Sonneborn in der Volksbühne

EU-Aufklärung im Satire-Kostüm

06:22 Minuten
Martin Sonneborn, Vorsitzender von "Die Partei", und Nico Semsrott (r), Comedian, vor der Volksbühne
Martin Sonneborn (links) und Nico Semsrott wollen mit "Die Partei" zwei Prozent der Stimmen bei der EU-Wahl holen und ins EU-Parlament einziehen. © dpa picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Von Andre Zantow · 24.04.2019
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"Für Europa reicht's" lautet das Motto der Wahlkampftour von Martin Sonneborn und Nico Semsrott. Den Auftakt gestalteten beide Satiriker in der Berliner Volksbühne als Aufklärungsabend über die EU: provokativ, nachdenklich, mit Klamauk und Gejohle.
"Es gibt Stimmen an der Basis, die befürchten, dass sich die populistische Satirepartei von früher zu einer ernsthaften politischen Kraft wandelt", bemerkte kritisch ein Zuschauer in der Fragerunde. Da musste Martin Sonneborn auf der Bühne schmunzeln und ließ die Frage erstmal unbeantwortet in der vollbesetzen Berliner Volksbühne wirken.
Vielleicht war das von Anfang an sein Plan bei der Parteigründung 2004 - damals noch als "Titanic"-Chefredakteur. Elf Jahre später zog er in das EU-Parlament ein, holte 0,6 Prozent der Stimmen in Deutschland.

Semsrott will Klimawandelleugnung unter Strafe stellen

2019 hat "Die Partei" rund 31.000 Mitglieder und könnte mit knapp zwei Prozent der Stimmen bei der EU-Wahl am 26. Mai auch die Nummer zwei auf ihrer Liste nach Brüssel und Straßburg schicken: Kabarettist Nico Semsrott.
Nico Semsrott mit einem der 31.000 Mitglieder von "Die Partei" vor der Volksbühne in Berlin.
Austausch über den EU-Wahlkampf vor der Volksbühne in Berlin: Nico Semsrott mit dem jüngeren Parteikollegen Corvin Drößler.© Deutschlandradio / Andre Zantow
"In einer schönen Parallelwelt braucht es keine Partei wie unsere", begründet Semsrott seine Teilnahme an dem Satire-Spektakel. Sein Markenzeichen - den schwarzen Kapuzenpulli - will er weiter tragen, versichert er gleich. Seine melancholische Grundhaltung auf der Bühne spiegelt und verstärkt auch die Enttäuschung der Zuschauer über Parteien und die EU. Als Kommissionspräsident wolle er die Demokratie einführen, im Notfall auch gegen den Wählerwillen. Er fordert ein Initiativrecht für das EU-Parlament, Klimawandelleugnung solle unter Strafe gestellt werden und auch eine Frauenquote sei sinnvoll, er wolle seinen zweiten Platz auf der Liste nämlich nicht freiwillig räumen.
Immer wieder gleitet der Satire-Abend in ernsthafte politische Positionen über. Auch Sonneborn sagt, dass er schlichtweg bei "Titanic" und "heute-show" nur Satire gelernt habe und mit diesen Mitteln jetzt Politik machen müsse. Dann zeigt er seine besten einminütigen Reden im EU-Parlament und der Saal lacht. Auch, wenn die Themen ernst werden.

Provokation und Klamauk als Mittel der Aufklärung

Es ist die Form, die hier den Nerv im Publikum trifft: anarchisch, unerschrocken, albern, kritisch und glaubwürdig. Besonders junge Männer in größeren Städten fühlen sich davon angesprochen. Die größten Zustimmungswerte gibt es in Berlin, Hamburg und Bremen. Laut Sonneborn sind 85 Prozent der Wähler männlich.
Sie vereint den Protest gegen drohende Uploadfilter durch die EU-Urheberrechtsreform, gegen militärische Aufrüstung in der EU und für hohen Datenschutz. Und sie nutzen überdurchschnittlich viel das Internet. Kein Wunder, dass dieser Abend mit Kameras aufgezeichnet wird und anschließend in portionierten Clips im Internet landen soll. Die Tour durch 27 Städte ist da fast nebensächlich.
Tausende junge Wähler werden die Wahlkampf-Show der beiden anklicken und sehen, mit welchen rechtsextremen EU-Parlamentariern sich Martin Sonneborn eine Sitzreihe geteilt hat und warum Nico Semsrott für ein Höchstalter beim Wählen ist. Für einen jungen Erstwähler erklärt Sonneborn auch gern, warum sie die Einnahmen des Abends ihrer Partei spenden, um dann von der Parteienfinanzierung in Deutschland zu profitieren. "So erhält die CDU weniger."
Es geht beiden vor allem um Aufklärung, um Öffentlichkeit für die EU und die Politik im Allgemeinen. Die Zuschauer sollen hinsehen - auch wenn Klamauk und Provokation nötig sind. Damit haben sie zunehmenden Erfolg. Bei Abstimmungen unter Schülern würde "Die Partei" schon zweistellige Werte erhalten, meint Martin Sonneborn. Und auch das könnte ernst gemeint sein.
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