Sozialarbeit

Businessplan für Soziales

Von Susanne Arlt · 04.03.2014
Soziale Projekte sind oft unterbesetzt, unterfinanziert und unterschätzt. Damit das anderes wird, bieten Profis ausgewählten Aktionen an, PR-Konzepte für sie zu entwickeln, Websites oder Flyer zu gestalten - alles gratis während einer sogenannten "Nachtschicht".
Freitagabend, 18 Uhr. Die kreative Nachtschicht beginnt entspannt. In der kleinen Empfangshalle stehen auf einem lang gestreckten Tisch Kasserollen mit dampfendem Wasser. Es riecht nach heißem Braten und Kaffee. Die meisten der etwa 60 Gäste stehen in kleinen Gruppen, nippen an einem Glas Wein oder Wasser.
"Hallo!"
"Hallo, grüß, sag mal, sollen wir uns einfach duzen für den heutigen Abend?"
"Von mir aus, gerne, okay."
"Ja, aufgeregt?"
"Ein bisschen, ja."
Stefanie Droste und Andrea Klefke-Bieder nehmen das Angebot ihres Teamcaptains Jürgen Bieniek an, obwohl sie sich in ihrem Berufsalltag siezen. Die beiden Frauen jobben für die soziale Einrichtung IsA-K, die es straffällig gewordenen Frauen ermöglicht, ihre Geldstrafe in einer Nähstube oder in einem der beiden Secondhand-Läden der Einrichtung im Berliner Bezirk Wedding abzuarbeiten.
Dort könnte der Verkauf besser laufen, meint Sozialarbeiterin Silke Hartmann und fügt hinzu: Das liegt sicher auch an unserer Reklame.
"Wir haben da nicht so einen Blick drauf und so ein Blick für und ich erhoffe mir einfach, dass da Profis auch mal drauf gucken und gute Ideen haben."
PR-Profis für die Imagepflege
Axel Fiebig ist Profi. Er arbeitet für eine Berliner PR-Agentur, vermarktet normalerweise Kinofilme von internationalen Verleihern im Internet. Für Fiebig war sofort klar, dass er an der Aktion "Nachtschicht" teilnimmt. Ins Leben gerufen wurde diese vom Netzwerk engagierter Unternehmer und der Berliner Kommunikationsagentur Camici und Tappe. Jetzt will er sich um den Facebook-Auftritt der Secondhand-Läden kümmern.
Die Seite hat 100 regelmäßige Besucher. Übersichtlich, sagen der PR-Mann und Team Captain Jürgen Bieniek und nicken Silke Hartmann aufmunternd zu.
"Wir haben jetzt auch alles noch einmal auf Papier mitgebracht." / "Ja ich habe alles dabei, Flyer, diese Stopper und die Dateien, also alles was man braucht."
Alles was man eben so braucht, um den beiden Verkaufsläden ein besseres Image und somit mehr Kundschaft zu verschaffen. Die Einrichtung ist gemeinnützig. Doch die Mieten müssen trotzdem gezahlt werden. Und natürlich die Gehälter der straffälligen Frauen. Schließlich lautet ihr Motto: Aus Strafe wird Lebenshilfe.
Heike Hartmann: "Wir sind nur teilfinanziert über das Land Berlin. Wir müssen einen Teil selbst finanzieren und das ist schon schwierig, diese Mittel zu erwirtschaften. Um gut arbeiten zu können, um ja Projekte mit den Frauen auch machen zu können, brauchen wir die Secondhand-Läden."
Es steht also einiges auf dem Spiel an diesem Abend. Eine halbe Stunde später sitzen vier Kreative und die drei Mitarbeiterinnen des Vereins in einem nüchtern eingerichteten Raum. Weiße Wände, weiße Regale, ein weißer Arbeitstisch. Kein Plakat, keine Werbebotschaft soll den Gedankenfluss ablenken. Nach wenigen Minuten ist der Tisch allerdings mit Notizen und gelben Klebezetteln übersät. Der wichtigste Schritt: Wissen, was man will.
Andrea Klefek-Bieder weiß es. Den Kundenkreis erweitern, vor allem jüngere Kundschaft anlocken, den Facebook-Auftritt verbessen und den selbst gebastelten Handzetteln eine Rundumverschönerung verpassen.
"Also ich finde, der Handzettel, der sollte abspecken, der sollte peppiger werden, der sollte was Grafisches enthalten."
"Genau. Ihr wollt gerne, dass die Flyer ein bisschen anders aussehen, ja?"
"Dass die zu unterscheiden sind und nicht so auf den ersten Blick…?"
Runderneuerter "cooler" Flyer
Noch gibt es viel zu viel Text und zu wenig Bilder. In der Mitte steht immer die Aktion des Monats. Die Schrift ist schwarz und eckig. Unser Flyer sieht irgendwie immer gleich aus, sagt Silke Hartmann selbstkritisch.
Und den PR-Mann neben ihr stört ganz offensichtlich nicht nur das Layout:
"Also was ich mich halt grundsätzlich frage, ich will da jetzt kein Fass aufmachen oder so, aber wenn es darum geht, dass ihr jüngere Leute rankriegen wollt, da sind natürlich Flyer eigentlich out. Wenn man jüngere Leute ranbekommen möchte ist halt Flyer, dann müssen sie halt cool sein (lacht)." / "Bitteschön, dann sollen sie halt cool sein."
Cool in sieben Stunden. Dafür will Andreas Linder, Grafiker und Webdesigner den Text entschlacken, so das Logo optisch aufwerten. Und weil das Ganze auch noch für eine gute Sache ist, ist es ihm ziemlich egal, wie lang die Nachtschicht dauern wird:
"In dem Bereich, in dem man als Gestalter arbeitet, ist man ja oftmals mit mehr Idealen angetreten als das Arbeitsleben dann so mit sich bringt, und man Kunden hat, die so dies und jenes machen aber nicht immer das Sinnvollste im Leben."
Die Kleiderwerkstatt für straffällig gewordene Frauen findet er sinnvoll. Und Sinn erzeugt oft Energie. Zumindest jetzt an diesem Tisch und in diesem Raum. Das ist förmlich zu spüren. Und am Ende auch zu sehen. Der Flyer hat nach ein paar Stunden weniger Infos, dafür mehr Bilder. Adresse und Öffnungszeiten wandern auf die Rückseite, stattdessen prangt vorne jetzt ein schickes Paar Schuhe samt Handtasche. Aus der "Aktion" wird ein "Knaller", aus dem "50 Prozent Rabatt" ein „halber Preis" - und neben dem Logo steht jetzt die Überschrift: sozial einkaufen.
Silke Hartmann und Andrea Klefke-Bieder: "Ich finde es super, es ist viel weniger Text drinne."
"Es ist mit Bildern viel schöner, also ist viel ansprechender."
Nach sieben Stunden ist die Nachtschicht fast rum. Der Flyer ist ein Hingucker, der Facebook-Auftritt viel moderner und für besonders treue Kunden gibt es jetzt ein schickes Bonusheft in Visitenkartengröße.
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