie, kann auch leistungsorientiert, vor allem aber aus Spaß gespielt werden und nicht vorrangig wegen des schnöden Mammons.
Bis heute zahlt Internationale keine Gehälter. Und das, obwohl Spieler im Berliner Amateurfußball bis hinab in die neuntklassige Kreisliga Geld verdienen können. Wenn auch in sehr unterschiedlicher Höhe. Das erste Frauenteam von Internationale spielt gegenwärtig in der viertklassigen Verbandsliga, die erste Männermannschaft in der siebtklassigen Landesliga.

Gründer setzen sich durch

Einer, der den Weg des Vereins seit 2003 aktiv mitgestaltet, ist der erste Vorsitzende Gerd Thomas: "Der Verein sollte eigentlich FC Berlin heißen. Dieser Name war geschützt für eine etwaige Fusion von zwei großen namhaften Westberliner Fußballvereinen, die häufiger mal in Schwierigkeiten steckten und dann gedacht haben: Dann schützen wir mal den Namen FC Berlin."
Das war zu den Zeiten, als die Stadt noch durch die Mauer geteilt war und Hertha BSC und Tennis Borussia die beiden tonangebenden Fußballvereine im Westteil waren.
In den 1980ern, als sich Internationale gründete, verloren diese Klubs jedoch immer mehr von ihrer Strahlkraft. Vor allem durch Misswirtschaft und sportliche Erfolglosigkeit wendeten sich viele Berliner und Zugezogene von Hertha und TeBe ab. Einige von ihnen suchten stattdessen den sauberen und ehrlichen Fußball und fanden ihn bei Internationale.
"Da ein Teil der Gründer unter dem Namen Internationale Studenten damals spielte, hat man daraus FC Internationale Berlin gemacht. Der Fußballverband wollte den Namen FC Internationale mit dem E hinten verbieten und hat gesagt, International Berlin geht. Aber Internationale hat einen kommunistischen Beigeschmack, hieß es. Man war damals noch in der Frontstadt Westberlin. Am Ende haben sich die Gründer des Vereins durchgesetzt."
Porträt von Gerd Thomas und Franziska Silbermann.
Gerd Thomas ist der erste Vorsitzende des FC Internationale Berlin und Franziska Silbermann die Berliner Standortleiterin der Rheinflanke gGmbH.© Deutschlandradio / Thomas Wheeler
Seit der Vereinsgründung vor mehr als 41 Jahren ist der Klub immer weltläufiger geworden. Aktuell hat er 1.200 Mitglieder aus mehr als 70 Nationen. Davon mehr als die Hälfte Kinder und Jugendliche, die in 30 Mannschaften kicken. Der Vereinsname ist gewissermaßen Programm geworden.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

Saskia Halfenberg ist eine der Trainerinnen. 28 Jahre alt und selbst noch Spielerin im ersten Frauenteam von Internationale:
"Den Verein macht so besonders, dass es um mehr geht als um Fußball. Es geht um Werte. Es geht um das Kind im Gesamten, um die persönliche Entwicklung, nicht nur im Fußball, beziehungsweise als Talent, sondern als ganzheitlicher Mensch. Das macht einfach super viel Spaß."
Porträt von Saskia Halfenberg.
Saskia Halfenberg ist Spielerin im ersten Frauenteam von Internationale und engagiert sich auch als Trainerin.© Deutschlandradio / Thomas Wheeler
Nachwuchs- und Integrationsarbeit sind inzwischen zwei der wesentlichen Pfeiler, auf die sich das Fundament des Klubs stützt. Das war bei der Gründung von Internationale noch nicht abzusehen.
Seit sechs Jahren arbeitet Internationale mit dem sozialen Träger Rheinflanke zusammen. Die gemeinnützige GmbH gründete sich 2006 in Köln, hat acht Standorte im Rheinland und einen in Berlin. Dort ist Franziska Silbermann Standortleiterin:
"Unsere Arbeit sieht so aus, dass wir insbesondere jungen Menschen mit Migrationshintergrund Perspektiven schaffen wollen. Konkret sieht es so aus, dass wir sie über den Sport erreichen und erst mal eine Beziehung aufbauen, dann meistens heraushören, wo der Schuh drückt. Oftmals geht es einfach um berufliche Zukunft, Ausbildung, und insbesondere bei jungen Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund auch mal um Spracherwerb, Schulabschlüsse. Da setzen wir an und gehen dann in eine individuelle Beratung."

Fußball schafft Kontakte

Rund einhundert Menschen sind für die Rheinflanke tätig, 15 davon in Berlin. Der Fußball ist das zentrale Kontaktinstrument. In ihren Projekten lassen die Mitarbeitenden aber auch andere Sportarten wie Boxen, Taekwondo, Tanzen oder Fitness in die Angebote miteinfließen.
"Aber der Fußball hat einfach schon eine Weltsprache. Das funktioniert in der Regel sehr gut für den ersten Kontakt. So sind wir auch mit dem FC Internationale in Berlin zusammengekommen. Man sieht, dass Fußball viele junge Menschen anspricht und zusammenbringt."
Von Beginn an stimmte die Chemie. Daraus entwickelte sich eine Partnerschaft. Die Kooperation wird gefördert durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union. Mittlerweile haben die Rheinflanke gGmbH und der Fußballklub mehrere Projekte umgesetzt.

Eigene Projekte auf die Beine stellen

Aktuell läuft das Projekt "Work for you Berlin", bei dem es darum geht, Interessierte zwischen zwölf und 27 Jahren aus sogenannten Drittstaaten für das Ehrenamt zu begeistern. Ich treffe dessen Koordinator Dave Wilke Anfang Mai an einem der ersten Berliner Sommertage in diesem Jahr im Tiergarten unweit der Siegessäule.
Während das Ehrenamt bei uns oft sehr formalistisch gehandhabt wird, ist Hilfsbereitschaft in anderen Ländern durch das Leben in Großfamilien häufig viel selbstverständlicher, erzählt er.
Wilke hat nach dem Zivildienst entschieden, sich im sozialen Bereich zu engagieren. Zunächst macht er eine Ausbildung zum Erzieher. Danach studiert er soziale Arbeit. Da er lieber mit Jugendlichen, als mit kleinen Kindern zusammenarbeitet, kommt er über ein Praktikum im Fanprojekt Berlin und der Tätigkeit bei einem anderen Bildungsträger 2019 zur Rheinflanke gGmbH.
"Wir sind ein gemischtes junges Team, was natürlich auch noch mal so eine ganz eigene Dynamik dann vielleicht mit sich bringt. Es gibt jetzt keine strikten Hierarchien in dem Sinne. Man ist mitunter relativ autonom in Entscheidungen und kann vor allem viele seiner Ideen auch miteinbringen."
Porträt von Dave Wilke.
Dave Wilke koordiniert das Projekt „Work for you Berlin“, das Interessierte zwischen 12 und 27 Jahren aus sogenannten Drittstaaten für das Ehrenamt begeistern soll.© Deutschlandradio / Thomas Wheeler
Wilke hat früher selbst Fußball gespielt. Das kommt ihm bei der Ideen- und Themenfindung, sowie der Entwicklung von Projekten zugute, zum Beispiel bei den Fußballcamps, die von der Rheinflanke angeboten werden.
"Das fußballerische Niveau ist sehr breit gefächert. Irgendwie haben wir schon den Anspruch, allen ein bisschen gerecht zu werden. Es reicht halt nicht, einen Ball in die Mitte zu werfen und zu sagen, so macht mal. Sondern man muss bestimmte Dinge vielleicht auch anleiten. Da ist es einfach gut, wenn man ein bisschen Vorerfahrung hat und schnell Trainingsmethoden oder Ähnliches verändern kann, weil sich die Situation jeden Tag verändert: An einem Tag sind zehn Jugendliche da und am nächsten sind es auf einmal 17."

Ein Trainer aus Afghanistan

Einer, der mithilfe der Rheinflanke eine erfüllende Beschäftigung in Berlin gefunden hat, ist der 21-jährige Saeel Sharifi. 2019 kommt er aus Afghanistan nach Deutschland. Ihn lerne ich Anfang Juni kennen:
"Zum Anfang war ich in einem Wohnheim. Dort hatte ich keinen Kontakt mit anderen Leuten. Wir hatten aber eine Sozialarbeiterin, sie hat mir gesagt, dass es einen Ort gibt, wohin ich gehen kann und Hilfe bekomme."
Zunächst hat Saeel Sharifi das Ziel ein Praktikum zu machen. Als er von Dave erfährt, dass für ihn auch die Teilnahme an einem Fußball-Trainer-Lehrgang möglich ist, ist der junge Mann begeistert.
"Dort kann ich auch praktisch etwas machen und auch etwas lernen. Mir gefiel diese Idee und ich habe damit angefangen."
Inzwischen hat er den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen und ist DFB-Junior-Coach. Sein nächstes Ziel: die Trainer C-Lizenz. Erste Erfahrungen hat er bereits bei Internationale gesammelt, wo er Co-Trainer war:
"Ich habe zwei- oder dreimal Erwärmung mit den Kindern gemacht, mit den Spielern. Ein paar Übungen habe ich vorbereitet."
Porträt von Saeel Sharifi.
Saeel Sharifi kam 2019 aus Afghanistan nach Deutschland. Inzwischen ist er DFB-Junior-Coach.© Deutschlandradio / Thomas Wheeler
In seiner Heimat Afghanistan war Saeel Sharifi früher Torhüter. Seitdem er in Berlin Fußball spielt, ist er lieber Feldspieler. In diesem Sommer freut er sich auf eine neue Aufgabe. Er übernimmt Verantwortung in einem Angebot der Rheinflanke gGmbH:
"Im Juli haben wir ein Feriencamp, dort arbeite ich eine Woche als Co-Trainer."

Problem der Förderlogik

Gerd Thomas, der erste Vorsitzende von Internationale, ist verwundert darüber, dass die Chancen, die in einer Kooperation von sozialen Trägern mit Fußballklubs oder anderen Sportvereinen liegen, bundesweit bisher kaum erkannt werden:
"Diese Kombination zwischen Sportvereinen und sozialen Bildungsträgern wird in Deutschland interessanterweise ganz selten genutzt. Auch in Berlin kenne ich eigentlich fast gar nichts Vergleichbares. Die Sportjugend macht da sicherlich was, aber es ist eigentlich verwunderlich, warum Sport und soziale Arbeit so selten zusammengebracht werden. Denn die Kombination ist ziemlich ideal."
Dass es solche Kooperationen bisher nur selten gibt, dafür hat Franziska Silbermann, die Standortleiterin der Rheinflanke gGmbH Berlin, auch eine ganz pragmatische Erklärung: Es "liegt sicherlich auch an der Förderlogik, die dahintersteckt. Dass wir in dem einen Bereich in der Sportförderung sind und bei dem anderen Thema in der Bildungs- und Integrationsförderung. Die Förderlogik läuft dann häufig nicht zusammen."

Ein erfolgreiches Team

Die Rheinflanke und der FC Internationale haben trotz dieser Hürden einen gemeinsamen Weg gefunden. Beide haben sich im Laufe der Jahre mit gegenseitiger Wertschätzung und Professionalität zu einem erfolgreichen Team entwickelt. Internationale arbeitet aber auch noch mit anderen Partnern zusammen, erzählt Gerd Thomas:
"Wir hatten zum Beispiel ein Projekt, da ging es um die klassische Integration oder Zusammenführung von Bioberlinern und zugewanderten Kindern. Da haben wir mit fünf verschiedenen Grundschulen zusammengearbeitet. Dann haben wir jedes Jahr ein großes Feriencamp. Das machen wir zusammen mit Gangway. Wir haben mit mehreren Gruppen eine Arbeitsgemeinschaft aufgebaut, die nennt sich Fußball und Gesellschaft in Berlin, da sind Gruppen drin wie Street Football World, ein weltweit agierendes Unternehmen, aber auch Champions ohne Grenzen oder Bunt kickt gut, ein Straßenfußballprojekt in Neukölln. Dann hatten wir noch das Projekt Hope. Das ist auch ein klassisches Flüchtlingsintegrationsprojekt gewesen."

Die Arbeit ist kein Selbstläufer

Man muss auf die Menschen zugehen. Mund-Propaganda und Flyer in Flüchtlingsunterkünften allein reichen nicht aus. Eigeninitiative ist gefragt, so die Erfahrung von Franziska Silbermann:
"Beispiel Info-Point einer Flüchtlingsunterkunft. Wenn man sich anschaut, was da an Flyern liegt, dann haben sie einen halben Tisch voll. Die sind auch in der Regel nicht so geschrieben, dass man sie versteht. So funktioniert es eigentlich selten. Man muss hingehen, mit den jungen Leuten ins Gespräch gehen. Wir bieten vor Ort auch Angebote an, kommen in Kontakt, lernen junge Menschen kennen."
Die Arbeit mit Menschen aus anderen Ländern, von anderen Kontinenten ist jedoch kein Selbstläufer. Sie erfordert viel Zeit, Geduld und die Bereitschaft sich auf den anderen einzulassen, erklärt Gerd Thomas:
"In der Arbeit mit Geflüchteten gibt es eine große Problematik. Das ist die Kontinuität. Man muss immer damit rechnen, dass die auch mal umziehen, dass die vielleicht auch mal in irgendwelche Krisen geraten, dass sie auch einfach schulische Probleme haben oder ähnliche Dinge. Bei der Größe des Vereins bräuchten wir eigentlich noch zusätzlich eine Sozialarbeiterstelle. Eine Ansprechperson, die wirklich wahrnimmt, was passiert, und an die sich die Leute auch wenden können."

Grenzen des Ehrenamts

Auch dazu gab es ein Projekt gemeinsam mit der Rheinflanke, das sich mit der Arbeit von Sozialarbeitern in Sportvereinen beschäftigte. Unterstützt wurde es vom Jobcenter, erzählt Franziska Silbermann:
"Nach 15 Monaten hat man die Idee als erfolgreich gesehen, aber dann war es erst mal beendet. Es braucht viel Zeit und Ressourcen. Daran hat man auch gesehen, nach 15 Monaten ist man so weit, dass man alle Trainerinnen und Trainer kennt, mit ein, zwei Mannschaften Beziehungen aufgebaut hat. Aber da muss man dann einfach dranbleiben."
Selbst wenn sie beim FC Internationale eine jahrzehntelange Expertise in puncto Sozial- und Integrationsarbeit aufgebaut haben, stoßen die Trainerinnen und Trainer im Ehrenamt auch an ihre Grenzen. Staatliche Zuschüsse sind gut gemeint, aber in diesem Zusammenhang nur bedingt hilfreich, erklärt Gerd Thomas:
"1:0 für ein Willkommen, und da kannst du dann für 500 Euro oder für 1.000 Euro einen Antrag einreichen. Was soll ich denn mit 500 Euro machen? Mal ganz im Ernst. Da kann ich fünf oder zehn Leuten, wenn ich noch ein bisschen Rabatt kriege, irgendwie Fußballschuhe für kaufen. Das ist okay. Aber für die Struktur bringt mir das eigentlich gar nichts."
Der Alltag zeigt: Sozialromantik löst keine Probleme: "Was so gerne behauptet wird, wir werfen einen Ball in die Mitte, und schon bricht der Weltfrieden aus, und die Integration funktioniert, das kann ich aus der Praxis so nicht bestätigen."

Eine Stiftung könnte die Lösung sein

Internationale und Rheinflanke profitieren von einem engen Austausch. Perspektivisch ist das Hangeln von Projekt zu Projekt jedoch unbefriedigend.
Deshalb möchte Gerd Thomas die Form der Kooperation gern auf eine andere Basis stellen:
"Ob das Modell auf Dauer immer so trägt, wie es tragen müsste, will ich mal bezweifeln. Denn am Ende ist es so: Wir sind in dieser Förderlogik. Ein Projekt läuft zwei Jahre, manchmal auch drei. Dann ist es zu Ende. Dann ist eigentlich der Punkt erreicht, wo man sagt: Jetzt könnten wir richtig loslegen. Jetzt wissen wir eigentlich, wie es funktioniert. Dann sind wir aber schon wieder damit beschäftigt, Geld zu besorgen. Insofern ist das Modell einer Stiftung durchaus anstrebenswert. Das ist auch mein Ziel, dass wir so etwas irgendwann hinkriegen."
Um Kooperationsformen zwischen Sportvereinen und sozialen Trägern zu stärken, fordert Gerd Thomas ein Umdenken bei den politischen Parteien:
"Ich finde, die Politik erkennt die Chancen und die Notwendigkeiten nicht genügend. Ich glaube, es würde sich lohnen, wenn wir auch auf politischer und sogar auf Verwaltungsebene, vielleicht sogar mit Sportverbänden darüber reden könnten, was man mit dem Sport entwickeln und wie den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen helfen kann. Wobei das Thema Seniorensport auch immer gtößer wird. Auch da gilt es im Zweifel, Integrationsarbeit zu leisten."

Fehlender Platz für Sport

Noch sieht die Realität anders aus. Im Alltagsgeschäft geht es in den Gesprächen von Vereinen, Politik und Verwaltung mehr darum, ausreichend Spielstätten für den Trainings- und Wettkampfbetrieb zu haben, sagt Thomas:
"Das ist in Berlin im Innenstadtbereich ein Riesenproblem. Hier bei uns am Südkreuz werden gerade Wohnungen für 5.000 Menschen gebaut. Hier kommen 10.000 neue Beschäftigte her. Es ist nicht ein Millimeter Sportfläche dazu gebaut worden. Da sind wir nicht gut aufgestellt."
Angelika Schöttler, seit 2011 Bürgermeisterin des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, kann die Kritik nachvollziehen. Dies sei jedoch nicht nur ein Problem dieses Wohnungsbauprojektes:
"Wir haben insgesamt zu wenig Fläche in Tempelhof-Schöneberg. Das gilt insbesondere auch für das Thema Sporttreiben. Wir haben eine deutliche Unterversorgung, was Sportflächen angeht. Aber wir haben schlicht keine Flächen mehr zur Verfügung, die wir noch umwandeln können."
Porträt von Angelika Schöttler.
Laut Angelika Schöttler, seit 2011 Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, stehen im Bezirk keine freien Flächen mehr zur Verfügung, die sich in Sportfelder umwandeln ließen.© Deutschlandradio / Thomas Wheeler
Angelika Schöttler war früher Stadträtin für Jugend und Sport und kennt deshalb auch die Zusammenarbeit des FC Internationale mit der Rheinflanke:
"Ich finde die Kombination eine sehr gute, weil sie zwei Punkte miteinander verbindet. Einmal, dass über den Sport viele Kinder und Jugendliche erreicht werden, und auf der anderen Seite durch die Sozialarbeit die Werte noch mal verstärkt werden, die der Sport ohnehin schon auszuprägen versucht."

Das Potenzial wird nicht ausgeschöpft

In der Kinder- und Jugendsozialarbeit setzt der FC Internationale berlinweit seit Jahren Maßstäbe. Der erste Vorsitzende Gerd Thomas betont aber auch immer wieder, dass sein Klub in erster Linie ein Sportverein ist:Optimismus und Engagement sind ungebrochen
"Ich habe neulich im Integrationsausschuss gesagt, wir sind ein Fußballverein. Wir sind kein Integrationsverein. Das machen wir alles oben drauf. Ich sehe wenige Leute hier in Berlin, die wirklich die Vision haben, mit dem Sport für die jungen Menschen etwas zu bewegen."
Während Gerd Thomas dies ausspricht, klingt er ernüchtert. Diese Vielfalt, die sich im Sport zeigt, wird zwar erkannt, aber das Potenzial wird nicht ausgeschöpft, sagt er. In der Politik und auch in der Wirtschaft gebe es zu wenige Menschen, die die darin liegenden Chancen für die Gesellschaft umfänglich nutzen würden:
"Es gibt diesen Spruch: Unterstütze Deine lokalen Helden. Das wäre auch etwas, was ich mir wünschen würde. Dass die großen und meinetwegen auch kleineren Unternehmen sagen, was die dort machen, in der Zusammenarbeit zwischen Rheinflanke und FC Internationale, aber auch mit anderen Partnern mit Schulen, mit Kindergärten oder Ähnlichem, das ist toll und das unterstützen wir wirklich. Wir rennen eigentlich permanent den Töpfen hinterher und streiten uns um diese Töpfe permanent mit anderen sozialen Trägern. Das ist kein gutes Klima, was da entsteht. Ich würde mir wünschen, dass wir vielleicht irgendwann auf eine Sportstiftung Südkreuz kommen."

Mit Optimismus in die Zukunft

Bei allen Schwierigkeiten, Politik und Unternehmen davon zu überzeugen, dass Sport nicht nur in Ergebnissen, Trainingsplänen und Nutzungszeiten gedacht werden sollte, sondern auch eine starke soziale Komponente hat, behält Gerd Thomas aber seinen Optimismus. Für die Zukunft hat er eine Vision, weiß aber bisher nicht, ob und mit wem er diese realisieren könnte:
"Ich würde gern am Südkreuz einen Bürgersportpark initiieren. Die Pläne haben wir auch auf dem Tisch. Aber ich weiß gar nicht so richtig, mit wem ich darüber reden soll."
Trotz dieser Ungewissheit stützt Gerd Thomas sein Engagement und seine Hoffnung vor allem darauf, dass alle ein Interesse daran haben sollten, dass der Sozialraum vor der eigenen Haustür intakt ist und bleibt:
"Wir wollen nicht morgens als Erstes aus der S-Bahn aussteigen und irgendwie in Scherben treten, sondern wir wollen, dass unser Sozialraum funktioniert. Da spielt der Sport eine ganz wichtige Rolle. Wo der Sozialarbeiter nachher offiziell angestellt ist, das ist nicht ganz so wichtig. Wichtig ist, wo und wie er zum Einsatz kommt."
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