Sondersendung 100 Fundstücke

Klangexperimente im Kleinen

ILLUSTRATION - Eine Audio-Kompaktkassette (Musikkassette, MC, Audiokassette) liegt am 12.12.2014 in Berlin auf zwei Vinyl-Schallplatten (Langspielplatten, LP). Die mit einem Magnetband ausgerüstete Kassette, die in den 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre hinein weit verbreitet war, wurde in einem Kassettenrekorder abgespielt und ermöglichte erstmals den mobilen Konsum von Musik. Beide Tonträger haben mit der Einführung der digitalen Audiotechnik der CD (Kompaktdisc) an Bedeutung verloren. Foto: Peter Zimmermann | Verwendung weltweit
Von der Platte über Kassette und CD zur mp3 - jede Entwicklungsstufe veränderte unsere Hörgewohnheiten. © dpa-Zentralbild
07.11.2017
Tiermusik, Field Recordings, vertonte Architektur. Das alles können Fundstücke sein. Radiophone Miniaturen, die der Soundarchivar Paul Paulin sammelt und in einer Serie im Kompressor vorstellt. Hören Sie die 100. Episode und andere Radioperlen.
Ob Sprachspiel, Tiermusik, aus der Ethnologie, der Medienkunst oder der Kindererziehung - Fundstücke sind radiophone Miniaturen, die Geschichten erzählen, einen auf akustische Reisen mitnehmen oder Situationen dokumentieren. Fundstücke können Gedichte, Studioproduktionen, Field Recordings oder etwas ganz anderes sein. Seit 2015 werden sie regelmäßig im Kompressor ausgestrahlt.
Anlässlich der 100. Episode erklärt Soundarchivar Paul Paulun, was eine Aufnahme zum Fundstück macht und wie es zu der Serie gekommen ist.

Fundstück 100: Paul De Marinis – March

Von der Schelllack- oder Vinylschallplatte, Kassette, CD zur mp3 - mit jeder neuen Entwicklungsstufe von Tonträgern veränderte sich die Bedeutung von Musik. Und damit auch die Hörgewohnheiten. Der amerikanische Komponist und Performancekünstler Paul DeMarinis untersuchte dieses Phänomen 1995 auf künstlerische Weise.
In seiner Klanginstallation "The Edison Effect" spielte er Schallplatten mit einem Laser ab, gab Störgeräusche zu Musik oder wiederholte stoisch die der digitalen Welt zugrunde liegenden Ziffern Null und Eins über einem Marsch. Durch solche Störungen wird deutlich, wie selbstverständlich Musik im täglichen Leben geworden ist - und vielleicht auch, dass Musik tatsächlich etwas Besonderes ist.

Fundstück-Quiz- Was hören Sie?

Fundstücke haben es an sich, gefunden zu werden, in den allermeisten Fällen von Paul Paulun, der sie für uns erkärt und einordnet. Nehmen wir an, wir würden so ein Fundstück selbst irgendwo finden, nackt und roh und ohne jede weitere Erklärung. Ohne Paul Paulun wüssten wir dann nicht, womit wir es zu tun haben. Wir müssten sehr genau hinhören – was hören wir? Wie wurden die Geräusche und Klänge erzeugt? Und zu welchem Zweck? Wir haben bei zu dem Fundstück "Daphne Oram" Kollegen und Passanten gebeten, ein paar Tipps abzugeben.
Quiz-Auflösung:
Bei diesem Fundstück handelt es sich um ein Synthesizer-Experiment von Daphne Oram. Sie ist die Mitbegründerin des BBC Radiophonoic Workshops der Abteilung für Soundeffekte. Das Fundstück stammt aus den frühen 60er Jahren aus der Serie "Listen, Dance and Move", die für die Kindererziehung gedacht war. Die Kinder sollten durch die Klänge zu mehr Bewegung animiert werden. 30 Jahre nach dem Experiment wurden die teilnehmenden, einstigen Kinder gefragt, was sie sich zu diesen Klängen vorgestellt haben: Sie waren zum Beispiel ein Baum in einem Sturm, oder ein Lemming in einem Mixer.

Fundstück zur 100 Jahre Oktoberrevolution: Konstantin Melnikov – Sonata Of Sleep

Mit seinen Bauten wollte der Moskauer Architekt Konstantin Melnikov in den 20er Jahren sowjetische Werte widerspiegeln und gleichzeitig dem Bedürfnis nach persönlichem Ausdruck entsprechen. 1929 hatte er das Planspiel für eine "Grüne Stadt" entwickelt. In ihr sollte es außer Parkanlagen und einem Zoo auch spezielle "Schlafanlagen" für Arbeiter geben.
Weil Schlaf als Heilfaktor galt, wurden die Schlafräume von Architekten, Musikern und Ärzten gemeinsam konzipiert. Außer rotierenden Betten, Hydromassage und künstlich erzeugten Düften war auch eine Klangberieselung geplant. Sie sollte vorrangig aus den beruhigenden Geräuschen von Wind und Wasser, sowie aus Blätterrascheln bestehen. Melnikovs Vision einer "Grünen Stadt" wurde nie verwirklicht, aber 2008 von dem spanischen Künstler Miguel Molina Alarcón klanglich nachempfunden.
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