Souverän, listig, trottelhaft

02.04.2013
Einen sehr unterhaltsamen Anti-Roman hat der tschechische Schriftsteller Emil Hakl mit "Regeln des lächerlichen Benehmens" abgeliefert. Ohne Stringenz, dafür voller Salven absurden Witzes erzählt er vom formlosen Leben seines leicht verwilderten Protagonisten.
Honza ist berühmt. Sein Gesicht prangt im ganzen Land von Plakatwänden. Seine zahlreichen Gläubiger atmen erleichtert auf: Der Mann ist saniert, lass rüberwachsen, Mensch! Honza muss löhnen, viel mehr, als das Fotohonorar ihm einbringt. Hätte er doch bloß seinen Mund gehalten, als ein alternder Schauspieler am Kneipentisch nebenan das Angebot für eine Fotoserie ablehnte, weil es ihm zu niedrig war. In einem "Anflug sozialer Empörung" erbot sich Honza lauthals, mit seiner Visage auszuhelfen. Die Abgesandten des Fotografen ließen sich nicht lange bitten. Nun wirbt Honza allerorten für die Tschechischen Staatsbahnen: als Franz Josef I., als Schwejk und als "grenzdebiler mährischer Trachtenseppel".

Mit diesen drei Mannsbildern ist der Charakter des Erzählers in Emil Hakl höchst traurigem und höchst vergnüglichem Anti-Roman "Regeln des lächerlichen Benehmens" gut getroffen: Honza ist um die 50, hygienisch etwas verwildert, Schriftsteller mit mäßigem Bekanntheitsgrad (eines seiner Bücher heißt "Treffpunkt Pinguinhaus" und ist vom Autor Hakl, Jahrgang 1958, verfasst worden) und auch jenseits der literarischen Gefilde ein kauziger Einzelgänger. Er changiert zwischen souveränem Königssubjekt, listigem, durch obsessive Folgsamkeit subversivem Anekdotenerzähler und tumbem Bauerntrampel.

Denn Honza rutscht überall rein: Fotomodell wird er durch eine Bierlaune. Dann überreden ihn zwei Gleitsegler um die 30 zum Fliegen. Und im zweiten Teil des Buches kann sich Honza der Bitte seines Vaters nicht entziehen, ihn wegen einer Operation ins Krankenhaus zu begleiten. Um dann dessen letzter Wunsch zu erfüllen, reist Honza mit der Urne und den zwei Gleitseglern ins Donaudelta, wo die drei mit einem kleinen Boot Richtung Schwarzes Meer rudern, um die Urne zu entleeren. Sie fahren durch allerlei stillgelegte, von Mücken, Bremsen und Fröschen bevölkerte Kanäle im Kreis, was keine erkennbare Verzweiflung auslöst. Erst als sich Honza von den beiden trennt, gelangt er zum Meer.

Diese Zusammenfassung erweckt den ganz und gar unzutreffenden Eindruck von Kausalität und erzählerischer Stringenz. Doch der obwaltende Zusammenhang ist lose, Honza lässt sich treiben. Er hält Abstand, um nicht überrumpelt und verpflichtet zu werden. Seine Tochter kennt er nicht, eine Freundin hat er nicht, und die verheiratete Frau, die ständig bei ihm, nicht bei Mann und Kind übernachten will, muss ihn per SMS bedrängen (und lässt sich auch von der Mitteilung, er sei in Rumänien, nicht irritieren). Mit dem Vater spricht Honza vor allem am Telefon. Nach dessen Tod hört er sich seine Aufnahmen der Gespräche noch einmal an – es sind, wie alle Unterhaltungen in diesem Buch, Eiertänze der Diskretion, darin Salven stillen, absurden Witzes. Beides entspringt der Einsamkeit und der Trauer darüber.

Mirko Kraetsch hat einen sehr mühelosen, nicht kraftmeierischen Ton für dieses uneitle Kokettieren mit der Formlosigkeit des Lebens gefunden, in das Hakl unauffällig, gewitzt und mit präzisem Rhythmusgefühl Zitate unklarer Herkunft und poetologische Überlegungen einstreut. "Mit ein bisschen Urteilsvermögen ist es ganz leicht, sich zum Trottel zu machen." So ist es.

Besprochen von Jörg Plath

Emil Hakl: Regeln des lächerlichen Benehmens
Roman
Aus dem Tschechischen von Mirko Kraetsch
Braumüller Verlag, Wien 2013
190 Seiten, 19,90 Euro
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