Sondersitzung im Bundestag

Rückruf aus den Ferien droht

Abgeordnete bei der Sondersitzung des Bundestages zu Griechenland-Hilfspaketen am 17. Juli 2015.
Abgeordnete bei der Sondersitzung des Bundestages zu Griechenland-Hilfspaketen am 17. Juli 2015. © picture-alliance / dpa/Wolfgang Kumm
Von Barbara Schmidt-Mattern · 14.08.2015
Die nächste Sondersitzung des Bundestags rückt näher. Mitten in den Sommerferien sollen die 631 Abgeordneten demnächst über Griechenland-Hilfen abstimmen. In den Büros der Volksvertreter laufen die Vorbereitungen, während die Parlamentarier am Strand sind.
Lammert: "Schwimmen Sie nicht zu weit hinaus und achten drauf, das Handgepäck immer griffbereit zu haben..."
Er ist ziemlich leicht erreichbar, er macht gerade Urlaub tatsächlich noch... in der Bretagne.
Bislang braucht Sven-Christian Kindler die Badehose nicht wieder einzupacken. Denn der Haushaltsexperte der Grünen-Fraktion wird von seinem Bundestagsbüro täglich auf dem Laufenden gehalten. Kindlers Referent, Stefan Lange – gerade mal 30 Jahre alt, Wuschelfrisur und in lässig schwarzem T-Shirt – hält in Berlin die Stallwache und ist ziemlich gelassen. Noch. Denn sein Chef...
"ist aber tatsächlich auch geplant rechtzeitig zu einer möglichen Sondersitzung zurück. Dass da die Hektik von 'Wir müssen noch einen Flug buchen'... von, was weiß ich, den Philippinen nach Berlin, das fällt zum Glück weg. Wäre aber am Ende auch kein Problem."
Norbert Lammert sieht das wohl anders. Zum zweiten Mal hat der Bundestagspräsident seine 631 Abgeordneten nun schon ermahnt, nicht zu weit hinauszuschwimmen. 2012 mussten die Volksvertreter aus der Sommerfrische nach Berlin zurückreisen, um einen milliardenschweren Hilfskredit für Spanien abzusegnen. Jetzt, drei Jahre später, geht es um gut 86 Milliarden Euro für Griechenland. Die nächste Sondersitzung rückt offenbar näher:
"Es ist ein kurzzeitiger Mehraufwand, aber es ist eben kein Katastrophenfall."
meint Grünen-Referent Stefan Lange. Einzig der knappe Zeitplan verursacht einen gewissen Stress...
"Ja! Stimmt!"
Zwei Ordner Material für die Abgeordnete
Tobias Schulze: 39 Jahre alt, im blau karierten Sommerhemd, die Ärmel hochgekrempelt, auf der Nase eine schwarze Designerbrille. Schulze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro von Petra Sitte, parlamentarischer Geschäftsführerin der Linksfraktion:
"Also, es wird eine Herausforderung sein, aber da wir den genauen Termin nicht kennen, haben wir auch noch keine Alarmmeldung an die Abgeordneten-Büros verschickt."
Dass die kommenden Tage arbeitsintensiv werden, zeichnet sich aber jetzt schon ab:
"Wir müssen der Frau Sitte, wenn sie am Montag hier eintrifft in Berlin, alle entsprechenden Unterlagen auf den Tisch legen. Also wie Sie hier sehen, liegen da ja schon zwei Ordner, die sind voll, da wird garantiert noch ein dritter dazukommen bis zur Sondersitzung. Und damit es nicht zu viel wird, müssen wir sehr viel vorher sortieren und Anmerkungen dazu schreiben, Lesehinweise geben und so weiter.
"Naja es wird... wir werden uns sicherlich das MoU, also das Memorandum of Understanding noch mal genauer anschauen."
Das MoU enthält die Absprachen zum so genannten Hilfspaket, das die griechische Regierung und die Unterhändler von EU und IWF ausgehandelt haben. Stefan Lange brütet jetzt schon über der Rede, die sein Chef, der Grünen-Haushaltspolitiker Kindler, nächste Woche im Bundestag halten könnte:
"Das ist meistens Teamwork. Also wir liefern als Büro Ideen. Und dann setzt sich Herr Kindler noch mal selber dran. Und im Regelfall proben wir die Rede dann auch noch mal. Also er trägt sie vor. Und wir geben ihm Feedback dazu."
Bei der letzten Sondersitzung hat sich Sven-Christian Kindler am Rednerpult ziemlich aufgeregt, vor allem über Wolfgang Schäuble und seine Grexit-Erwägungen. Und auch jetzt spießt man in den Oppositionsbüros genüsslich auf, dass es innerhalb der Bundesregierung offenbar gewisse Dissonanzen gibt:
"Man liest irgendwie aus dem Wirtschaftsministerium, die sind ganz einverstanden. Das Kanzleramt hat gestern ja auch gemeldet: Geht in die richtige Richtung. Nur der Finanzminister hat anscheinend noch ein bisschen was zu meckern."
Abweichler machen Probleme, die Software auch
Gerne hätte das Deutschlandradio Kultur auch bei CDU, CSU und SPD nachgefragt, wie die Vorbereitungen zur Sondersitzung laufen. Aber unisono lehnen die Regierungsfraktionen alle Interviewanfragen ab, es sei halt Urlaubszeit, lautet eine der Begründungen. Tobias Schulze, Mitarbeiter der Linksfraktion, hat dafür nur bedingt Verständnis:
"Natürlich geht's hoch her. Die Abweichler bei der Unionsfraktion, aber auch die SPD-Abgeordneten, die nicht zufrieden sind mit dem Kurs in der Europapolitik der Bundesregierung, setzen natürlich ihre Fraktionsführung unter Druck. Aber dass man über die Vorbereitung einer Sondersitzung nicht spricht, das kann ich tatsächlich nicht verstehen. Und dass die Sondersitzung, wenn die sich jetzt einigen, die Finanzminister, stattfinden wird und muss, das ist klar. Und deswegen kann man auch drüber reden."
Tobias Schulze hat ganz andere Probleme, zum Beispiel die Sache mit der Software. Weil der Bundestag im Mai Opfer eines Hacker-Angriffs wurde, sollte ausgerechnet ab dieser Woche die gesamte Büro-Kommunikation des Parlaments unterbrochen werden. Fünf Tage Stillstand: Telefon, Email, Fax – alles tot. Nicht auszudenken, der gesamte Bundestag im Funkloch, kurz vor einer Sondersitzung. Jetzt wird der Termin verschoben, was die Sache aber nicht unbedingt leichter macht:
"Alle hatten sich darauf eingestellt, dass ab heute, 17 Uhr, bis nächsten Dienstag das IT-System nicht funktioniert, und man hat man hat natürlich bestimmte Abläufe darauf eingestellt, und jetzt wird das alles verschoben um eine Woche, und da muss richtig mit Personal usw. hinter den Kulissen gewirbelt werden, damit die Verschiebung funktioniert."
Und alles nur wegen der Sondersitzung...
"Ja, alles nur wegen der Sondersitzung."
Alles halb so wild, meint hingegen Schulzes Pendant in der Grünen-Fraktion, Referent Stefan Lange. Und sein Chef Sven-Christian Kindler schwimmt jetzt noch einmal hinaus, am Bretagne-Strand:
"Er wird sich's da schon gut gehen lassen... mit Schwimmen sicherlich auch, ja."
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