Soul-Sängerin Andra Day

Die neue Amy Winehouse?

Andra Day bei einer Performance im Weißen Haus in Washington.
Ihr großes Talent verschaffte Andra Day sogar schon einen Auftritt im Weißen Haus in Washington. © picture-alliance/dpa/Shawn Thew
Von Tarik Ahmia  · 27.04.2016
Die Stimme der Soulsängerin Andra Day aus den USA begeistert sogar Stevie Wonder. Ihr Debütalbum heißt "Cheers To The Fall" und es animiert zu Vergleichen mit den ganz Großen der Musikgeschichte. Ob sie das einschüchtert? Wir haben sie gefragt.
Die Zeit ist wohl endlich reif für diese Stimme: Ein Leben lang hat sich Andra Day darauf vorbereitet. Schon mit zehn Jahren besuchte sie Gesangskurse an der Musikschule. Jeder andere Beruf wäre für sie indiskutabel gewesen. Die Sängerin mit Strahlkraft hat sich an die Langsstrecke gewöhnt. Erst jetzt, mit 31 Jahren, ist sie nun wirklich so weit, sich unter ihren Bedingungen der Welt zu stellen.
"Mental und spirituell war ich damit 13 Jahre lang beschäftigt. Die eigentliche Produktion war mit drei Jahren vergleichsweise ein Kinderspiel."
Für ein Debüt klingt "Cheers to the Fall" schon beim ersten Hören reif und vielschichtig. Das liegt nicht nur an Andra Days herausragender Stimme, sondern auch am Songwriting, der Produktion und den Arrangements. Kein Zweifel: Hier waren Profis am Werk. Und tatsächlich hat "Cheers to the Fall” eine mehr als ungewöhnliche Entstehungsgeschichte.

Jazz-Vorbilder wie Billie Holliday und Sarah Vaughn

Fast vier Jahre nahmen sich Andra Day und der britische Produzenten-Veteran Adrian Gurvitz Zeit, um das Album in Eigenregie und ohne Label zu komponieren und produzieren: 63 Musiker und 40 Techniker wirkten über die Jahre an dem Debüt mit. Die Gästeliste führt viele prominente Musiker auf, etwa Raphael Saadiq und James Poyser, zwei der gefragtesten R&B Produzenten, ebenso wie Roots-Schlagzeuger Questlove oder der Bassist Pino Palladino.
So weit ist es auch gekommen, weil Stevie Wonder 2009 zufällig einen Clip hörte, in dem Andra Day als Straßenmusikerin sang. Wonder persönlich rief sie in ihrer winzigen 1-Zimmer-Wohnung an. Zu ihrem Glück war Andra vorgewarnt:
"Es war gut, dass ich Bescheid wusste, denn sonst hätte ich jemandem, der sich am Telefon meldet mit 'Hi, Ich bin Stevie Wonder' gesagt: 'Oh super, und hier ist Madonna' und hätte sofort aufgelegt. Ich dachte damals, ein Meteor hätte mein Haus getroffen! Dabei war er so nett! Er ist einer der liebenswürdigsten Menschen, die ich je getroffen habe. Zwar war ich nervös und eingeschüchtert, aber er sagte gleich: 'Ich mag Deine Stimme sehr! Woran arbeitest Du gerade? Was gefällt Dir?'"
Stevie Wonder faszinierte, wie mühelos die Stimme der jungen Andra Day an die großer Jazz-Vorbilder wie Billie Holliday, Sarah Vaughn und Etta James anknüpfte. Ihre Liebe zum Jazz hatte Andra Day schon als Teenager entdeckt.
"Ich liebe die Musik: Ich liebe den Klang der Schallplatten, das Rauschen und Knistern, ganz ohne "Autotune". Man hört die kleinen Fehler, aber auch gleichzeitig die ganze Person und was sie erfahren hat, den ganzen Schmerz. Das hat für mich so eine Fülle und wirkt so authentisch."
Sogar ihren Bühnen-Namen hat Andra Day dann in Anspielung an "Lady Day" – dem Spitznamen von Billie Holiday geändert.
"Sie war ohne jede Anstrengung brillant. Sie war einfach sie selbst und hatte dabei die Fähigkeit, Emotionen ganz mühelos zu transportieren. Selbst ein so romantischer, beschwingter Song wie "Sugar" hat bei ihr noch eine unheimliche Tiefe. Sie konnte sprichwörtlich mit ihrer Stimme und ihrem Schmerz ein Loch in Dein Herz bohren. Das war wirklich verblüffend."
Ein Jazz-Album ist "Cheers to the Fall" dennoch nicht geworden. Eher ein souliges Pop-Album, auf das Adele auch ein bisschen neidisch sein könnte.

Vergleiche stören sie nicht

Dabei hat Andra Day auch alle 13 Songs mitkomponiert. Getextet sowieso, denn inhaltlich gleicht "Cheers To The Fall" einer einstündigen Therapiesitzung zur Bewältigung vom Trennungs-Trauma.
"Ich habe alle Songs geschrieben, weil sie die Geschichte meines Lebens sind. Sie erzählen meine echten Erfahrung, Dinge die mir zugestoßen sind und wie ich sie geklärt habe: Untreu in einer Beziehung zu sein und dann mit den Gefühlen der Schuld, der Reue, des Schams umzugehen und dem Schmerz, den ich jemandem zugefügt habe. Es geht auch darum, wie ich mich davon auch wieder erholt habe, auch wenn Narben bleiben, die mich an meine Lektionen erinnern."
In Ihrer Heimat konnte Andra Days Debüt aus dem Stand überzeugen: zwei Grammy-Nominierungen und Platz drei der R'n'B Charts waren ein guter Start.
Die häufigen Vergleiche zwischen ihr und Amy Winehouse und Adele nimmt Andra Day mittlerweile auch ganz gelassen hin.
"Es ist ganz normal, dass die Leute nach Vergleichen suchen, die sie kennen. Aber ich bin mir meiner selbst sicher genug, dass ich mir solche Vergleiche nicht ständig verbitten muss. Ich werde weiter die Musik machen, die mir gefällt. Meistens meinen es die Leute mit diesen Vergleichen ja gut und das ist es, was zählt. Ich werde mir jedenfalls treu bleiben."
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