Sopranistin Chen Reiss

"Musik ist meine Religion"

32:44 Minuten
Chen Reiss steht auf einer Treppe und schaut lächelnd in die Kamera.
Wollte eigentlich Tänzerin werden: Mit 14 Jahren wurde Chen Reiss von ihrer Mutter zum Gesangsunterricht geschickt. © Paul Marc Mitchell
Moderation: Susanne Führer · 26.08.2019
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Mit 16 Jahren sang Chen Reiss "Laudate Dominum" von Mozart vor Publikum. Damals begriff sie: Ihr Leben wird der Musik gehören. Heute tritt die Sopranistin auf der ganzen Welt auf - auch vor Papst Franziskus. Denn Musik sei für sie Spiritualität.
Chen Reiss liebt die alten Meister und am meisten liebt sie Johann Sebastian Bach:
"Für mich ist Bach fast kein Komponist, sondern die Musik selbst. Eine Musik, die so geistlich ist, dass ich mich nahe an Gott fühle, wenn ich diese Musik höre oder singe."
Dabei hat die in Israel geborene jüdische Sopranistin Chen Reiss eine "ambivalente Beziehung" zu Religion, vor allem, wenn die mit Politik vermengt werde. Wichtiger sei ihr Spiritualität. So sei es "ein Highlight meines Lebens" gewesen, als sie an Weihnachten 2014 im Petersdom vor Papst Franziskus sang. Wofür sich der Argentinier mit einem "sehr langen und schönen Brief" an sie bedankte.

Mozart, der Frauenversteher

Ursprünglich hatte Chen Reiss Tänzerin werden wollen. Doch ihre Mutter schickte sie mit 14 zum Gesangsunterricht. Und als sie zwei Jahre später erstmals öffentlich in einem Schulkonzert sang, war es um sie geschehen, sie wusste: "Ich muss das tun."
Schuld daran war Mozart, dessen Sopranarie "Laudate Dominum" Chen Reiss ihre Bestimmung gewiesen habe. Überhaupt Mozart: "Auch wieder göttlich, aber anders als Bach. Er wusste genau, wie Frauen denken, was Frauen fühlen."
Musik sei für Chen Reiss nicht nur Gefühl und Spiritualität, sondern auch harte Arbeit. Die viel gefragte Sängerin ist ständig in der Welt unterwegs, hat Wohnungen in London, Wien und Tel Aviv. Und kümmert sich um ihre beiden kleinen Töchter. Der Spagat zwischen Mutterschaft und ihrer Gesangskarriere sei fordernd, zumal sie als Opernsängerin und bei Liederabenden viel live performe. Da müsse die Stimme immer top sein:
"Ich habe zwei Kinder, aber die Stimme ist das größte Baby. Es ist 24 Stunden Belastung. Die Stimme ist sehr empfindlich."

Vorsicht beim Telefonieren

Das schärfe Chen Reiss auch ihren Studierenden ein, die sie in Meisterklassen für Gesang unterrichtet. Und gibt ihnen dabei praktische Tipps, wie sie sich mental auf einen Auftritt vorbereiten können. Vorsicht beim Telefonieren, laute einer ihrer Ratschläge:
"Ich habe eine ganz enge Beziehung zu meiner Mutter. Aber sie kann ein Wort sagen und ich explodiere. Deshalb rufe ich sie nie am Tag des Konzertes an."
(pag)
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